Reinkarnation? Verlegenheit „Ich möchte wieder in die Kirche eintreten,
aber ich glaube an die Reinkarnation. Geht das?“ Mit dieser Frage brachte
mich vor einigen Jahren eine Frau in ziemlich große Verlegenheit. Ratlos
fragte ich sie, warum sie an Reinkarnation glaube. „Sie wissen ja selbst“,
antwortete sie, „Gauner leben oft 80 Jahre und länger, während ganz gute
Menschen mit 30 an Krebs sterben. Hätten wir Menschen nur ein einziges Leben,
gäbe es keinen Ausgleich. Nur wenn jeder Mensch mehrere Wiedergeburten und
Leben auf dieser Welt hat, bekommt jeder die gleichen Chancen und - je nach
seinen Taten - auch gerechten Lohn oder gerechte Strafe. Für mich ist das
eine Frage der Gerechtigkeit.“ Ich gab zu bedenken, dass ich überhaupt nicht
glauben kann, dass z.B. das behinderte Kind meiner Nachbarin selbst schuld
sei an seiner Behinderung (als „Strafe" für schlechte Taten in einem
früheren Leben), oder dass die Millionen Juden, die im Holocaust umkamen, ihr
Schicksal selbst verursacht hätten. Verschiedene Lebenserfahrungen Wir sprachen lange miteinander. Da wir beide
keine Experten für östliche Reinkarnationslehre waren, blieb uns nichts
anders übrig, als über unsere persönlichen Erfahrungen zu sprechen. Ich
merkte bald, dass meine Gesprächspartnerin auf Grund ihrer Lebensgeschichte
eher das Gefühl hatte, ihr sei im Leben „nichts geschenkt“ worden. Sie war
auch einmal unerwünscht schwanger, hatte abtreiben lassen, musste schwere
Krankheiten mit komplizierten Operationen durchmachen usw. Ich wiederum
musste zugeben, dass vieles in meinem Leben oft wider Erwarten eine positive
Wendung nahm, dass mir sehr viel Schönes und Wertvolles im Leben geschenkt
worden ist und noch immer wird. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich das
je verdienen könnte. Ich lebe gerne, aber ich wünsche mir kein weiteres Leben
auf Erden, sondern nach meinem Tod das Geschenk des ewigen Lebens. Gerechtigkeit und Liebe Wir haben einander nicht überzeugt. Aber mir
wurde wieder einmal klar: Christlicher Glaube bietet keine
philosophische Welterklärung, aber er hat unendlich viel mit Geschenk
und Liebe zu tun: Gott schenkt mir mein einmaliges Leben, er will,
dass ich es in Liebe und Verantwortung mit anderen lebe, und wenn ich sterbe,
wird er selbst aus meinem gelebten Leben das Beste machen, indem er meine
Wunden und Vergehen heilt, mich durch seine Liebe zurecht- und aufrichtet („Gericht"),
reinigt („Fegefeuer"), und vollendet („Himmel").
Dafür hat Jesus Christus gelebt und dafür ist er gestorben: „Ich bin
gekommen, damit sie das Leben haben, und zwar in Fülle" (Johannes
10,10). Die Logik von Verdienst und Lohn allein kann nicht erfassen, was
Gerechtigkeit Gottes heißt. Gottes Gerechtigkeit ist größer, anders,
untrennbar von seiner Liebe. Der Apostel Paulus kommt zur Erkenntnis: „Ohne
es verdient zu haben, werden sie zu Gerechten gemacht, dank seiner Gnade,
durch die Erlösung in Christus Jesus" (Römer 3,24). Liebe kann sich
niemand verdienen, wir können und sollen „nur" offen für sie sein.
Gottes liebende Gerechtigkeit wird - so sagt christliche Hoffnung - letztlich
jedem Menschen das anbieten, was er wirklich braucht, um ewig glücklich zu
sein. Und niemand wird zu kurz kommen. Beitrag für „kirche:konkret"
11/1999 Karl Veitschegger
(1999) Zitate
zum Weiterdenken „Wer Leid erlebt, hat sich also die Ursachen dafür in der
Vergangenheit selbst geschaffen." (Buddhistischer Grundsatz, aus: https://buddhismus.org/ufaqs/was-ist-karma
– Zugriff 26.01.2019) „Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum
Guten führt." (Christlicher Grundsatz, Römer 8,28) „Ihre Lehre von der Seelenwanderung ist durch die Tatsache
widerlegt, dass sich keine Seele mehr an das erinnern kann, was vordem
gewesen ist. Und doch, wenn die Seelen dazu herum gesandt würden, um sich
durch Erfahren und Erleiden zu läutern, dann müssten sie sich auch an das
Vergangene erinnern können, um das Fehlende nachzuholen und um nicht elend
immer wieder dasselbe zu erleiden... [denn ohne Erinnerung gibt es auch keine
Läuterung]... die Seele müsste also wissen, wo sie so lange Zeiten verbracht
hat, während all der verflossenen Leben — da sie sich sogar der flüchtigen
Augenblicke zu erinnern vermag, in denen sie während eines Traumes den Körper
verließ..." (Irenäus v. Lyon, Theologe, gest. 202, in seiner Schrift
„Gegen die Häretiker", II., 32, 1) Zum Artikel: Was erwartet uns nach dem Tod? - Ein katholischer
Antwortversuch Vortrag: Warum ich nicht
an Reinkarnation glaube (Werner Thiede, evang.
Theologe) Infos
zum Thema Reinkarnation auch hier. Zurück zur Startseite von Karl Veitschegger Zurück
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