Karl Veitschegger (2000)

 

Kindertaufe – unbiblisch?


„Aus dem Munde von Kindern und Säuglingen schaffst du dir Lob!" (Psalm 8,3) – Antwort aus katholischer Sicht auf Einwände freikirchlicher Christen gegen die Taufe eines Kindes in der katholischen KircheKindertaufe

 

„Es widerspricht der Bibel, Babys zu taufen!“

 

Dazu ist zu sagen: Die Taufe von kleinen Kindern wird in der Bibel gar nicht direkt erwähnt, also weder ausdrücklich verboten noch geboten. Das Neue Testament berichtet allerdings mehrmals von der Taufe eines „ganzen Hauses“ (Apostelgeschichte 16,33-34 und öfter). Nach damaligem Sprachgebrauch sind mit „Haus" auch die Kinder und das Gesinde mitgemeint. Ausdrücklich genannt wird die Kindertaufe in christlichen Schriften ab dem 2. Jahrhundert. Sie wird selbstverständlich als „apostolisch" (der Lehre der Apostel entsprechend) betrachtet. Ihre Sinnhaftigkeit und Gültigkeit bleiben in altchristlicher Zeit ziemlich unbestritten. Da es immer mehr christliche Familien gibt, ist im 4. und 5. Jahrhundert in vielen Gemeinden die Säuglingstaufe bereits der Normalfall.

 

Erst um 1525 traten in Zürich Leute auf, die meinten, die Kindertaufe widerspreche der Bibel! Seither gibt es auch christliche Gemeinschaften, welche die Kindertaufe strikt ablehnen. In allen katholischen, orthodoxen, altorientalischen, anglikanischen und den meisten evangelischen Kirchen werden allerdings wie in der christlichen Anfangszeit beide Formen praktiziert: die Erwachsenentaufe und die (in unseren Gegenden häufigere) Kindertaufe.

 

„Die Taufe muss Ausdruck eines reifen Glaubens sein!“

 

Es stimmt, dass bei einer Erwachsenentaufe das Element der eigenen Entscheidung besonders schön zum Ausdruck kommen kann. Allerdings eine Garantie für eine reife Entscheidung ist das Erwachsensein nicht! Schon Paulus muss den Korinthern, die wohl alle als Erwachsene getauft worden sind, vorwerfen, dass sie sich wie unreife Kinder aufführen (1 Korinther 3,1-2). Ob wir also schon als Kinder oder erst als Erwachsene die Taufe empfangen haben, unser Glaube wird immer noch unfertig unterwegs sein. Oft werden wir kleinlaut beten müssen: „Mehre unseren Glauben!" (Lukas 17,5)

 

„Kleinkinder können keinen Glauben haben. Daher ist Kindertaufe sinnlos!“

 

„Kann jemand denen das Wasser der Taufe verweigern, die wie wir den Heiligen Geist empfangen haben?“ (Apostelgeschichte 10,47), fragt der Apostel Petrus einmal in einem anderen Zusammenhang. Dieses Petrus-Wort abwandelnd möchte ich fragen: Kann jemand denen das Wasser der Taufe verweigern, von denen Jesus selber sagt, dass sie Reich-Gottes-fähig sind und dass sie sich auf ihre Weise für Gott öffnen und ihn „annehmen" können (Markus 10,13-16)? Freilich handelt es sich bei kleinen Kindern noch nicht um einen rational überlegten Glauben. Ein „persönlicher Glaube", wie er von uns im Erwachsenenalter mit Recht gefordert wird, ist Kleinkindern sicher nicht möglich. Aber muss man ihnen deshalb schon jede Offenheit für Gott absprechen?

 

Gottesbeziehung von Säuglingen?

 

Eine beginnende Vertrautheit mit Gott (das biblische Wort für Glaube heißt „pistis" und bedeutet primär Vertrauen!) ist doch nicht abhängig vom Grad der Intelligenz! Genauso wenig wie das Vertrauen eines Kindes zu seinen Eltern erst dann beginnt, wenn es über seine Eltern Auskunft weiß und sich öffentlich zu ihnen bekennen kann! Werden „die Unmündigen“ in der Bibel nicht sogar als Glaubens-Vorbilder genannt? Offenbart sich Gott nicht gerade solchen, welche die vorbehaltlose Offenheit von „Unmündigen“ an den Tag legen? (Matthäus 11,25) Gott kann auch ganz kleine Kinder ins Vertrauen ziehen – und sie können ihm auf ihre Weise antworten: „Aus dem Munde von Kindern und Säuglingen (!) schaffst du dir Lob!" (Psalm 8,3).

 

Erziehung im Glauben

 

Dieser von Gott geschenkte Beginn, dieses Grundvertrauen eines Kindes kann und soll begleitet, gefördert und „geheiligt" werden durch den bewussten Glauben der christlichen Eltern. „Eure Kinder sind (durch euch) heilig" (1 Korinther 7,14). Wenn angenommen werden kann, dass ein Kind in diesem Sinne eine christliche Erziehung durch erwachsene Christen erfahren wird, darf es daher auch getauft werden. Wenn nicht, wartet die Kirche ab, welchen Weg das Kind gehen wird. Die Taufe ist in jedem Lebensalter möglich.

 

Stellvertretender Glaube?

 

Übrigens auch ein erwachsener Christ glaubt nicht nur aus sich heraus, sondern wird immer auch getragen und gefördert vom Glauben anderer, letztlich vom Glauben der ganzen Gemeinschaft der Kirche. In der Bibel spielt auch der stellvertretende Glaube eine wichtige Rolle, zwar nicht als beliebiger Ersatz für den persönlichen Glauben, aber doch als mögliche Vorbereitung und Hinführung zu ihm: „Man brachte einen Gelähmten zu ihm (Jesus); er wurde von vier Männern getragen [...]. Als Jesus ihren Glauben sah, sagte er zum Gelähmten: Kind deine Sünden sind dir vergeben!“ (Markus 2,3-5). Der Glaube der vier Begleiter verhilft dem gelähmten Freund zur Vergebung. Und Paulus und Silas ermuntern den Gefängniswärter in Philippi: „Glaube an Jesus, den Herrn, und du wirst gerettet werden, du – und dein Haus!“ Der Glaube des einen hilft auch den anderen, bei denen der Glaube noch gar nicht sichtbar ist.

Die Kirche hat seit den Zeiten der Apostel immer beachtet, dass der Glaube nicht nur in einer „Konfektionsgröße“ vorhanden ist, sondern sehr viel mit Wachstum zu tun hat. Er kann sehr klein beginnen und wird sich nicht immer zur gleichen Größe entfalten. Oft bleibt er stark auf den Glauben der Mitchristen angewiesen. Aus diesem Grund hat die Kirche kleinen Kindern und Menschen mit geistiger Behinderung, wenn sie von gläubigen Erwachsenen durchs Leben begleitet werden, die Taufe nie verweigert.

 

„Nur der Glaube ist wichtig, die Taufe ist (bloß) Bekenntnis zu Gott."

 

„Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet“, lesen wir in Markus 16,16. Beide, Glaube und Taufe, müssen von großer Wichtigkeit sein, sonst wäre der nachdrückliche Auftrag des auferstandenen Christus an die Jünger, die Taufe zu spenden (Matthäus 28,19), nicht verständlich. Glaube und Taufe gehören zusammen und sind entscheidend für unseren Weg zum ewigen Ziel. Sie sind innerlich miteinander verbunden: Der Glaube drängt zur Taufe, die Taufe zum Glauben! Allerdings bedeutet das nicht, dass die Taufhandlung und ein intensives subjektives Glaubenserlebnis auch zeitlich zusammenfallen müssen. Bei unzähligen Menschen wächst der Glaube erst nach der Taufe „so richtig", andere haben hingegen schon Jahre vor ihrer Taufe ein tiefes Glaubenserlebnis gehabt.

Unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge und dem subjektiven Empfinden gilt: In der Taufe wird Gottes Liebe zu einem Menschen auf besondere Weise hörbar, sichtbar, spürbar (für Täufling und Gemeinde). Und weil sie „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Matthäus 28,19) vollzogen wird, ist sie sicher mehr als nur ein Ritus oder eine schöne Bekenntnisfeier. Denn: „Groß an Kraft ist dein Name." (Jeremia 10,6). Kraftvoll ist daher auch die Taufe im Namen Gottes.

 

Sakrament, nicht Magie!

 

Die Taufe ist Sakrament – also ein wirksames Zeichen der Liebe Gottes. Sie ist eine Tat Gottes. Und was wirkt Gott durch sie? – Wer getauft ist – so sagt uns die Bibel – „hat Christus als Kleid angezogen" (Galater 3,27). Durch die Taufe werden die Sünden „abgewaschen" (Apostelgeschichte 22,16). Sie geschieht „zu eurer Rettung" (1 Petrus 4,21), „zur Vergebung eurer Sünden – und ihr werdet empfangen die Gabe des Heiligen Geistes." (Apostelgeschichte 2,38). Durch dieses Zeichen vermittelt Gott uns also, dass er uns von der Macht des Bösen befreit und uns seinen Geist und seine Gnade gibt. Gottes Geist wirkt auf uns ein, damit wir fähig werden, im Glauben immer besser auf die Liebe Gottes zu antworten. Freilich – und das ist zu beachten! – lässt Gott uns auch die Freiheit, sein einmaliges und bleibendes Geschenk nicht „auszupacken". Das Geschenk der Taufe wirkt nicht automatisch oder magisch, sondern bleibt ohne Glauben fruchtlos liegen! Glaube und Taufe gehören zusammen!

 

Taufe nur einmal – Glaubensentscheidungen oftmals

 

Schon die ersten Christen vergleichen die Taufe mit der Geburt (vgl. Johannes 3,5; Titus 3,5). Wie die biologische Geburt eines Menschen ein einmaliges Ereignis ist, so wird der Mensch auch nur einmal getauft. Akte des Glaubens und der Entscheidung für Jesus Christus können und sollen hingegen immer wieder gesetzt werden – auch öffentlich und feierlich.

 

Wie Geburt und Lebensgestaltung

 

Bei der biologischen Geburt wird uns das zeitliche Leben geschenkt, wir gehören zu einer bestimmten Familie und sollen während des Heranwachsens lernen, dieses Leben dankbar anzunehmen, zu lieben und zu gestalten. Die Taufe ist sichtbares Zeichen der Geburt zum neuen Leben, zum Leben in Christus. Durch die Taufe wird ein Mensch sichtbar in die Familie der Kirche eingegliedert und dazu berufen, das neue Leben im Glauben anzunehmen und fruchtbar werden zu lassen. Auch in diesem Bild wird klar: Taufe und Glaube gehören zusammen wie Geburt und Lebensgestaltung.

 

Karl Veitschegger (2000)

 

Römische Glaubenskongregation: Instruktion über die Kindertaufe

 

 

Zum Schicksal ungetaufter Kinder

 

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