Jesus in den anderen Religionen Keine Person der Weltgeschichte ist so bekannt wie Jesus von
Nazaret. Christen bekennen ihn als den „Sohn Gottes", für Muslime ist er
ein Prophet. Manche Juden entdecken in ihm wieder ihren „jüdischen Bruder" und
manche Angehörige fernöstlicher Religionen sehen ihn als Manifestation des
Göttlichen. „Jesus, dem Sohn der Maria, gaben wir
Wunderkraft und rüsteten ihn mit dem heiligen Geist aus!" Diese und
ähnliche Worte Allahs im Koran begründen die Hochachtung der Muslime für
Jesus (arabisch
Isa). Er ist für sie ein von Gott bevorzugter Prophet, der - geboren von
der Jungfrau Maria - als treuer Diener Allahs lebte. Nicht Jesus selbst,
sondern ein ihm ähnlicher Mann sei allerdings – so der Koran - gekreuzigt
worden. In das Paradies erhöht, wird Jesus am Ende der Tage wiederkommen, um
das Weltgericht anzukünden. In der islamischen Volksfrömmigkeit spielt Jesus
auch als himmlischer Nothelfer eine Rolle. So wird erzählt, dass er einem
armen Fischer am Roten Meer zu Hilfe kam, als dieser sein Boot im Sturm
verlor: „Du weißt, mein Bruder, ich habe immer gern mit Fischern zu tun
gehabt; sieh, ich bringe dir auch dein Boot mit Fischen gefüllt
zurück!". Helfender Bruder, Diener Gottes, Prophet – all das ist Jesus
auch im Islam, aber nicht „Sohn Gottes“! Mohammed (570 - 632 n.Chr.) hatte kein
Verständnis für die christliche Vorstellung eines dreifaltigen Lebens in
Gott. Ja, er missverstand sie gänzlich und meinte, Christen würden „Allah,
Maria und Christus" als drei Götter verehren. Das widersprach natürlich
jener gewaltigen Erkenntnis seines Lebens, die ihn zum Propheten machte:
„Gott ist ein einziger!“ Die Antwort auf die Frage nach der Göttlichkeit Jesu
wird Christen und Muslime bis auf Weiteres trennen, die schlichte Liebe zum
Menschen Jesus, der sich auch heute der Schwachen annimmt, könnte sie
verbinden. Viel näher, aber auch konfliktreicher ist das
Verhältnis zwischen Christentum und Judentum. Beide „vergaßen“ mitunter, dass
Jesus selbst ein Jude war, der sein Volk liebte und die Religion Israels
achtete. Auch seine ersten Jüngerinnen und Jünger, die ihn als „Messias“
(griechisch Christos) und „Sohn Gottes“ bekannten, waren allesamt
Jüdinnen und Juden. „Das Heil kommt von den Juden“, bezeugt das Neue
Testament (Joh 4,22). Der Großteil des jüdischen Volkes hatte allerdings eine
andere Vorstellung vom Messias, als sie Jesus repräsentierte. Hingegen kamen
schon bald Menschen aus anderen Völkern zum Glauben an Jesus. Christentum und
Judentum traten in Konkurrenz. Seit dem Mittelalter ließen sich Christen
sogar zu blutigen Judenverfolgungen hinreißen. Ein gewaltiger Schandfleck für
eine Religion, die sich auf Jesus beruft. Für Juden und Jüdinnen wurde Jesus
zum Ungeliebten, den das Talmud-Urteil trifft: „Er hat Zauberei getrieben und
Israel verlockt und gespalten“. Erst in den letzten Jahrzehnten haben manche
Juden Jesus wieder als einen der Ihren entdeckt. So schrieb der jüdische
Religionsphilosoph Shalom Ben Chorin: „Jesus ist mein jüdischer Bruder. Ich
spüre seine brüderliche Hand, die mich fasst, damit ich ihm nachfolge. Es ist
nicht die Hand des Messias, diese mit Wundmalen gezeichnete Hand. Es ist
bestimmt keine göttliche, sondern eine menschliche Hand, in deren Linien das
tiefste Leid eingegraben ist [...]. Es ist die Hand eines großen
Glaubenszeugen in Israel.“ Als ,,Messias“ oder ,,Sohn Gottes“ können die
meisten Juden und Jüdinnen Jesus freilich auch heute nicht anerkennen.
Ermutigend und bewegend ist aber, was ein Jude einmal in einem Gespräch
gesagt hat: „Wir beide, Juden und Christen, warten auf den Messias. Ihr
Christen glaubt, dass er schon einmal hier war und dass ihr ihn bereits
kennt. Wir Juden kennen ihn noch nicht. Sollte sich aber bei der Ankunft des
Messias herausstellen, dass es Jesus von Nazaret ist, keiner wäre mir lieber
als er!" Östliche Religionen Ganz anders als die drei Religionen, die in
Abraham ihr gemeinsames Glaubensvorbild haben (Judentum, Christentum, Islam),
gehen östliche Religionen an die Gestalt des Jesus von Nazaret heran. Im
Hinduismus hat die Begegnung mit dem Christentum nachweislich zu einer
Verstärkung des Monotheismus (Eingottglauben) geführt. Die vielen
Göttergestalten werden zunehmend als verschiedene Aspekte und Manifestationen
des einen und einzigen Gottes verstanden. Manche Hindus betrachten auch Jesus
als eine Gestalt des Göttlichen. So wundert es nicht, dass in manchem
Hindutempel neben den traditionellen „Göttern“ auch das Bild Jesu Platz
gefunden hat. Einmalig provozierend ist allerdings für Hindus die Botschaft
Jesu von der Gleichwürdigkeit aller Menschen, die sich mit dem indischen
Kastensystem nicht verträgt. Gandhi, der berühmteste Hindu des 20.
Jahrhunderts, war begeistert von Jesus und seiner Bergpredigt, aber bitter
enttäuscht vom Verhalten vieler Europäer, die sich Christen nannten. Im Zentrum des Buddhismus steht weder Gott
noch ein göttlicher Erlöser, sondern die Lehre des Buddha. Aber es gibt
Buddhisten und Buddhistinnen aller Richtungen, die sich für das Evangelium
interessieren. Voll Anerkennung für die Botschaft Jesu ist z.B. der Dalai
Lama, der in der Untrennbarkeit von Gottes- und Nächstenliebe das Wesen der
christlichen Ethik erblickt. Und
Ihr? Eines Tages – so erzählt die Bibel (Lk 9,18-20)
– fragte Jesus seine Jünger: „Für wen halten mich die Leute?' Die Jünger
wussten allerlei aufzuzählen. Die einen für dies, die anderen für das. Dann
fragte Jesus weiter: „Ihr aber, für wen, haltet ihr mich?“ – Man kann in der
Bibel nachlesen, was Petrus damals darauf antwortete. Aber die Frage Jesu
hallt weiter durch die Jahrhunderte und trifft auch die Christinnen und
Christen im Jahre 2000. Wenn ihr Bekenntnis zu Jesus überzeugend sein soll,
wird es nicht bloß aus korrekten Bibelzitaten bestehen dürfen, sondern muss
Tag für Tag mit dem eigenen Leben buchstabiert werden. (Beitrag für "Neues vom Graben" 2/2000. Er
wurde auch von mehreren kirchlichen Internetangeboten übernommen.) Karl
Veitschegger (2000) Kurzeinführungen
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