In Maria das Bild des geglückten Menschen feiern

 

Karl Veitschegger


Maria mit Jesuskind  und Prophet (Priszilla-Katakombe, Rom um 210)

Artikel zu Marienfesten

| Unbefleckte Empfängnis – was ist das?

| 8. Dezember: Fest Mariä Empfängnis

|15. August: Fest Mariä Himmelfahrt

| Anmerkungen

Jesus krönt Maria, das Urbild aller Gläubigen (Mosaik): "Wer siegt, der darf mit mir auf meinem Thron sitzen ..." (Offb 3,21)


 

Karl Veitschegger

 

Unbefleckte Empfängnis – was ist das?

 

Ein geglückter Mensch

Schon lange, bevor Theologen und Päpste sich über die Mutter Jesu dogmatische Gedanken machten, verehrte das christliche Volk Maria als voll gelungenen, ganz und gar geglückten Menschen. Bereits die Urkirche sah in Maria eine besonders „Begnadete" (Lukas 1,28) und „Gesegnete" (Lukas 1,42), ein Ideal des wahren Christenmenschen. Daran anknüpfend besingen die orthodoxen Christen sie bis heute als Panagia (Ganz-Heilige), verehren sie die Christen des Abendlandes als Immaculata (Unbefleckte), also als einen Menschen, der in moralischer Hinsicht „kern-gesund" ist, nicht infiziert von der allgemeinen Immunschwäche gegenüber dem Bösen, von der „Erbsünde", wie die Theologen sagen. Katholischer Glaube bekennt: Vom ersten Augenblick ihres Lebens (Empfängnis) an durfte Maria ungetrübt (unbefleckt) in der Freundschaft mit Gott leben. Das ist der Sinn des missverständlichen Ausdrucks „Unbefleckte Empfängnis". Ein unglückliches Wort für eine glückliche Sache!

 

Sogar Muslime

Übrigens verehren nicht nur Christen, sondern auch gläubige Muslime Maria als vorbildlichen Menschen, der bereits im Mutterleib von Gott erwählt und unter seinen besonderen Schutz genommen worden ist (Koran, Sure 3, Vers 42 u. öfter). Ein eigenes kirchliches Fest, an dem man der Erwählung Marias im Mutterleib gedenkt, ist seit dem 9. Jahrhundert nachweisbar. Im Jahre 1854 unterstrich Papst Pius IX. durch die Verkündigung eines Dogmas – er bediente sich dabei ganz der theologischen Sprache seines Jahrhunderts – die besondere Begabung und Berufung Marias.

 

Was bedeutet das Fest "Maria Empfängnis" für unser Leben?

| Nicht nur Marias Leben, auch unser Leben ist von Gottes Liebe gewollt. In diesem Sinn ist jeder von uns ein „Wunschkind" (auch wer es für seine Eltern nicht gewesen sein sollte). Mensch sein heißt: geliebt werden und dadurch selber lieben lernen.

| Gott bietet uns seine Freundschaft an, und diese Freundschaft kann uns befähigen, unsere Lebensaufgabe zu erfüllen, wie Maria ihre Aufgabe erfüllt hat.

| Gottes „Methoden", das Böse in der Welt zu überwinden, haben wenig mit Härte und Gewalt, aber sehr viel mit Anmut, Milde und innerer Kraft zu tun. Bilder zum Fest des 8. Dezembers zeigen Maria sehr oft als junge, zarte Frau, der die Schlange der Bosheit entmachtet zu Füßen liegt (als Hoffnungszeichen für uns alle: vgl. Römer 16,20)

| Recht verstandene Marienverehrung darf nicht mit „Sexualfeindlichkeit" in einen Topf geworfen werden (was leider immer wieder passiert). Denn am 8. Dezember feiern wir die Zeugung Marias, und diese geschah auf ganz natürliche und gottgewollte Weise: durch die körperliche Liebe ihrer Eltern Anna und Joachim.

| In Maria zeigt uns Gott, was reifer Glaube ist: Maria ist kein „Waserl", sondern eine Frau, die Gott durchaus kritische Fragen stellt (Lukas 1,34 u. 2,48.), ihren Sohn Jesus nicht immer versteht (Lukas 2,41-51), sehr dunkle Stunden erleben muss (Johannes 19,25), aber in all dem bleibt sie ein offener und lernfähiger Mensch, weil sie sich ganz und gar von Gottes Liebe getragen weiß (Lukas 1,45, 46).

| Echter Glaube ist daran zu erkennen, dass er uns menschlich reifen lässt.

 

(Beitrag im „Sonntagsblatt für Steiermark“ und im „Neues vom Graben“, Dezember 1996, hier gekürzt)

 

Zurück zum Seitenanfang


 

Karl Veitschegger

 

8. Dezember: Maria Empfängnis

 

Die Autobiographie eines beliebten TV-Moderators trägt den Titel „Ich habe nichts geschenkt bekommen". Ich habe das Buch nicht gelesen, aber der Titel suggeriert: Tüchtig ist der Mensch, der nur zu sich selbst „Danke" sagen muss. Etwas geschenkt zu bekommen, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, ist minderwertig.

 

Diese Auffassung wird durch die Feier des 8. Dezembers gründlich korrigiert: Die wirklich wichtigen Dinge des Lebens können gerade nicht verdient werden: Liebe, Begabung, Charisma, glückliche „Zu-Fälle"... Das, woraus wir letztlich leben und was unsere eigenen Entscheidungen und Leistungen überhaupt erst möglich macht, ist Geschenk (theologisch „Gnade"). Die Kirche stellt uns Maria als Bild des begnadeten Menschen vor Augen: Inmitten einer von Gottesfinsternis („Erbsünde") geprägten Menschheit, darf sie von Anfang an im Licht Gottes leben. Und dieses Geschenk, dieses Charisma der besonderen Gottesnähe ist Basis für ihr weiteres Leben. So kann sie – nach einem schönen Wort der hl. Hildegard von Bingen – die „aurea materia", der „Goldstoff" werden, aus dem der neue Adam, Jesus Christus, genommen wird.

 

Hätte Maria Memoiren geschrieben, hätte sie diese sicher nicht mit „Mir wurde nichts geschenkt“ betitelt. Vielleicht hätte sie den Vers Lukas 1,49 gewählt!? Jedenfalls will uns das Fest ihrer „Begabung" zu dankbarer Nachdenklichkeit bewegen: Woraus lebe ich? Welche Begabungen und Charismen, welche Begegnungen und Beziehungen wurden mir von Gott geschenkt? Und hoffentlich darf auch ich einmal mit Maria und Paulus sagen: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben.“ (1. Korinther 15,10 ).

 

(Gedanken zum Inhalt des Festes für „Sonntagsblatt für Steiermark“, Dezember 1998)

 

Zurück zum Seitenanfang


 

Karl Veitschegger

 

Gedanken zu „Mariä Himmelfahrt

 

Ein lächerliches Dogma?

Er war Arzt am Land. Er wusste selbst nicht, ob er sich als Atheisten oder als „gottgläubig" bezeichnen sollte. Von den „Pfaffen" hielt er jedenfalls nicht viel. Schon seit der Hitlerzeit war er aus der Kirche ausgetreten. Dennoch sprach er mich - ich war ein Freund seiner erwachsenen Kinder – oft auf religiöse Themen an. „Als Katholik müssen Sie ja daran glauben, dass die Maria in den Himmel aufgefahren ist. Wo ist sie jetzt im Weltraum?“, provozierte er mich eines Tages. Ich weiß heute nicht mehr genau, was ich darauf antwortete. Jedenfalls gab ich zu bedenken, dass es für jemanden, der mit religiösen Bildern und Symbolen nichts anfangen kann, schwierig sei, Glaubensaussagen zu verstehen. Ich wollte auch noch etwas über die Poesie des Glaubens sagen, ließ es dann aber bleiben. Mein Gegenüber wollte es auch nicht hören. Er fand ein Fest wie Mariä Himmelfahrt einfach dumm und lächerlich.

 

Frucht der Auferstehung Jesu

Für katholische und orthodoxe Christen und Christinnen ist dieses Fest, das schon um 450 in Jerusalem nachgewiesen werden kann und seit dem 7. Jahrhundert auch im Abendland gefeiert wird, ein Tag großer Hoffnung. Es gehört zum Kern unseres Glaubens, dass Jesus Christus nach seinem Tod am Kreuz nicht nur zum – man verzeihe den Ausdruck – „Privatvergnügen“ auferstanden ist, sondern dass er seine Osterherrlichkeit mit anderen teilen will: „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen." (Johannes 12,32). „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Wenn ich hingegangen bin und einen Platz für euch bereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin." (Johannes 14,2-3). Seit dem 5. Jahrhundert wächst im gläubigen Volk die Überzeugung, dass an Maria, der Mutter Jesu, dieses „Ich werde euch zu mir holen" auf besonders schöne Weise in Erfüllung gegangen ist: Maria darf seit Beendigung ihres Erdenlebens voll und ganz an der Herrlichkeit ihres auferstandenen Sohnes teilhaben. Diese Glaubensüberzeugung äußert sich im Lauf der Jahrhunderte auf sehr unterschiedliche und vielfältige Weise: in Hymnen, volkstümlichen Legenden, künstlerischen Darstellungen, aber auch in subtilen theologischen Überlegungen. Im Jahre 1950 wird sie von Papst Pius XII. bestätigt und als Dogma verkündet.

 

Was hat das mit uns zu tun?

„Dogma" bedeutet: Hier wird uns etwas gesagt, was für unser Leben mit Gott ganz wichtig ist; es geht um unser Heil. Maria ist die „Ikone" des voll erlösten Menschen. In ihr wird uns exemplarisch gezeigt, wozu wir alle berufen sind: zur Vollendung in Gott – und zwar „mit Leib und Seele". Ja, auch mit unserem Leib! Wir müssen dabei nicht an revitalisierte Leichen denken, die durch den Weltraum fliegen, wie mein oben zitierter Gesprächspartner spöttisch gemeint hat. Solches passt wohl eher in Science-Fiction-Filme. Wir dürfen aber darauf vertrauen, dass unsere leibliche Wirklichkeit, die so augenscheinlich der Zerstörungsmacht des Todes unterliegt, für Gott nicht verloren ist. Nichts fällt aus seiner schöpferischen Liebe heraus – kein Gedanke, kein Atom. Er verspricht uns vielmehr: „Seht, ich mache alles neu!" (Offenbarung 21,5). Was wir „Verwesung" nennen, ist für Gott vielleicht schon der Beginn dieser Neuschöpfung. Der Apostel Paulus lehrt: „Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich ... Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer" (1 Korinther 15, 43f). Über das Wie brauchen wir uns den Kopf nicht zu zerbrechen. Es genügt die gläubige Hoffnung, dass alles, was wir denken, fühlen und tun, kurz gesagt: alles, was wir „mit Leib und Seele" sind, von Gott angenommen, geläutert, verwandelt und vollendet wird.

 

Wir feiern unsere Zukunft

Wer den 15. August feiert, feiert auch seine eigene Zukunft. Mein eingangs erwähnter Gesprächspartner ist seit vielen Jahren tot. Wie er zuletzt zu Gott stand, entzieht sich meinem Wissen. Aber ich hoffe, dass ihm durch Gottes Gnade möglich ist, jene ewige Schönheit zu schauen, deren kirchliche Bilder, Zeichen und Feste ihm zu Lebzeiten fremd geblieben sind.

 

(Beitrag im "Sonntagsblatt für Steiermark", August 1997)

 

 

„Marias Tod war kein trauriges Ende, sondern sie hat sich Hals über Kopf mit Haut und Haar, Herz und Gemüt, mit Leib und Seele in die Liebe Gottes „gestürzt“. Er hat sie aufgenommen. Ganz.“

Karl Veitschegger (August 2021)

 

 

Zurück zum Seitenanfang


 

Anmerkungen zu „Mariä Himmelfahrt"

 

Epiphanios von Salamis (315-403) stellt in seinem Buch Panarion fest:

 

„Sie sollen die Schriften erforschen. Sie werden Marias Tod nicht finden. Sie werden nicht finden, ob sie gestorben ist oder nicht. Sie werden nicht finden, ob sie begraben wurde oder nicht […]. Das Schweigen der Schrift [über Marias Ableben] ist vollständig, aufgrund der außergewöhnlichen Natur des Wunders, um nicht den Geist der Menschen zu bestürzen." (Griechische Christliche Schriftsteller, Bd. XXXVII, S. 461 f.).

 

„Mag sein, die heilige Jungfrau ist gestorben und wurde begraben; dann ist ihr Tod mit Ehre verbunden, ihr Ende mit Reinheit; dann hat sie die Krone der Jungfräulichkeit erreicht. Mag sein, sie wurde getötet und begraben, wie die Schrift sagt: Und ihre Seele wird ein Schwert durchdringen (Lk 2,35); dann ist ihr Los die Gemeinschaft und Ehre der Martyrer und ihr heiliger Leib mit Seligkeit überhäuft; denn durch ihn hat er [Gott] Licht in die Welt gebracht. Mag sein, dass sie am Leben blieb; denn Gottes Willen ist nichts unmöglich. Ihr Ende aber kennt niemand." (Pan. 78,24; PG 42,737)

 

Epiphanios wird um 315 bei Eleutheropolis in Judäa von jüdischen oder christlichen Eltern geboren, lernt viele Sprachen, bereist damalige christliche Welt (Palästina, Ägypten, Kleinasien, Rom), gründet und leitet ein Kloster in der Nähe seines Geburtsortes, wird um 367 zum Metropoliten von Salamis gewählt, stirbt um 403.

 

Alte Glaubenseinsicht?

 

Die Glaubenseinsicht, Maria, die Mutter Jesu sei „mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden", ist in der Kirche vielleicht schon viel früher gewonnen worden, als weithin angenommen wird. Der bald nach 400 verfasste Bericht des Pseudo-Meliton über den Heimgang Marias (Transitus Mariae) erwähnt nebenbei auch einen gewissen Leucius, der schon früher einen Bericht über den Heimgang Marias geschrieben haben soll. Wenn, wie manche Forscher meinen, dieser Leucius mit jenem Leucius identisch ist, der in nachapostolischer Zeit Geschichten über die Apostel verfasst hat, oder sogar mit dem Leucius, der in der alten Kirche als Schüler des Apostels Johannes bekannt ist, dann hätte es die erste (nicht mehr erhaltene) schriftliche Botschaft von der „Aufnahme Marias in den Himmel" schon im 2. Jahrhundert gegeben.

 

Frühchristliche Kunst

 

Vladimir Lossky schreibt, dass „der Sarkophag von Santa Engracia in Saragossa (beginnendes 4. Jh.) mit einer Szene versehen ist, die sehr wahrscheinlich die Himmelfahrt Marias darstellt.“ Er nennt auch ein „Relief aus dem 6. Jahrhundert in der Basilika von Bolniss-Kapanakci in Georgien, das die Himmelfahrt der Gottesmutter darstellt". (The Meaning of Icons, New York: St. Vladimir's Seminary Press, 1982, S. 213)

 

Gregor von Tour (538/539? – 594) über die Aufnahme Mariens:

 

http://www.domus-ecclesiae.de/historica/gregorius-turonensis/gregorius-turonensis.miracula.01.html#4

Martin Luther 1522:

 

„Man kann aus diesem Evangelium [vom 15. August] nicht beweisen, dass Maria im Himmel ist, ist auch nicht vonnöten; man muss nicht alles genau aussagen können, wie es mit den Heiligen im Himmel ist. Es ist genug, zu wissen, dass sie in Christus leben, wie Mt 22 (V 32) geschrieben steht: Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen. […] Hier sagt die Schrift klar, dass Abraham, Issak, Jakob und alle Gläubigen leben. Darum ist es nötig zu glauben, dass die Mutter Gottes lebe. Wie es aber zugeht, das befehle man dem lieben Gott. Das sei genug zum Fest.“

(WA 10 III,268-273, Druck von 1522 einer Predigt am Tag Mariä Himmelfahrt des gleichen Jahres)

 

Ulrich Zwingli:

 

„Ich vertraue auch festiglich, daß sie [Maria] von Gott erhöht sei über alle Geschöpfe der seligen Menschen oder Engel in der ewigen Freud.“ (CRZw. 1, 424)

„Also halte ich viel von der Mutter Gottes, der ewig reinen, unbefleckten Magd Maria; viel von allen denen, die je um Gottes Ehre und Willen gestorben sind; ob sie aber Gott für mich bitten, das wollen wir hernach sehen.“ (CRZw. 2, 189)

„Ja, der die Zuversicht und das Vertrauen zu dem Sohn Mariae hat, der hat sie am höchsten geehrt; denn all ihre Ehre ist ihr Sohn“ und: „Je mehr die Ehre und Liebe Jesu Christi wächst unter den Menschen, desto mehr wächst die Wertschätzung und Ehre Marias, weil sie uns den so großen, doch gnädigen Herrn und Erlöser geboren hat.“ (CRZw. 1, 426)

 

 

Karl Veitschegger

 

Zurück zum Seitenanfang

 

Maria in der Lehre der katholischen Kirche

Mariendogmen - Übersicht

Maria – eine Retterin?

Jesus – Sohn einer Jungfrau?

 

Zurück zur Startseite von Karl Veitschegger

Zurück zum Menü „Artikel, Referate, Skizzen ...“

Karl Veitschegger © 2000