Karl Veitschegger (2004)

 

Das Kreuz – Zeichen mit Anspruch

Ansprache zur Weihe eines Wegkreuzes


 

(c) VeitscheggerHarmloser Schmuck?

Viele Jugendliche tragen ein Kreuz in auffälligem Design um den Hals oder im Ohr. So will es die Mode. Erwachsene mögen es eher kleinformatig und dezent. Auch auf Kirchturmspitzen, auf Berggipfeln, am Wegrand und in vielen Wohnungen begegnen wir dem Zeichen des Kreuzes. Sein Anblick gehört in unserem vom Christentum geprägten Kulturkreis seit vielen Jahrhunderten zu den Selbstverständlichkeiten des alltäglichen Lebens. Erst heute, wo manche das Kreuz aus dem öffentlichen Raum – aus Schulen, Spitälern, Amtsstuben – entfernen wollen, wird vielen wieder bewusst, dass das Kreuz keine Selbstverständlichkeit ist und dass seine Bedeutung weit über die eines harmlosen Schmuckstückes hinausgeht.

 

Zeichen der Brutalität

Vor einiger Zeit lief auf der ganzen Welt der Film „The Passion of Christ“, – ein Werk des australischen Regisseurs Mel Gibson, in dem er schonungslos Leiden und Kreuzestod Christi zur Darstellung bringt. Der Film hat viele Diskussionen ausgelöst. Es gab ablehnende Kritik innerhalb und außerhalb der christlichen Kirchen, aber auch Zustimmung und religiöse Betroffenheit. Unbestritten ist, dass dieser Film wieder bewusst gemacht hat, welch grausame Art der Hinrichtung die Kreuzigung war. Die alten Römer haben diese (vermutlich von den Persern der Antike erfundene) Todesfolter wegen ihrer Brutalität nur an Nichtrömern, Schwerverbrechern und Sklaven vollzogen. Für die Menschen der damaligen Zeit war das Kreuz kein frommes, kein göttliches Zeichen, sondern ein Zeichen der Verworfenheit, der Schande, der Ehrlosigkeit.

 

Ernstfall der Liebe

Wenn wir über das „Kreuz“ und den „Gekreuzigten“ reden, müssen wir das mitbedenken. Jesus ist an jenem ersten Karfreitag in Jerusalem das Opfer menschlicher Brutalität geworden. An ihm hat sich die Sünde der Menschen in ihrer ganzen finsteren Vielfalt ausgetobt: Verrat, Hass, Verleugnung, Feigheit, Grausamkeit, Spott ... Zerschunden und wehrlos hängt Jesus zwischen Himmel und Erde. Es wäre mehr als verständlich, würde der Gekreuzigte jetzt seine Peiniger verfluchen, wie das andere unschuldig Verurteilte oft und oft getan haben. Aber vom Kreuz des Nazareners kommt kein Fluch. Wir hören ganz anderes: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34) Mitten im Gewitter der Bosheit, das sich an ihm entlädt, stiftet Jesus Versöhnung. Seine Liebe ist stärker als Feindschaft, Hass, Gewalt und Tod. In Jesus erweist Gott sich am Kreuz als der unendlich Liebende und überwindet von innen her das Böse. Die Stunde größter Finsternis wird so zur Stunde des Heils. Über alle Gräben, die die Sünde gerissen hat, schlägt Gott die Brücke der Versöhnung und des Friedens. Selbst der Tod verliert seine scheinbare Allmacht, wie am Ostertag offenbar wird. Als der Auferstandene den verängstigten Aposteln erscheint, sind seine ersten Worte: „Der Friede sei mit euch!“ (Lk 24,36; Joh 20,19)

 

Anspruchsvolle Botschaft

Durch Christus ist das Kreuz – einst Zeichen der Verachtung und des schmachvollen Todes – zum Zeichen der Liebe und des Lebens, der Versöhnung und des Friedens geworden. Gläubige Christen und Christinnen, aber auch Menschen, die sich keiner christlichen Kirche zugehörig fühlen, schätzen dieses Zeichen, das unsere Kultur wesentlich geprägt hat, und wollen, dass es auch weiterhin in der Öffentlichkeit sichtbar bleibt.

 

Karl Veitschegger (2004)

 

Zum Bedenken

„Das Kreuz ist für mich der Platzhalter für die, die nicht fit sind, die hinausgedrängt wurden aus dem Kreislauf derer, die das Leben optimal in der Hand haben. Das Kreuz ist Platzhalter für die, die nicht mehr mitkommen, die geschunden wurden."

Bischof Hermann Glettler

 

 

 

Artikel: Skandal des Kreuzes

Artikel: Kreuzzeichen im Lauf der Geschichte

 

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