Karl
Veitschegger
(2015) Maria in der Lehre der katholischen Kirche „Siehe, von nun an
preisen mich selig alle Geschlechter.“ (Maria nach Lukas 1,46) Im Schatten und
Licht ihres Sohnes Maria ist keine antike Göttergestalt, sondern
eine geschichtliche Person: die Mutter des Jesus von Nazaret. Ein Blick in
die Bibel zeigt: Einerseits steht sie ganz im Schatten ihres großen Sohnes,
anderseits fällt aber auch viel von seinem Licht auf sie: „Gesegnet bist du
mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.“ (Lukas
1,42) Katholische Christen und Christinnen beten Maria nicht an, aber sie
verehren sie. Geschichte und
Glaube Schon das Neue Testament sieht Maria als
Ideal des gläubigen Menschen: „Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich
erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ!“ (Lukas 1,45) Das christliche Volk hat
dann die Gestalt Marias weitermeditiert, ähnlich wie z. B. Israel die Gestalt
Abrahams meditiert hat. Es entspricht biblischem Glauben, eine Gestalt der
Geschichte so zu verstehen und zu deuten, dass in ihr Urbildliches und
Vorbildliches für spätere Generationen erkennbar wird. Maria ist für
katholische Christinnen und Christen die lebendige „Verdichtung" und
„Verkörperung“ wichtiger Wahrheiten des Evangeliums. An Maria – so
glauben sie – illustriert der Heilige Geist auf besonders schöne Weise,
wie die Gnade Gottes wirkt. In diesem Sinn sind auch die klassischen
„Mariendogmen“ zu verstehen. „Gottesgebärerin“
– Mutter Gottes Weil Jesus nicht nur ein wirklicher Mensch,
sondern zugleich göttlich ist, wurde Maria schon sehr früh im christlichen
Volk als „Theotokos“ (Θεοτόκος, „Gottesgebärerin“) verehrt. Manche
Theologen fanden diesen Titel anstößig. Aber das Volk verlangte im Jahre 431
von der Konzilsversammlung in Ephesus nachdrücklich und schließlich
erfolgreich eine dogmatische Bestätigung dieses Titels. Seither wird Maria
auch kirchenoffiziell „Gottesgebärerin“ genannt. Dieses Dogma bedeutet: Im
Menschen Jesus, den die menschliche Frau Maria geboren hat, ist Gott selbst
zu uns gekommen. Er ist durch Maria einer von uns geworden. Gott kennt unser
Leben nicht nur „von oben“ oder „von außen“, sondern „aus eigener Erfahrung". Jungfrau und
Mutter Die Evangelisten Matthäus (1,18-25) und Lukas
(1,26-38) erzählen, dass Jesus von Maria durch das Wirken des Heiligen
Geistes empfangen worden ist. Diese Erzählungen beabsichtigen keine Abwertung
der menschlichen Sexualität, wie das dann in der späteren Kirchengeschichte
leider oft geschehen ist. Sie bieten auch keine biologischen Informationen,
sondern sie machen eine theologische Aussage über die Bedeutung Jesu: Er ist
wahrhaft Mensch, von einer Frau geboren, aber er ist nicht Produkt menschlichen
Könnens und Wollens. Menschen können ihr Heil nicht selbst „er-zeugen“. Jesus
ist das Geschenk Gottes schlechthin. Die Welt kommt zu ihm wie die
sprichwörtliche Jungfrau zum Kind. Und Maria? – Sie „verkörpert“ mit Leib und
Leben das volle gläubige Ja zu diesem Geschenk. „Immer-Jungfrau“ Wenn Konzilien sie später als
„Immer-Jungfrau“ (griech. ἀειπάρθενος
= aei-parthenos;
lat. semper virgo) bezeichnen, dann
stellen sie Maria als Menschen dar, der zeitlebens in Gott seine große Liebe
sah - eine Liebe, an die keine menschliche Beziehung und irdische Bindung
heranreichen kann. Sie ist damit aber nicht nur für zölibatäre Menschen
Vorbild. Der Apostel Paulus schrieb an die Christengemeinde von Korinth, in
der es Mütter und Väter, Verheiratete und Ledige in verschiedenen
Beziehungsformen gab: „Ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen.“ (2 Kor 11,2) – Frei
übersetzt heißt das: Letztlich soll euch allen nichts wichtiger sein als die
Liebe, die Gott euch in Jesus Christus schenkt. In diesem Sinn kann jeder
Christ, jede Christin „jungfräulich“ sein. Immaculata –
unbefleckt empfangen Neun Monate vor dem Fest „Mariä Geburt“
(8.September) feiert die katholische Kirche auch die Empfängnis Marias (8.
Dezember). Diese geschah auf ganz normale Weise durch die körperliche Liebe
ihrer Eltern. Dass sie als „unbefleckt“ bezeichnet wird, hat also nichts mit
sexualfeindlichen Fantasien zu tun – als ob geschlechtliche Liebe etwas
Schlechtes wäre! – sondern bezieht sich auf eine Tat Gottes. Im Laufe der
Jahrhunderte setzte sich in der katholischen Kirche die Überzeugung durch,
dass Maria schon im ersten Augenblick ihres Daseins, also bei ihrer
Empfängnis, von Gott unter besonderen Schutz genommen wurde. Sie war von
Anfang an die „Begnadete“ (Lukas 1,28: griech. Κεχαριτωμένη
= kecharitomene;
lat. gratia plena)
und blieb daher „unbefleckt“, das heißt: frei von jeder schicksalhaften Verstrickung
in das Böse (theologensprachlich: „frei von Erbsünde“). An ihr war der
Retter, den sie später gebären sollte schon im Voraus wirksam. Sie war – so
verkündet christliche Poesie – die Morgenröte der Erlösung. 1854 bestätigte
Papst Pius IX. diesen Glauben feierlich durch ein Dogma. Die Kirche will
damit ihren Gläubigen auch Mut machen: Gott erwählt, beruft und befähigt jede
und jeden zu einem sinnvollen Leben. Und wie Maria gibt er jedem Menschen
jene Charismen, die er zur Erfüllung seiner Lebensaufgabe braucht. In den Himmel
aufgenommen – „mit Leib und Seele“ Auch das Lebensende Marias sieht katholischer
Glaube ganz im Licht ihres Sohnes. Dass Maria nach ihrem Hinscheiden „mit
Leib und Seele“ in der Osterherrlichkeit ihres Sohnes lebt, ist altchristliche
Überzeugung (nachweisbar ab 450 n. Chr.). Papst Pius XII. hat sie 1950 nach
den mörderischen Gräueln des Zweiten Weltkrieges durch ein Dogma bekräftigt.
Wenn die katholische Kirche in Gebeten und Liedern, Bildern und
Glaubensformeln verkündet, dass Maria „nach Ablauf ihres irdischen Lebens mit
Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen worden ist“ (Papst
Pius XII.), dann verkündet sie damit auch die universale Hoffnung, dass
Materie und Leben, Leibliches und Geistiges, ja alles, was existiert, sein
letztes Ziel in Gott hat. In Maria zeigt Gott exemplarisch die Zukunft seiner
geglückten Schöpfung. Nichts Gutes, auch wenn es sterblich ist, geht für
immer verloren. Nicht „Verwesung“ ist die letzte Bestimmung der Schöpfung,
sondern „Verwesentlichung": Gott will – auf
eine Weise, die nur er kennt – alles, was er erschaffen hat, zur Vollendung
bringen und mit Ewigkeit krönen. Mutter der Kirche
und mächtige Fürsprecherin „Als Jesus [am Kreuz hängend] seine Mutter
sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau,
siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von
jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.“ (Johannes 19,26-27) In diesem
Jünger, sagt katholische Spiritualität, darf jeder gläubige Christenmensch
sich selbst und auch die Kirche als Ganzes erkennen. Maria ist ihm und ihr
als Mutter gegeben. Und im Blick auf die biblische Erzählung von der Hochzeit
zu Kana (Johannes 2), in der Maria erfolgreich bei ihrem Sohn für die
Hochzeitsgäste „interveniert“, vertrauen katholische Gläubige der Mutter Jesu
bis heute ihre Sorgen und Nöte an, um mit ihr und durch sie Christus um seine
Hilfe zu bitten. Artikel Heilgenverehrung
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