Notizen zum Vaterunser (Mt 6, 9-13 / Lk 11,2-4) Theologische
Anmerkungen zum Gebet des Herrn. Skizze für einen Vortrag Vater unser Eine für die Zeit Jesu unüblich knappe
Anrede Gottes! Manche haben heute Probleme mit der männlichen Anrede.
„Vater" heißt aber hier einfach: Gott ist gut zu uns!,
nicht: Gott ist ein Mann. „Ki el anochi we
lo isch - Gott bin ich,
nicht ein Mann!“ (Hosea 11,4 wörtlich übersetzt).
Mann und Frau sind „Abbild Gottes“ (Genesis 1,27). Gott ist väterlich
und mütterlich! „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch.“
(Jesaja 66,13. Vgl. auch Jesaja 49,15.) „Genauso wirklich wie Gott unser
Vater ist, ist er auch unsere Mutter.“ (Mystikerin Juliane v. Norwich, + um
1440). „Gott ist unser Vater und unsere Mutter.“ (Papst Johannes Paul I.) Warum nennen wir, wie auch Jesus es getan
hat, Gott dennoch meist nur „Vater“? Hier spielt vermutlich auch die natürliche
Symbolik eine große Rolle: Die Schwangerschaft der Frau und die Geburt aus
der Mutter sind äußerlich sichtbar, leicht kontrollierbar und verstehbar.
Ganz anders die Zeugung durch den Vater. Sie ist für ein Kind eher „abstrakt". Ist „Vater" daher
natürliches Symbol für Transzendenz? Gott ist uns zwar nahe, aber unsere
Herkunft von ihm, unsere Zugehörigkeit zu ihm, ist nicht einfach
kontrollierbar. Direkt erfahrbar ist für uns hingegen, dass wir von der Erde
leben und Nahrung erhalten. Auf die Erde wird daher auch in der Bibel das
Mutter-Symbol angewandt. (Sirach 40,1.11). In einem Kirchenlied heißt es: „Ehre
sei Gott in der Höhe!, stammeln auch wir, die die
Erde gebar." Jesus nennt Gott „Abba“
und verwendet damit ein aramäisches Kosewort (Papa, lieber Vater). Markus 14,36
überliefert uns dieses Wort im Munde Jesu. Vor Jesus hat vermutlich niemand
Gott so vertrauensvoll angeredet. ►Der Abba ist besser als irdische Väter (Matthäus 7,7-11). Keine
Projektion unserer schlechten ►Vater-Erfahrungen auf Gott! (Übrigens:
Es gibt auch schlechte Mutter-Erfahrungen!) ►Die Größe seiner Liebe ist für viele skandalös (Lukas
15,11-32). ►Der Abba ist „mütterlich“-barmherzig. Das hebräische „rachamim" (Barmherzigkeit) kommt von „racham" (Mutterschoß). Barmherzig sein heißt: wie
eine Mutter sein, mütterlich sein. ►Auch wir dürfen wie Jesus zu Gott „Abba“ sagen (Galater 4,6.
Römer 8,15). Es ist furchtbar, wenn Menschen nicht mehr
glauben können, dass Gott ein guter Vater ist. Jesus konnte auch noch in
Getsemani, als ihn schreckliche Angst vor seiner Hinrichtung befiel, Gott
zärtlich mit „Abba“ anreden (Markus 14,34-36). Er will mit diesem
Gottvertrauen nicht allein bleiben. Er ist „der Erste unter vielen
Geschwistern“ (Römer 8,29). Wenn wir „Vater unser“ sagen, sind wir
Geschwister Jesu, aber auch untereinander Brüder und Schwestern. Im Himmel Der Himmel ist im Altertum Symbol für das
Unerreichbare und Unzugängliche (vgl. Erzählung vom Turmbau zu Babel in
Genesis 11,1-9). Gott ist uns nahe, bleibt aber zugleich der Transzendente,
unendlich erhaben und unbegreiflich. „Keine plumpe Duzbruderschaft mit Gott!“
(Pater Leppich). Vorsicht vor selbst gebastelten Gottesbildern. Denn: „Niemand
kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.“
(Matthäus 11,27) Geheiligt werde dein Name Gott ist keine anonyme Macht, sondern ein
DU – mit Namen (ansprechbar). Sein Name ist JHWH („Jahwe“ ausgesprochen, aus
Ehrfurcht meist nur mit „Herr" übersetzt). Er bedeutet: „Ich bin, der
ich bin!“ oder „Ich bin da!“ (Exodus 3,13) „Wenn ich euch aus den Völkern (wohin ihr
verbannt seid) herausführe ... werde ich mich vor den Augen der Völker an
euch als heilig erweisen. Ihr sollt erkennen, dass ich JHWH bin
... Ihr werdet erkennen, dass ich JHWH bin, wenn ich um meines Namens willen so an euch handle
...“ (Ezechiel 20,41-44, vgl. auch 36,23-28) Gott selbst macht seinem Namen
Ehre. Indem er sein Volk befreit, macht er deutlich, dass er „da ist“
(JHWH). Entweiht wird sein Name, wenn Menschen spotten, Gott sei hilflos und
kraftlos. In Jesus von Nazaret erfüllt sich, was
JHWH bedeutet: Gott ist da. (Vgl. Johannes 17,26). „In ihm wohnt die ganze
Fülle der Gottheit.“ (Kolosser 2,9). Der Name „Jesus“ (Jeschua, Jeschu) bedeutet: JHWH rettet, erlöst! Dein Reich komme „malkut"
(hebräisch)/„basileia"
(griechisch) = Königtum, Herrschaft, Reich. Israels Hoffnung: Gott wird sich gegen
alle (politischen, aber auch „metaphysischen“) Mächte der Unterdrückung
durchsetzen. Er hat das letzte Wort. – „Dein Gott ist König!" (Jesaja
52,7) Jesus versteht sich als Künder und Bringer
des „Reiches Gottes“. Es beginnt schon jetzt (Markus 1,14-15. Matthäus
12,28). Noch ist es klein wie ein Senfkorn, aber es wächst und wird groß
werden (Markus 4,30-31). Der „kommende Menschensohn“ ist Symbol der
Hoffnung: Trotz aller Bestialitäten wird am Ende
wahre Menschlichkeit gelingen (vgl. Daniel 7,1-28). Gott hat das letzte Wort;
es trägt das Gesicht des Menschensohnes, ist ein menschliches Wort. Es
richtet und heilt. Schließlich wird „Gott alles in allem" sein ( 1 Korinther 15,23-28). Dein Wille geschehe ... Was will Gott? - Gott „will, dass alle Menschen gerettet
werden" (1 Timotheus 2,4). Alle Menschen sollen ihr Heil finden. Seine
Gebote sind Wegweiser zum „Glück“ (Jesaja 48,18). Jesus hat den Willen Gottes verkündet
(vgl. Bergpredigt – Matthäus 5,1-7,29) und selbst gelebt (Johannes 6,38-40).
„Wer den Willen Gottes tut, ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“
(Markus 4,35) Hierher gehört auch die Religionskritik Jesu: „Nicht jeder, der
zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich
kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters tut.“ (Matthäus 7,21) Unser tägliches Brot gib uns
heute „Euer Vater weiß, was ihr braucht.“
(Matthäus 6,8). Wir dürfen mit den Alltagssorgen zu Gott kommen.
Gottvertrauen wirkt oft Wunder. Das bezeugen (auch) viele Heiligen-Biografien
(Klara v. Assisi., Pfarrer v. Ars usw.) Wir beten: „unser“ Brot!,
nicht: „mein“ Brot! Was Gott uns gibt, müssen wir gerecht miteinander
teilen. „Gebt ihr ihnen zu essen ...!“ (Markus 6,32-44) – Wo wir teilen,
ereignet sich „Brotvermehrung“. Wir sind Geschwister und sollen unser Brot,
unsere Güter, unsere Lebenschancen miteinander teilen. So werden wir „Brot“
füreinander – in der Nachfolge dessen, der sagen kann: „Ich bin das
Brot des Lebens ..." (Johannes 6,35) Vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben ... Wir leben in einer Zeit des Anklagens.
Schuld geben ist leichter als Schuld ver-geben.
Die Vergebung Gottes kann in uns aber nur zum Ziel kommen, wenn auch wir
einander „von Herzen“ (Matthäus 18,35 – Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht)
vergeben. Jesus hat die Feindesliebe nicht nur gelehrt (Matthäus 5,43-44),
sondern selbst bis zum Tod am Kreuz vorgelebt: „Vater, vergib ihnen, denn sie
wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas 23,34) Gottes Vergebung ist ein
schöpferischer Akt. Er vermag aus dem Schlechten, das wir getan haben, sogar
Gutes wachsen lassen: „Gott kann machen, dass das Falsche zum noch Besseren
wird, als das Richtige gewesen wäre.“ (Sören Kierkegaard) Und führe uns nicht in
Versuchung Das biblische Wort für „Versuchung“ ist
schillernd: Erprobung, Prüfung, Herausforderung, aber auch: Falle, Verführung
… Jakobus 1,13 stellt klar: Gott selbst
versucht niemanden zum Bösen. Von Anfang an gibt es im Menschen die
Sehnsucht nach Gott, aber auch die Versuchung, Gott zu misstrauen, ihn nicht
als Abba anzunehmen (vgl. Erzählung vom Sündenfall in Genesis 3). Es gibt verschiedene Übersetzungen/Übertragungen
dieser schwer verständlichen Vaterunser-Bitte: „Lass uns nicht in Versuchung geraten!“ (Katechismus der katholischen
Kirche) „Lass uns nicht in die Gefahr kommen, dir untreu zu werden!"
(Gute Nachricht) „Führe uns womöglich nicht in die Zerreißprobe!“ (Karl Herbst) „Pass auf uns auf, damit wir nicht irgendwelchen fiesen Gedanken
nachgeben und dir auch so untreu werden.“ (Die Volxbibel) „Führe uns nicht zum Verrat an dir.“ (Bibel in gerechter Sprache) „Überfordere uns nicht in Situationen der Anfechtung, sondern hilf
uns, dass wir uns darin bewähren können.“ (Jan-Heiner Tück) Jesus: „Wacht und betet, damit ihr nicht
in Versuchung geratet!“ (Markus 14,38): Wacht!
= Träumt nicht, schlaft nicht, seid realistisch! Betet! = Vertraut Gott, setzt auf ihn in
allen Situationen! Sondern erlöse uns von dem
Bösen In dieser Bitte tragen wir das gesamte
Elend der Welt vor Gott – durch den, der von Gott gekommen ist und hautnah
unser Schicksal geteilt hat: Jesus. „Alle unsere Bitten sind ein für alle Mal
in seinen Schrei am Kreuz hineingenommen und vom Vater in seiner Auferstehung
erhört worden.“ (Katechismus der katholischen Kirche 2741). Vater unser in der Muttersprache Jesus
(aramäisch) Zurück zur Startseite von Karl Veitschegger Zurück
zum Menü „Artikel, Referate, Skizzen
...“
Karl Veitschegger © 1993/2000 etc. |