Karl Veitschegger (1981)

 

Ist Gott ein Mann?


Dieser Beitrag erschien bereits im Mai 1981(!) als Glosse in einer steirischen Bezirkszeitung (Weiz). Die Frage nach der „Weiblichkeit“ Gottes wurde damals am Lande noch ziemlich zaghaft gestellt.

 

Als sein Abbild schuf ER sie - männlich und weiblich
Eva – Abbild Gottes, Darstellung in der Sistina, Rom

 

Eh klar?

Es hat sich zwar herumgesprochen, dass Gott keinen Bart hat, aber es scheint für viele eine ausgemachte Sache zu sein, dass er ein „Mann“ ist. Oder können Sie sich vorstellen, dass die letzte Wirklichkeit der Welt und unseres Lebens eine „Frau“ ist, zu der wir „Mutter unser" beten?

Nun sagt aber die Bibel: Gott schuf Mann und Frau als sein Abbild (Genesis 1,27). Demnach ist auch die Frau Abbild Gottes. Und wenn wir von Gott auch nur in Bildern sprechen können, so doch nicht nur in „Mannsbildern“. Die Wirklichkeit Gottes vereint männliche und weibliche Aspekte in sich. Aber überkommt uns beim Bibellesen nicht doch das Gefühl, es bei Gott eher mit einem „Mann“ zu tun zu haben? - Das hat eine Vorgeschichte.

 

Der Gott Israels

Das Volk Israel musste inmitten der Heiden und ihrer vielen Götter den Glauben an den einen Gott aufrecht halten. Das Betonen der „Mann-Fraulichkeit“ in Gott hätte sehr leicht zur gröberen Vorstellung von einem Götterpaar verführt. Und bald hätte ein ganzer Götter-Clan den einen Gott vergessen lassen. Israel musste sich entscheiden. Es entschied sich für Gott als „Vater“. Aber auch Gottes weibliche Dimension brach ab und zu durch: Die Frau Debora regiert Gottes Volk, Prophetinnen verkünden Gottes Wort, Jesaja vergleicht Gott mit einer Mutter (49,15) usw.

 

Der Gott Jesu

Und Jesus? Er war ein Mann und nannte Gott „Vater“, aber er verglich ihn auch mit einer Frau (Lukas 13,21 und 15,8) und offenbarte viele weibliche Züge Gottes. Gerade als Mann tut Jesus vieles, was man bisher nur Frauen zugetraut oder zugemutet hat: Er nimmt sich der Schwachen an, herzt mit Kindern, macht sich zum Tischdiener und „Fußwäscher". Andererseits akzeptiert er auch die Meinung einer Frau, sogar einer Heidin, und ändert daraufhin sein Verhalten zu ihr (Matthäus 15,21-28)! Weil der Gott Jesu männlich und fraulich ist, gilt nicht mehr: Das darf nur der Mann – das nur die Frau, sondern: Jeder darf, was er kann! Männer dürfen Tischdienst machen und Frauen dürfen ihre Meinung sagen.

So sind es Frauen, die den verängstigten Jüngern die Osterbotschaft künden dürfen. Noch länger gab es weibliche „Führungskräfte“ in der Kirche. Aber allzu früh setzten auch die Männer ihren Führungsanspruch wieder durch. Einseitig.

 

Was gilt für uns?

Wer das überkommene Rollenbild (Mann = Herr, Frau = Dienerin) verteidigt, kann sich zumindest nicht auf Jesus berufen. Aber auch ein Rollentausch wäre absurd. Es geht vielmehr darum, dass Männer von ihrer Vorherrschaft und Frauen von ihrer Niedrigkeit befreit werden, um gemeinsam und füreinander Bild Gottes zu werden. Eine uns allen bekannte Frau hat dies so ausgedrückt: „Er entthront die Mächtigen und erhebt die Niedrigen“ (Lukas 1,52). Ziemlich revolutionär, diese Maria!

Ich wünsche Ihnen einen schönen Mai!

 

Karl Veitschegger (Mai 1981)

 

 

Zu meinem Artikel: Frauen in der Kirche zweitklassig? (2002)

Theologische Gedanken zur Frauenarbeit (1995)

"Ihr Frauen, ordnet euch den Männern unter" (Eph 5,22) - Gedanken von Nikolaus Wandinger

 

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