Fromme
Gedanken über den Wein – Eine
Weinpredigt 500
x in der Bibel „Gepriesen bist du Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst
uns den Wein, die Frucht des Weinstockes und der menschlichen Arbeit…“ Mit
diesen Worten dankt der katholische Priester bei jeder Messe, wenn er den
Kelch für die Eucharistie bereitet, im Namen aller Mitfeiernden Gott für die
Gabe des Weines. Über 500mal ist in der Heiligen Schrift von Wein, Weinberg,
Weinstock, Winzer, Reben und Trauben die Rede. Allein dieser Befund ist
beeindruckend und zeigt, welch große Bedeutung die Bibel dem Wein beimisst.
Im sonnigen und trockenen Heiligen Land wird seit Jahrtausenden erfolgreich
Weinbau betrieben. Und obwohl einige ihrer Sprüche und Erzählungen
eindrucksvoll vor missbräuchlichem Weingenuss warnen, sieht die Heilige
Schrift in der Frucht des Weinstockes doch primär eine gute Gabe Gottes. So
findet sich im Buch der Psalmen der oft und gern zitierte Vers: „Der Wein
erfreut des Menschen Herz.“ (Psalm 104,15) Zum Gewächs des Weinstockes gehören die Wurzeln, der Stock und die
Rebzweige mit den Trauben, aus denen schließlich der begehrte Trank gewonnen
wird. Das hat Menschen immer wieder angeregt, darüber zu meditieren und darin
auch eine Gleichnisbotschaft für ihr Leben zu finden: Tiefe
Wurzeln Wie ein Weinstock Wurzeln hat, die oft viele Meter tief in die Erde
reichen, so bedarf auch jeder Mensch, wenn sein Leben dauerhaft gelingen
soll, einer Verankerung in der Tiefe. Das Wort „Spiritualität“ ist in den
letzten Jahren wieder in Mode gekommen. Recht verstanden meint es die Haltung
eines Menschen, nicht an der Oberfläche zu bleiben, sondern in die Tiefe zu
gehen und aus der Tiefe zu leben. Und die tiefste Tiefe unseres Lebens ist
niemand anderer als Gott: Gott, der uns in Jesus Christus sein menschliches
Antlitz gezeigt hat. Im Kolosserbrief des Neuen Testamentes werden die
Christen eindringlich an diese Tiefendimension erinnert: „Ihr habt Christus
Jesus als Herrn angenommen […], bleibt in ihm verwurzelt!“ (Kolosser 2,7) „Ich
bin der Weinstock ...“ Aus den Wurzeln erhebt sich der Rebstock. Er kann mitunter so dick
wie ein Baumstamm werden und besteht aus sehr hartem Holz. Deshalb gilt der
Rebstock in der Bibel auch als Baum. Ein Baum ist fest und doch lebendig. Er
strahlt Ruhe aus und ändert sich doch. Beides ist auch in unserem Leben
wichtig: Festigkeit und Wachstum, Ruhe und Veränderung. Das englische Wort
für Baum – „tree“ – hat dieselbe Wurzel wie das deutsche Wort „Treue“. Treu
sein heißt, fest sein, fest in Gott stehen, fest zu sich selbst und zu den
Mitmenschen stehen, aber daran zu wachsen, sich zu entfalten. Im
Johannesevangelium vergleicht sich Christus selbst beim letzen Zusammensein
mit seinen Jüngern vor seinem Tod mit einem Weinstock (vgl. Johannes 15). Wer
sich an ihn hält, ist gehalten. Nicht gefangen, nicht gefesselt! Aber
gehalten und geborgen, um lebendig, produktiv und kreativ sein zu können –
biblisch gesprochen: um Frucht zu bringen: „Ich bin der Weinstock, ihr seid
die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche
Frucht.“ (Johannes 15, 5) Reiche
Frucht Das Ziel des Weinstockes ist die Frucht, sind die Trauben, aus denen
der Wein gekeltert wird. Der Weinstock lehrt uns: Ein Leben, das nur sich
selbst gehören will, verfehlt sein Ziel. Es bleibt ein trostloses Gewächs.
Christus sagt: „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche
Frucht“. Und er hat als Mensch sein Leben so gelebt, dass andere durch ihn
auf den Geschmack des wahren Lebens gekommen sind. Einsame Leben, verfahrene
Leben, kranke Leben, zerstörte Leben haben in seiner Nähe Freundschaft,
Vergebung, Heilung und Erfüllung gefunden. Wer, wenn nicht er, kann mit
vollem Recht von sich sagen: „Ich bin das Leben!“ (Johannes 11,25) Lebenskraft Wer so lebendig ist, den kann auch der Tod nicht niederhalten. Wer so
lebendig ist, dessen Sterben wird wieder zur Quelle neuen Lebens.
Hingerichtet am Kreuz, ausgepresst wie eine Traube, wird Christus zum
österlichen „Urheber des Lebens“ (Apostelgeschichte 3,15). In jeder
Eucharistiefeier will er uns Anteil geben an der Fülle seines Lebens, indem
er an uns sein Blut verschenkt, seine Lebenskraft, sich selbst – und zwar in
der Gestalt des Weines. Dies ist die größte Botschaft, die uns der Wein, der
auch in vielen nichtchristlichen Kulturen zum Sinnbild des Lebens geworden
ist, geben kann. Mit den Worten der katholischen Liturgie will ich schließen:
„Gepriesen bist du Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns den
Wein, die Frucht des Weinstockes und der menschlichen Arbeit. Wir bringen
diesen Kelch vor dein Angesicht, damit er uns der Kelch des Heils werde. –
Gepriesen bist du in Ewigkeit, Herr, unser Gott.“ zurück zur Startseite von Karl Veitschegger Zurück zum Menü "Meine Artikel, Referate, Skizzen ..."
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