Karl Veitschegger

 

Kirche - ja bitte!

Skizze für Statement „Warum ich ja zur Kirche sage"


 

Apostel Petrus - Statue auf dem Petersplatz in Rom Ich will nicht, dass unsere Gesellschaft dem platten Egoismus verfällt. Daher bin ich froh, dass es Glaubensgemeinschaften gibt, die sich (mit anderen NGOs) für die (gottgeschenkte) Würde des Menschen einsetzen.

 

Ich bin gerne Christ. Ohne Kirche wüsste ich nichts von Jesus Christus. Ohne Kirche hätte ich kein Neues Testament. Deshalb kann eigentlich keiner, der Christ sein will, ernsthaft sagen: Ich brauche die Kirche nicht. (Wie und wie viel er sie braucht, ist eine andere Frage.)

 

Jesus Christus selber hat Jünger und Jüngerinnen um sich gesammelt und ihnen seine Botschaft und sein Werk anvertraut: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Aus diesem Kreis wuchs die Gemeinschaft der Kirche. „Ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt!“ (Mt 28,20) Wenn Jesus in der Kirche bleibt, darf ich dann gehen?

 

Ich liebe die Sakramente, den Sonntag, die Feste unseres Glaubens (Weihnachten, Ostern etc.), unsere schönen Kirchen und Kapellen, manches christliche Brauchtum, die christliche Kunst, die Kirchenmusik usw. All das hat seine Wurzeln im Leben der Kirche.

 

Mein Glaube ist eine persönliche Beziehung zu Gott. Aber ich brauche auch den Glauben, die Erfahrung und das christliche Leben meiner Mitchristen und Mitchristinnen (auch derer, die vor mir gelebt haben), damit ich mich nicht „verrenne“ (vgl. Gal 2,2). Christlicher Glaube ist kein Stück für Solisten, sondern ein Voneinander, Miteinander und Füreinander.

 

Ich bin gerne katholisch. Das Wort „katholisch“ heißt „universal“, „offen für alle“. Unsere Kirche ist keine engstirnige Sekte, in der nur 100%ig Gleichgesinnte und moralisch Perfekte Platz haben. Sie will vielmehr offen sein für alle, die ihren Lebensweg mit Christus gehen wollen, auch wenn sie sich dabei oft schwertun. Sie ist eine bunte Gemeinschaft – 2000 Jahre alt, existierend in allen Ländern der Erde, an vielen Orten anerkannt, an manchen verfolgt. Es gibt konservative und progressive Kräfte in unserer Kirche. Das führt zu Spannungen; meist sind sie fruchtbar. Um die Wahrheit muss oft hart gerungen werden. Auf der Fahrt durch die Zeit braucht die Kirche beides: „Gas“ und „Bremse“.

 

Meine Kirche wird auch „römisch-katholisch“ genannt, weil der Bischof von Rom, der Papst, eine wichtige Aufgabe in ihr hat. Wie einst Petrus die erste Jüngerschar anführte, hat der Papst als Petrus-Nachfolger heute leitend für die Einheit der Kirche zu sorgen (Zusammenspiel von Charisma und Institution, Tradition und Kreativität). Christus will eine bunte, aber keine zerstückelte oder chaotische Kirche. Freilich weiß ich: Päpste sind nur Menschen und machen Fehler, aber alles in allem sage ich: Gut, dass es diesen Dienst der Einheit in der Kirche gibt. Möge für ihn in Zukunft eine Form gefunden werden, die auch von orthodoxen und protestantischen Kirchengemeinschaften als sinnvoll akzeptiert werden kann.

 

Und „heilig" nennen wir unsere Kirche auch noch. Nicht weil wir Kirchenmitglieder so gut wären, sondern weil Christus, der „Heilige Gottes" (Joh 6,69), Ursprung und Mitte der Kirche ist. Die Bibel erzählt mit erstaunlicher Offenheit von den Fehlern und Schwächen der Apostel: Feigheit, Machtgier, Kleinglauben ... Aber auch von ihrer Reue, ihrer Treue zu Christus, ihrer Liebe. Und wie ist das heute in der Kirche? Es geschieht einiges, worauf ich nicht stolz sein kann, manches, wofür ich mich schäme, was mich wütend und traurig macht, aber auch unzählbar viel Gutes, meist selbstverständlich, Tag für Tag – durch Seelsorger und Seelsorgerinnen, Ordensleute, durch „einfache“ Männer und Frauen, durch Pfarren, kirchliche Initiativen, Organisationen, Bewegungen und Gruppen.

 

Gott sei Dank, das Evangelium lebt und wird gelebt! In diesem Sinn: Gut, dass es die Kirche gibt!

 

(Statement in der Pfarre Gutenberg, Fastenzeit 1995)

Karl Veitschegger

 

Zum Nachdenken kann ein Zitat des Psychoanalytikers Albert Görres (gest.1996) anregen:

„Die Kirche ist, wie die Sonne, für alle da. Für Gerechte und Ungerechte, Sympathen und Unsympathen, Dumme und Gescheite, für Sentimentale ebenso wie Unterkühlte, für Neurotiker, Psychopathen, Sonderlinge, Heuchler und für solche wie Nathanael, 'an denen kein Falsch ist', für Feiglinge und Helden, Großherzige und Kleinliche. Auch für kopf- und herzlose Bürokraten, für Fanatiker und für eine Minderheit von gesunden, ausgeglichenen, reifen, seelisch und geistig begabten, liebesfähigen Naturen. Diese lange Liste ist nötig, um klarzumachen, was man eigentlich von einer Kirche erwarten kann, die aus allen Menschensorten zusammengerufen ist und deren Führungspersonal auch aus diesem bunten Vorrat stammt.“

(Aus: A. Görres - W. Kasper (Hg.), Tiefenpsychologische Deutung des Glaubens? QD 113, Freiburg-Basel-Wien 1988, 134)

 

 

Zeittafeln zur Kirchengeschichte

 

Kirche als Miteinander

Wäre eine Welt ohne Kirche und Religion besser?

 

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