Thema: „Taufscheinchristen“ 10 theologische Gedanken Folgende Gedanken entstammen
der Vorbereitung zu einer Pfarrgemeinderats-Klausur 1995. Sie wollen dazu
anregen, dem Problem „Fernstehende Getaufte“ nicht nur pragmatisch, sondern
auch theologisch zu begegnen. 1. „Kommt alle zu mir ...!" (Mt 11,28-30). Die Offenheit Jesu für alle Menschen verdichtet
sich besonders in Tod und Auferstehung: „Wenn ich über die Erde erhöht bin,
werde ich alle an mich ziehen!" (Joh
12,32) 2. Die Kirche Jesu
Christi muss „katholisch"
sein: universal, offen für alle Menschen aller Zeiten, aller Orte und
Kulturen (vgl. KKK 836). 3. Durch die Taufe wird ein Mensch
in die sichtbare Gemeinschaft der Christgläubigen aufgenommen. Die
Gemeinschaft der Kirche ist dabei das Zeichen der Liebe und Nähe Gottes. Gott
schenkt uns die Gemeinschaft mit ihm, wir antworten im Glauben. Die Taufe ist
der sakramentale Beginn
eines Glaubens-Weges, den wir gemeinsam mit anderen (und mit
Hilfe der anderen) gehen. Ein anfanghaftes, schlichtes Ja zu Jesus Christus
darf und soll sich lebenslang entfalten und vertiefen. Christ-Sein hat immer
mit Jüngerschaft (Lernen!), Weg, Wachstum zu tun. 4. Es ist sehr
schwierig, Menschen daraufhin zu überprüfen, ob ihr Glaube groß genug ist
(z.B. als Zulassungsbedingung zu den Sakramenten). Wir sehen nicht in das
Herz der Menschen. Petrus und die anderen Apostel, haben für Jesus „alles
verlassen"; dennoch attestiert ihnen Jesus mehrmals „Kleinglauben"
(Mt 8,26. 14,31. 17,20), hingegen sagt er zu einer Heidin, die ihn „nur"
aufdringlich um die Heilung ihrer Tochter bittet: „Frau, dein Glaube ist groß!"
(Mt 15,28) Wir dürfen in der Seelsorge niemandem vorschnell den
„not-wendigen" Glauben absprechen. 5. Auch Menschen, die
Jesus begeistert „Herr" nennen, ja sogar Wunder in seinem Namen tun,
können „Fernstehende" sein,
so weit weg vom Willen Gottes, dass Jesus sagen muss: Ich kenne euch nicht
(Mt 7,21-23). Entscheidend für die Gottesnähe ist die Liebe. Der Samariter in
Lk 10,25-37 ist kultisch gesehen ein „Fernstehender", aber durch seine
Liebestat Gott ganz nah. 6. Manchmal ist offenkundig,
dass ein Getaufter die Gebote Gottes und die Weisungen der Kirche in
schwerwiegenden Punkten übertritt. Wir können trotzdem nicht mit Sicherheit
sagen, dieser Mensch sei ein Todsünder und habe seine Taufgnade verloren
(KKK 1861). Denn „eine Todsünde erfordert volle Erkenntnis und volle
Zustimmung" (KKK 1859). Sind diese wirklich gegeben? 7. Alle Getauften sind
bleibend berufen, für Gott zu leben und Früchte zu
bringen. Aber nicht immer sind die Früchte eines christlichen Lebens deutlich
erkennbar. Es kann sein, dass Gott über jemanden, dessen Früchte uns mager
erscheinen, sagt: Dieser Mensch hat getan, was er konnte! 8. In der Seelsorge gab
es immer rigoristische und laxistische Strömungen. Beide
enthalten wichtige Wahrheiten. Die „Pastoral
der engen Tür" macht uns darauf aufmerksam, dass es
letztlich auf eine Entscheidung für Christus ankommt, dass der Weg zum Leben
„schmal" ist (Mt 7,13 - 14). Die „Pastoral
der leichten Last" (Mt 11,30) macht uns darauf
aufmerksam, dass möglichst viele Menschen diesen Weg finden sollen und dass
Gott in Geduld und Liebe auf jeden wartet, auch auf den, der stolpernd und fußmarod diesen Weg geht. 9. Es gibt eine gestufte Kirchlichkeit:
Durch die Taufe wird ein Mensch Glied am Leib Christi. Kirchlichkeit zeigt sich in
vielfacher Weise. Am dichtesten realisiert sich der Leib Christi allerdings
in der Feier der Eucharistie. Die Kerngemeinde, die regelmäßig Eucharistie
feiert, und die Masse des getauften Kirchenvolkes sind in Christus verbunden.
Das eucharistische „Für
euch und für alle" macht die Gottesdienstgemeinde auch
für jene verantwortlich, die nicht mehr oder noch nicht zum Gottesdienst
kommen. 10. „Wer nicht
gegen uns ist, der ist für uns. Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu
trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – amen, ich sage euch: er wird
nicht um seinen Lohn kommen." (Mk 9,40 - 41) Wenn das stimmt, dürfen wir
dann jemanden, der zwei
Tage im Jahr für die Kirche arbeitet (dem entspricht ungefähr
die Höhe des Kirchenbeitrages in Österreich), lieblos zum
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