Karl Veitschegger (2008)

Ungetaufte Kinder und der Himmel

Einige Fragen an die katholische Kirche – kurz beantwortet


 

► Kommen Babys, die ungetauft sterben, in den Himmel?

Ja, das dürfen wir hoffen. Der Katechismus der katholischen Kirche (1993) bringt es auf den Punkt: „Das große Erbarmen Gottes, der will, dass alle Menschen gerettet werden, und die zärtliche Liebe Jesu zu den Kindern […] berechtigen uns zur Hoffnung, dass es für die ohne Taufe gestorbenen Kinder einen Heilsweg gibt.“ (1261) Auch die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben sich mehrmals in diesem Sinn ausgesprochen.

 

Die Kirche dachte nicht immer so positiv. Warum?

Im Johannesevangelium steht das Christuswort: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ (Joh 3, 5) Theologen früherer Jahrhunderte bezogen das auch auf die ungetauft verstorbenen Babys und meinten, diese könnten nicht in den Himmel gelangen.

 

Fand man das nicht ungerecht?

Ja, viele fromme Leute und Theologen spürten: Babys in der Hölle – das passt nicht zu einem gerechten und liebenden Gott! Andererseits meinte man damals, das oben genannte Bibelwort lasse keine Ausnahme zu. So behalf man sich lange Zeit mit einer speziellen „Geographie“ der Hölle: In der Mitte der Hölle – so die bildhafte Vorstellung – sind die ewigen Qualen am größten. Dort sitzen die schlimmsten der reuelosen Verbrecher. Nach außen hin nimmt die Kriminalität der Insassen ab und auch die Höllenqualen werden immer schwächer (zur Abstufung der Strafen vgl. Lk 12,47-48). Ganz außen gibt es dann den limbus puerorum („Randbereich der Kinder“). Dort dämmern die ungetauften Babys friedlich vor sich hin. Sie leiden keinerlei Qualen, aber sie dürfen Gott nicht schauen, also nicht in den Himmel kommen.

 

War das Kirchenvolk mit dieser Deutung zufrieden?

Nein. Betroffene Eltern wollten natürlich, dass ihre Kinder das vollkommene Glück in Gott finden. Manche dachten sich sogar allerlei (abergläubische) Praktiken1 aus, um ihren zu früh verstorbenen Kindern zu einer Taufe zu verhelfen. Schließlich erreichte der Glaubenssinn2 des Kirchenvolkes ein Weiterdenken der Theologen, Bischöfe und Päpste. Unter Benedikt XVI. wurde die Hypothese des limbus puerorum – sie erreichte trotz langer Tradition und starker Verbreitung nie den Rang eines Dogmas – ad acta gelegt. Schon vor vielen Jahren tröstete ein Vorarlberger Pfarrer die besorgte Mutter eines ungetauft verstorbenen Kindes: „Keine Angst, Ihr Kind ist nicht in die Hände der Theologen gefallen, sondern in die Hände des barmherzigen Gottes!“ Wer würde diesem weisen Seelsorger widersprechen wollen?

 

Karl Veitschegger

 

1Vgl. den mittelalterlichen Brauch „Wallfahrt der ungetauften Kinder": Die toten Kinder wurden an einem Wallfahrtsort nur für einige Sekunden wunderbar „aus dem Tode erweckt“, getauft und dann begraben.

2 Da nach katholischer Lehre die Gesamtheit der Gläubigen in Glaubensfragen nicht irren kann, muss auch die Theologie darauf achten, ob und wie die Gläubigen eine theologische Lehre aufnehmen.

 

 

Zu meinem Artikel: Erbsünde?

 

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