Karl Veitschegger

 

Johannes der Täufer

Gedanken zu einer kantigen Persönlichkeit der jüdischen Geschichte aus der Sicht des Neuern Testamentes


 

Johannes ist einer, der Gott ernst nimmt.

 

Ja, das Gottesfeuer ist schon früh in sein Herz gefallen. Es treibt ihn, den Sohn aus angesehener Priesterfamilie, in die Einsamkeit der Wüste. Hier lebt er „von Heuschrecken und wildem Honig“ (Mk 1,6). Hier begegnet er Gott. Als unerträglich empfindet Johannes die Spannung zwischen der Heiligkeit Gottes und der Hartherzigkeit und Verlogenheit der Menschen. Er ist überzeugt: Schon bald wird sich diese Spannung in einem schrecklichen Gewitter göttlichen Zornes entladen. Nur Bekehrung kann davor retten. Deshalb ruft er am Ufer des Jordans die Menschen mit scharfen Worten zur Lebensänderung auf, den Reumütigen bietet er die Bußtaufe an (vgl. Lk 3).

 

Johannes ist einer, der sich zurücknehmen kann.

 

Eines Tages kommt Jesus an den Jordan. Johannes erkennt ihn als den, den Gott gesandt hat. Aber er kann nicht verstehen, warum Jesus sich in die Reihe der Sünder stellt und sich taufen lassen will (vgl. Mt 3,13ff). Wäre es nicht besser, Jesus würde im Namen Gottes Feuer auf die Erde werfen? Aber Gottes Gerechtigkeit geht offenbar andere Wege. Johannes muss sich und seine Vorstellungen zurückzunehmen. Neidlos erkennt er: Jetzt ist Jesus am Zug. „Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden.“ (Joh 3,30) Darin liegt Größe.

 

Johannes ist einer, der die Dinge beim Namen nennt.

 

Den Mund hat er sich nie verbieten lassen. Er kritisiert nicht nur die einfachen Leute aus dem Volk, sondern auch Tempelpriester und Gesetzeslehrer. Zuletzt greift er sogar den Fürsten Herodes an (vgl. Lk 3,19). Dieser hat die Frau seines Bruders geheiratet, was der Tora widerspricht. Johannes will nicht gelten lassen, dass sich die Herrschenden ihre eigene Moral machen. Dagegen protestiert er. Aber die Macht schlägt zurück.

 

Johannes ist einer, der Zweifel zulässt.

 

Johannes wird verhaftet und in den Kerker geworfen. Das Leben im Gefängnis setzt ihm arg zu. Trübe Gedanken quälen ihn: Wo ist der gerechte Gott? Warum wartet er mit seinem Zorngericht noch immer zu? Und was will Jesus eigentlich? Er schickt Freunde zu Jesus, damit sie ihn fragen: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?“ Und Jesus antwortet: „Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und den Armen wird die Frohbotschaft verkündet.“ (Mt 11,3ff) Nicht die Bestrafung der Menschen ist Gottes Ziel, sondern ihre Heilung. Der Arzt ist jetzt vonnöten, nicht der Scharfrichter. Denn nur wer Zuwendung und Liebe erfahren hat, kann selbst Liebe schenken und wird fähig, verantwortungsvoll zu leben. Es stimmt zwar, dass Gott die Menschen zur Verantwortung ziehen wird, aber zuerst sollen sie lernen, was Liebe ist.

 

Johannes ist einer, der offen ist für Neues.

 

So lernt Johannes gegen Ende seines Lebens, bevor ihm ein Knecht des Herodes das Haupt abschlägt, noch eine ganze Menge von Gott. Vermutlich ist er Gott jetzt näher als in der Wüste. Und vielleicht versteht er erst jetzt, warum ihm seine Eltern auf Geheiß des Himmels den Namen „Johannes“ gegeben haben (vgl. Lk 1,13 u. 62.) Denn „Johannes“ bedeutet: Gott ist gnädig, er neigt sich den Menschen in Liebe zu

 

(Die katholische Kirche feiert das Geburtsfest des hl. Johannes des Täufers am 24. Juni, seiner Enthauptung gedenkt sie am 29. August; Johannesfeuer sind im Abendland seit dem 9. Jh. nachweisbar)

 

Karl Veitschegger (2003)

 

Peter-Gerloff-Lied  Johannes der Täufer

 

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