Karl Veitschegger (2005)

 

Fleisch essen und Blut trinken?

Gedanken zu Wandlung und Kommunion


 

„Dürfen Vegetarier zur Kommunion gehen?“

Das fragte mich einmal eine deutsche Satirikerin. Sie spielte auf das Christuswort aus dem Johannesevangelium an: „Wer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm!“ (Joh 6,56) Und ein Zyniker ging sogar noch weiter, als er ätzte: „Katholiken sind Kannibalen! Sie glauben ja, dass sie in der Kommunion wirklich Leib und Blut Christi essen.“

Man kann es nicht oft genug sagen: Wer zur Kommunion geht, empfängt den „Leib des Herrn“ nicht so, dass er Muskel und Organe, Haut und Haare des Herrn verzehren würde (was ja nicht nur Vegetarier abschrecken müsste!). Er empfängt – darauf wurde im katholischen Dogma immer wert gelegt – „nur“ das unsichtbare „Wesen" des Christusleibes. Was bedeutet das?

 

Philosophie: Substanz und Akzidenzien

Die klassische (aristotelische) Philosophie, die bei der Ausformulierung der katholischen Eucharistielehre Pate stand, kann hier hilfreich sein. Sie unterscheidet bei jedem Ding zwischen Akzidenzien (äußere, messbare Wirklichkeiten) und Substanz („Wesen", tiefster Sinn eines Dinges). Zu den Akzidenzien des menschlichen Leibes gehören Haut, Farbe, Muskel, Größe, Alter, ... – kurz: die gesamte physikalische und chemische Wirklichkeit. Die (unsichtbare) Substanz des menschlichen Leibes besteht darin, dass er Ausdruck einer bestimmten Person ist.

Heutige Philosophie verwendet den Substanz-Begriff kaum. Theologisch kann man sagen: Das Wesen (die substantia) eines Dinges ist das, was ein Ding in den Augen Gottes ist, also das, wozu Gott es bestimmt hat.

 

Was geschieht bei der Wandlung in der Messe?

Das Brot bleibt in seinen „Akzidenzien", also physikalisch-chemisch gesehen, weiterhin Brot. Aber sein „Wesen", sein tiefster Sinn, wandelt sich. Das „Wesen" eines gewöhnlichen Brotes besteht darin, ein bestimmtes irdisches Nahrungsmittel zu sein. Nach der Konsekration besteht sein „Wesen“ nicht mehr darin, irdisches Nahrungsmittel zu sein, sondern es bekommt eine neue Identität. Es wird zum „Wesen“ des Christusleibes, das heißt: Ausdruck der Person Jesu Christi und seiner Liebe zu uns. Er – Christus – ist in der Gestalt des Brotes wahrhaft und wirklich präsent. Aber die Akzidenzien des Christusleibes (Muskel, Knochen, Haut...) sind nicht präsent und werden von den Gläubigen auch nicht „gegessen". Analoges gilt für den Wein und das Blut Christi. Physikalisch-chemisch gesehen, bleibt der Wein auch nach der Wandlung Wein. Aber sein tiefster Sinn, sein „Wesen“, ändert sich. Vor der Wandlung ist er nur ein beliebter Trank, „Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit“, wie es in den liturgischen Texten heißt, nachher enthält das, was wir als Wein wahrnehmen, das „Wesen“ des Blutes Christi. Nicht Blutzellen und Blutplasma Christi werden kommuniziert, aber das „Wesen“ seines Blutes, das heißt: die Person Christi selbst, die aus Liebe zu uns sogar ihr Blut vergossen hat.

 

Zungenbrecher: Transsubstantiation

Der spätere Kardinal John Henry Newman (†1890) hatte, bevor er von der anglikanischen Kirche in die katholische Kirche übertrat, große Probleme mit der katholischen Eucharistielehre. Er war nämlich der Meinung, Katholiken müssten glauben, in der heiligen Eucharistie materielles Fleisch zu kauen. Erst ein irischer Priester, der über diese falsche Ansicht bestürzt war, klärte ihn auf: Katholische Gaube bekennt eine substanzielle, aber nicht eine materielle Verwandlung von Brot und Wein.

Weil die Wandlung der Messe nicht die sichtbare Wirklichkeit von Brot und Wein und von Leib und Blut Christi betrifft, sondern „nur“ deren „Wesen“, wird sie mit einem fachtheologischen Zungenbrecher Transsubstantiation (deutsch: Wesens-Verwandlung) genannt. Also Kannibalen werden am Tisch des Herrn nicht auf ihre Rechnung kommen – und Vegetarier mögen getrost herantreten.

 

Karl Veitschegger (Juli 2005)

 

 

Zitate zum Weiterdenken

Wie ist Christus in der Eucharistie anwesend? – Anwesend ist „seine durch das Kreuz hindurchgegangene Liebe, in der Er sich selbst (die ,Substanz' seiner selbst): sein von Tod und Auferstehung geprägtes Du als Heil schaffende Wirklichkeit uns gewährt."

Joseph Ratzinger, Das Problem der Transsubstantiation in die Frage nach dem Sinn der Eucharistie, in: Theologische Quartalschrift 147 (1967), S. 134

 

„Im Fragment der eucharistischen Zeichen ist die Gesamtheit dessen, der die gekreuzigte und auferstandene Liebe in Person ist, da, um sich zu verschenken."

Bruno Forte, Dem Licht des Lebens folgen. Die Exerzitien des Papstes, Freiburg 2005, S. 214

 

 

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