Karl Veitschegger (2003)
Der Rosenkranz – das
Meditationsgebet des Abendlandes
Bei Gott allein
kommt meine Seele zur Ruhe,
von ihm kommt mir Hilfe. (Psalm 62,2)
Murmeln,
nicht plappern!
Der Rosenkranz ist ein meditatives Gebet. Das
Wiederholen bestimmter Worte spielt dabei eine wichtige Rolle. (In gewisser
Weise erinnert das an fernöstliche Mantras.) Der Wert der Wiederholung liegt
nicht in der Anhäufung von Worten – das wäre geistloses „Geplapper"
(Matthäus 6,7) –, sondern im Rhythmus des Sprechens, der die Seele zur Ruhe
kommen lässt und sie auf die Begegnung mit Gott einstimmt. Die hebräische
Bibel kennt das Wort „hagah", das zugleich
„murmeln" und „nachsinnen" bedeutet (z. B. in Psalm 1,2). Auch beim
Rosenkranz ist das gleichmäßige „Murmeln" eine Hilfe, sich zu vertiefen
und über all das „nachzusinnen", was Gott uns in Jesus Christus
geschenkt hat. „Rosenkranz beten ist
nichts anderes, als mit Maria das Antlitz Christi betrachten.“ (Johannes Paul
II.)
Die einzelnen Gebete
werden symbolisch als „Rosen“ gedeutet, die einen „Kranz" bilden. Der Kranz
ist Symbol des ewigen Lebens (Jakobus 1,12; 1 Petrus 5,4; Offenbarung 2,10).
Auch die (geweihte) Schnur oder Kette, die zum Zählen der Gebete verwendet
wird, nennt man Rosenkranz. Wie jedes meditative Gebet setzt auch der
Rosenkranz ein gewisses Maß an Übung voraus, ehe er für das spirituelle Leben
als hilfreich erfahren wird.
Im Kloster entstanden
Der heute übliche Rosenkranz geht auf eine
Vorform zurück, die der Kartäusermönch Dominikus von Preußen im 14.
Jahrhundert in Trier entwickelt hat. Den Brauch, Gebetsschnüre zu verwenden,
gibt es auch im Islam und in den Religionen Indiens; er ist über die
orthodoxe Kirche auch ins Abendland gekommen.
Kein Fanatismus!
Die katholische Kirche empfiehlt das
Rosenkranzgebet, warnt aber auch vor einem Rosenkranz-Fanatismus: „Will man den Gläubigen den Wert und die Schönheit des Rosenkranzes
erklären, dann sollen Ausdrücke vermieden werden, die andere hervorragende
Gebetsformen in den Schatten stellen [...] oder die ein Schuldgefühl bei
denjenigen erzeugen können, die ihn nicht zu beten gewohnt sind: Der
Rosenkranz ist ein hervorragendes Gebet, dem gegenüber sich der Gläubige frei
fühlen soll, wenn er aufgefordert wird, in besinnlicher Ruhe und in seiner
ihm innewohnenden Schönheit zu ihm zu greifen."
(Direktorium über die
Volksfrömmigkeit und die Liturgie vom 17.12.2001, Nr. 202)
Keine
Vorschrift
Es gibt keine kirchlichen
Vorschriften, wie der Rosenkranz zu beten ist. Er kann in gesamter Länge oder
teilweise (z.B. nur ein Gesätz), allein oder in Gemeinschaft – abwechselnd
zwischen Vorbeter und Gemeinde oder zwischen zwei Gruppen – gebetet werden.
In dreisprachigen Ländern hat sich folgender Gebetsbrauch herausgebildet und
bewährt (A und B
markieren eine mögliche Textverteilung, falls der Rosenkranz als Wechselgebet
gesprochen wird):
Die
Gebete zur Einleitung
Kreuzzeichen
A + B: Im Namen des Vaters
und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Glaubensbekenntnis
A: Ich glaube an Gott, den Vater,
den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde,
und an Jesus Christus, seinen
eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren
von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben
und begraben, hinab gestiegen in das
Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den
Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dort wird
er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.
B: Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der
Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.
Vater unser
A: Vater unser im Himmel, geheiligt
werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf
Erden.
B: Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und
führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. (Denn dein
ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.) Amen
(Matthäus 6,9-13)
Gegrüßet seist du, Maria (Ave Maria)
A: Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der
Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die
Frucht deines Leibes: Jesus.
B:
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde
unseres Todes. Amen.
(Vgl.
Lukas 1,28 und 42)
Das Ave Maria wird dreimal
gebetet, wobei nach dem Namen „Jesus“ jeweils ein Gebetswunsch eingefügt
wird:
Jesus, der in uns den Glauben vermehre
Jesus, der in uns die Hoffnung stärke
Jesus, der in uns die Liebe entzünde
Ehre sei dem Vater
A:
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,
B:
wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.
(Vgl. Johannes 5,23; Epheser 4,30 Matthäus 28,19)
Viermal
Rosenkranz – 20 Geheimnisse
Nach der
Einleitung kann man den „freudenreichen“, den „lichtreichen“, den
„schmerzhaften“ oder den „glorreichen“ Rosenkranz beten (man kann auch alle
vier „Rosenkränze“ hintereinander betrachten). Jeder Rosenkranz besteht aus
fünf „Gesätzen“. Jedes „Gesätz“ beginnt mit einem Vater unser und
mündet in ein Ehre sei dem Vater.
Dazwischen wird zehnmal das Ave Maria
wiederholt. Beim Namen „Jesus“ wird das entsprechende „Geheimnis“ des
Gesätzes (ein Ereignis aus dem Leben und Wirken Jesu) genannt.
Vater unser, Ave Maria
und Ehre sei dem Vater können als Wechselgebet gesprochen werden
(siehe Texte A und B in der Einleitung). Beim ersten, dritten und fünften
Gesätz werden die A-Texte von Vorbeter bzw. Gruppe 1 gebetet, die B-Texte von
Gemeinde bzw. Gruppe 2. Beim zweiten und vierten Gesätz ist es umgekehrt: die
A-Texte werden von der Gemeinde bzw. Gruppe 2, die B-Texte von Vorbeter bzw.
Gruppe 1 gesprochen.
Die
freudenreichen Geheimnisse
Jesus, den du, o Jungfrau, vom Heiligen Geist empfangen
hast
Jesus, den du, o Jungfrau, zu Elisabeth getragen hast
Jesus, den du, o Jungfrau, (in Betlehem) geboren hast
Jesus, den du, o Jungfrau, im Tempel aufgeopfert hast
Jesus, den du, o Jungfrau, im Tempel (wieder) gefunden
hast.
(Bibelstellen: Lukas 1,26-38 / 1,39-56 / 2,1-14 /2,22-40
/ 2,41-52)
Die
lichtreichen Geheimnisse
(im Oktober 2002 von Papst Johannes Paul II. neu
eingeführt und zur Betrachtung empfohlen)
Jesus, der von Johannes getauft worden ist
Jesus, der sich bei der Hochzeit zu Kana offenbart hat
Jesus, der uns das Reich Gottes verkündet hat
Jesus, der auf dem Berg verklärt worden ist
Jesus, der uns die Eucharistie geschenkt hat
(Bibelstellen:
Markus 1,9-11; Johannes 2,1-11; Lukas 4,18; Markus 9,2-10; Markus 14,17-25)
Die schmerzhaften
Geheimnisse
Jesus, der für uns Blut geschwitzt hat
Jesus, der für uns gegeißelt worden
ist
Jesus, der für uns mit Dornen gekrönt
worden ist
Jesus, der für uns das schwere Kreuz
getragen hat
Jesus, der für uns gekreuzigt worden
ist
(Bibelstellen: Lukas 22,44; Markus 15,15; Matthäus
27,29; Johannes 19,17; Markus 15,24)
Die
glorreichen Geheimnisse
Jesus, der von den Toten auferstanden ist
Jesus, der in den Himmel aufgefahren ist
Jesus, der uns den Heiligen Geist gesandt hat
Jesus, der dich, o Jungfrau, in den Himmel aufgenommen hat
Jesus, der dich, o Jungfrau, im Himmel gekrönt hat
(Bibelstellen: 1 Korinther 15,3-8; Apostelgeschichte
1,9-11 /2,1-13; die letzten beiden Geheimnisse illustrieren an Maria, wozu
der gläubige Mensch berufen ist: Römer 8,11; Offenbarung 3,21)
Fatima-Gebet
Viele fügen am Ende jedes Gesätzes das folgende Gebet hinzu, das auf die
Marienerscheinungen in Fatima (1917) zurückgeht und betend die Hoffnung auf
das Heil aller Menschen zum Ausdruck bringt:
A + B: O mein Jesus, verzeih
uns unsere Sünden. Bewahre uns vor dem Feuer der Hölle und führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die am
meisten deiner Barmherzigkeit bedürfen.
Die letzten Worte werden mancherorts auch so gesprochen: „... besonders
jene, die deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen."
Karl Veitschegger
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