Karl Veitschegger (seit Mai 2017)

 

Meine „Positionen“ im SONNTAGSBLATT für Steiermark

 

https://www.meinekirchenzeitung.at/tag/karl-veitschegger


 

 

03. März 2024

Scheitern

 

Das Wort „scheitern“ meint ursprünglich das Zerbersten eines Holzschiffes in mehrere „Scheite“, also ein Ereignis, das zum Untergang führt. Wer schon einmal beruflich oder familiär „gescheitert“ ist, wer von Menschen, die er liebt, „zerbrochen“ und „entsorgt“ worden ist, oder wer vor den Trümmern seines guten Rufes steht, weiß, was es heißt: im Unglück versinken. Auch Gläubige sind davor nicht gefeit. Bleibt nur die Verzweiflung? — Der deutsche TV-Pfarrer Heiko Bräuning wies einmal darauf hin, dass in der Bibel das hebräische Wort für „scheitern“ ( שבר- schabar) noch zwei andere Bedeutungen hat, nämlich: das „Sich-Öffnen des Mutterleibes zur Geburt“ und „fruchtbar sein, Vorrat anlegen“.

 

Wenn wir der Weisheit der Bibel trauen, steckt in diesem Wort eine gewaltige Hoffnung: „Scheitern“ kann, obwohl es zuerst gar nicht danach aussieht, die (schmerzhafte) Geburt von etwas Neuem sein. Vielleicht kennen Sie das aus Ihrem eigenen Leben. „Scheitern“ birgt, im Lichte der Bibel betrachtet, das Ostermysterium in sich: die Härte des Karfreitags, aber auch die göttliche Kraft, die alles Bittere in Osterlicht verwandeln kann. Auch den Tod.

 

Lassen wir einander nicht im Stich, wo es Scheitern gibt! Halten wir unser Herz offen für dieses Geheimnis! Das ist mein Fasten- und Osterwunsch für uns alle!

 

 

14. Jänner 2024

Das Schöne

 

Freilich hätte alles noch schlimmer kommen können. Aber 2023 erlebte ich als kein gutes Jahr. Viel Enttäuschung, Leid, Tod in meiner kleinen Welt und in der großen. Da fiel mir just am 31.12. ein, was Carl Zuckmayer in „Des Teufels General“ seine Hauptfigur sagen lässt:

 

„Ich aber sage Ihnen, das Leben ist schön. Die Welt ist wunderbar. Wir Menschen tun sehr viel, um sie zu versauen, und wir haben einen gewissen Erfolg damit. Aber wir kommen nicht auf – gegen das ursprüngliche Konzept. Woher das stammt – das weiß ich nicht. Ich bin kein Denker, und kein Prophet. […] Aber ich weiß – das Konzept ist gut. Der Plan ist richtig, der Entwurf grandios. Und der Sinn heißt – nicht: Macht. Nicht: Glück. Nicht: Sättigung. Sondern – die Schönheit. Oder – die Freude. Oder beides. Nennen Sie es von mir aus, wie Sie es wollen – vielleicht gibt es kein Wort dafür. Es ist das, was wir in unsren besten Stunden ahnen, und besitzen. Und dafür – nur dafür – leben wir überhaupt.“

 

Hm. Manchmal, wenn ich an Menschen denke, die ich liebe, oder an das Gute, das doch immer wieder aufbricht, dann spüre ich, auch wenn mir dabei die Tränen kommen, am Grunde von allem dieses unzerstörbar „Schöne“. Danke, Gott*!

 

 

19. November 2023

Jesu Religionskritik

 

Der Mensch kann alles Gute missbrauchen: Kommunikation, Medizin, Technik, Kunst … — und leider auch Religion. Jesus geht mit „Sündern“ aller Art milde um, zu milde, wie seine Gegner ihm vorwerfen. Aber wenn Menschen „Gott“ und „Religion“ beschwören, um andere abzuwerten, zu unterdrücken oder auszunützen, findet er verdammt harte Worte: „Wehe euch, ihr Schriftgelehrten …!“ (Mt 23,13 und öfter) Er wusste auch, dass verblendete Religion tödlich sein kann: „Es kommt die Stunde, in der jeder, der euch tötet, meint, Gott einen heiligen Dienst zu leisten.“ (Joh 16,2).

 

Terror im Namen „Gottes“. Gottesvergiftung. Ja, das gab es damals und das gibt es auch heute. Jesus hat vorweggenommen, was später der Nobelpreisträger Steven Weinberg in aller Bitterkeit so formulierte: „Mit oder ohne Religion werden gute Menschen Gutes und böse Menschen Böses tun. Damit aber gute Menschen Böses tun, dazu bedarf es der Religion.“ Weinberg ist Atheist geworden. Jesus nicht, obwohl er von religiösen Menschen, nicht von Atheisten, zur Strecke gebracht worden ist. Er ist zu innig mit Gott, den er liebevoll seinen „Abba“ (Papa) nennt, verbunden.

 

Dieser Gott, den Jesus uns vorlebt, ist kein Rechthaber und Machthaber, sondern der „Liebhaber“ schlechthin: jene erlösende Kraft der Liebe, die sogar die Feinde umfasst. Eine Religion, die uns nicht zu tiefer Liebenden macht, ist wertlos. Selbstachtung zu bewahren und zugleich unserem Feind ein glückliches Leben zu wünschen, zu dieser Balance ruft der Rabbi aus Nazaret auf. Wie das geht? Täglich üben. Jeder Schritt zählt. Sonst ist uns Menschen nicht mehr zu helfen.

 

 

8.Oktober 2023

Evangelium pur

 

Als die Berliner Mauer fiel und das DDR-System zusammenkrachte, musste sich das Diktatoren-Ehepaar Erich und Margot Honecker vor dem Zorn des Volkes verstecken und suchte verzweifelt Unterschlupf. Niemand wollte die beiden bei sich haben, auch keine Kirchengemeinde. Nur der evangelische Pfarrer Uwe Holmer und seine Frau waren bereit, die Verhassten am 30. Jänner 1990 in ihr Haus aufzunehmen. Vor der Tür tobte die lynchbereite Menge, beschimpfte und bedrohte den Pfarrer und forderte Honeckers Kopf. Die Pfarrerfamilie selbst war Opfer der Politik Honeckers. Keines der zehn Kinder durfte studieren. Grund: ihre Treue zum christlichen Glauben. Denn die Honeckers benachteiligten oder verfolgten gnadenlos alles, was dem kommunistischen Regime zuwiderlief. Sie waren auch, nachdem sie bei Pfarrer Holmer Schutz gefunden hatten, nicht einsichtig, baten nie um Vergebung, belogen andere und sich selbst. Acht Wochen blieben sie im Pfarrhaus, ehe sie nach Moskau ausgeflogen wurden.

 

Warum ich an diese Geschichte erinnere? — Vor kurzem ist Pfarrer Uwe Holmer gestorben. Auf die Frage, warum er die Honeckers aufgenommen habe, antwortete er stets: Er könne als Christ und Pfarrer nur glaubwürdig sein, wenn er auch lebe, was er predige und bete: „Vater unser, …  vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“

 

In einer Welt von Ideologie-Verblendung, Egoismus, Aggression und

„Wir werden es euch zeigen!“-Stimmung zeigte Pfarrer Holmer den Weg Jesu: Evangelium pur. Danke.

 

 

13.August 2023

Himmel-Fahr(t)gemeinschaft

 

Der Kabarettist lobt zuerst den Klima-Einsatz der Kirche, bringt dann aber doch eine witzige „Kritik“ an: „Christi Himmelfahrt ist im Mai und Mariä Himmelfahrt im August. Hätten die beiden nicht eine Fahrgemeinschaft bilden können?“ Das Publikum lacht, ich auch. Dann sagt der Theologe in mir: Haben sie ja! Jesus hat sein Leben in Gott vollendet – nicht für sich allein, sondern bereits für uns alle. Maria und wir sind seine „Mitfahrer“ und „Mitfahrerinnen“. Auch wenn wir zu verschiedenen Zeiten sterben, es wird keine Alleinfahrt zu Gott. Unser Sterben und Auferstehen wurde bereits — jenseits von Raum und Zeit — hineingenommen in Tod, Auferstehung und Vollendung Jesu. In Christus ist das Wesentliche für uns schon geschehen. Von Maria feiern wir das am 15. August. Aber es gilt für uns alle:

 

„Ihr seid [mit Christus] gestorben und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott. Wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit.“ (Kol 3,3f)

 

Man könnte jetzt fragen: Wenn der Himmel so wichtig ist, ist dann die Erde unwichtig? — Nein, ganz und gar nicht! „Himmelfahrt“ beginnt hier auf Erden, dauert das ganze Leben und ist ein Wachsen, das sich nicht überspringen lässt. Ein Apfelbaum trägt nur dann köstliche Früchte, wenn er gut gepflanzt und gepflegt worden ist, gedeihen und blühen kann, dem Wetter trotzt usw. Der Ernte geht das Reifen voraus. Der Himmel ist „geerntetes Erdenleben“. Er wird uns umso besser „schmecken“, je liebevoller wir hier auf Erden gelebt und mit der Schöpfung umgegangen sind.

Einen frohen 15. August!

 

 

25. Juni 2023

Heiliger Dissens

 

Petrus und Paulus – so unterschiedlich: Der eine, ein einfacher Fischer, ist Begleiter des irdischen Jesus und tritt früh als Wortführer seiner Jünger und Jüngerinnen auf. Der andere, ein theologisch gebildeter Zeltmacher, zuerst fanatischer Gegner der Jesusbewegung, wird erst durch sein „Damaskuserlebnis“ zum Apostel. Der eine gilt als „Fels“ der Kirche, der andere als innovativer Künder christlicher Freiheit: „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ (2 Kor 3,17) Beide sind von Jesus berufen. Beide gehören zum Fundament der Kirche. Zwei maßgebliche Apostel, die – wie wir aus der Bibel wissen – auch miteinander im Streit liegen können:

 

„Als Kephas (Petrus) nach Antiochia gekommen war, habe ich (Paulus) ihm ins Angesicht widerstanden, weil er sich ins Unrecht gesetzt hatte.“ (Gal 2,11)

 

Konflikte gehören von Anfang an zur Kirche. Liebe zur Tradition und Offenheit für Neues stehen oft in Spannung zueinander, ebenso Einheit und Vielfalt. Da kann schon hin und wieder heftiger Streit ausbrechen. Und Gott mutet seiner Kirche solche Konflikte zu. Er will, dass sie offen ausgetragen werden. Kein unehrlicher Konsens. Ohne Dissens kein Fortschritt. Petrus und Paulus streiten miteinander, aber sie entzweien sich nicht. Sie halten einander aus, weil beide an die Dynamik des Evangeliums glauben. Schließlich bezeugen sie das mit ihrem Blut. Petrus und Paulus – unverwechselbar verschieden und doch so verbunden, dass beide gemeinsam am 29. Juni gefeiert werden.

 

 

7. Mai 2023

Meine Maria

 

Ich erinnere mich gerne an die Maiandachten meiner Kindheit in unserer Dorfkirche. Es roch nach Weihrauch. Blumen überschwemmten den Marienaltar noch verschwenderischer als sonst. Gefühlvolle Lieder und das Murmeln des Rosenkranzes beruhigten mein unruhiges Bubenherz und überzeugten es: Gott ist schön und riecht gut. Und Maria, die Mutter Jesu, muss ziemlich beliebt sein bei dieser Menge von Blumen.

 

Später hörte ich viel über Maria im Religionsunterricht und als Theologe beschäftigte ich mich kritisch mit den katholischen Mariendogmen und klopfte sie auf ihre bleibende Bedeutung ab. Aber so richtig warm ums Herz wurde mir dabei nicht.

 

In letzter Zeit habe ich einen neuen Zugang zu Maria gefunden. Die Evangelien zeigen sie auch als Frau, die sich mit ihrem Sohn Jesus oft schwertut. Denn er ist kein Muttersöhnchen und geht seinen eigenen Weg. Muss ihn gehen. Sie kann dabei vieles von dem, was er sagt und tut, nicht verstehen. Und sie riskiert sogar manch scharfes Wort von ihm: „Was willst du von mir, Frau?“ (Joh 2,4). Aber sie gibt nicht auf, bleibt ihm zugetan. Auf der Hochzeit zu Kana provoziert sie dadurch sogar das bekannte „Weinwunder“. Das alles macht sie mir sympathisch. Denn auch ich verstehe manches Wort und manche Handlungsweise Jesu nicht. Auch ich bitte vielleicht um Dinge, die banal erscheinen. Aber ich will trotzdem nicht von ihm lassen.

 

Nach Ostern finden wir Maria im Kreis der Jüngerinnen und Jünger. Gemeinsam mit ihnen bittet sie jetzt um den Heiligen Geist. Sie alle wollen Jesus besser verstehen lernen. „Verstehen lernen“ ist auch ein Name für Christ:in sein.

 

 

26.03.2023

Macht und Dienst

 

Eines muss man den Deutschen lassen. Wenn sie eine Sache angehen, tun sie es gründlich. Für österreichische Ohren klingt manches hart. Wir vermissen den Charme der Diplomatie. Das trifft auch auf den „Synodalen Weg“ (SW) der katholischen Kirche in Deutschland zu. Er wurde begonnen, um den Missbrauchsskandalen schonungslos auf den Grund zu gehen. Unsere katholischen Nachbarn haben klar erkannt: Die Unzahl an Missbräuchen innerhalb der Kirche und ihr Verborgen-Halten waren nur möglich, weil „geistliche Macht“ überhöht und zu wenig ernsthaft hinterfragt worden ist: weder die Macht oft unreifer, „charismatisch“ wirkender Priester, noch die überzogene Macht von Bischöfen, die praktisch gar nicht in der Lage sind, jene Verantwortung zu übernehmen, die ihnen feierlich zugesprochen wird. Die grausame Frucht dessen: Durch Jahrhunderte war „uns Kirchenmenschen“ (ich zähle mich auch dazu) das Image der Kirche wichtiger als das Leid der Geschändeten. Vertuschung und Verharmlosung sind auch Ausdruck von Selbstidealisierung und Feigheit.

 

Wer sagt, in der Kirche gehe es ja gar nicht um Macht, sondern nur um „Dienst“, denkt vielleicht fromm, aber zu kurz. Macht ist nichts Schlechtes. Sie ist auch in der Kirche nötig, um das Gute durchzusetzen und Schwächere zu schützen. Aber sie gehört verständlich legitimiert, sachdienlich aufgeteilt, transparent ausgeübt und muss vom „Volk Gottes“ auch kontrollierbar sein: „Prüfet alles, das Gute behaltet!“ (1Thess 5,21) Erst so wird sie zum Dienst. Das ist mir beim Mithören des SW neu bewusst geworden. Kein beliebter, aber ein wichtiger Impuls unserer Nachbarn.

 

Karl Veitschegger

 

 

12.02.2023

Leicht zu überhören

 

Bei seiner Angelobung am 26. Jänner 2023 erinnerte Bundespräsident Alexander van der Bellen an ein Wort des verstorbenen Innsbrucker Bischofs Reinhold Stecher: „Das Gute spielt in dieser Welt seinen Part meist piano und pianissimo. Und es gehört zur Lebenskunst, es nicht zu überhören.“ Ein kostbarer Satz, den ich mir sofort notiert habe.

 

Die Berichte über Skandalöses, Brutales, Gefährliches dröhnen gleichsam an unser Ohr, sie okkupieren unsere Aufmerksamkeit oder – noch schlimmer – sie stumpfen uns ab. Dass auch viel Gutes in unserer Welt passiert, tagtäglich, auch in unserer Nähe, überhören wir da leicht.

 

Das Gute – christlich gesprochen: das „Reich Gottes“ – mag oft unscheinbar wie ein Senfkorn sein, aber es ist da und wächst. Ich habe mir daher vorgenommen, mehr darauf zu achten, es wahrzunehmen und auch darüber zu reden: der Kassierin im Supermarkt, die trotz Stress freundlich und hilfsbereit ist, laut zu danken; wenn über einen Bekannten geschimpft wird, auch das Gute, das ich von ihm weiß, gerne weitererzählen; bewusst mithelfen, dass jene, die als „Gutmenschen“ für soziale  Wärme in unserer Gesellschaft sorgen, gewürdigt werden; öfter an jemanden, über dessen Engagement ich mich freue, ein SMS oder ein Mail schreiben.

 

Es geschieht viel Gutes in der Welt. Oft leise. Darum der Ruf Jesu: „Wer Ohren hat, der höre“. (Mt 13,9) Gott ist kein „Hinter-Weltler“, der seine Welt vergessen hätte, sondern er wirkt in (!) der Welt jeden Tag durch viele Frauen und Männer. Auch in unserer Nähe. Erzählen wir es weiter.

 

 

25.12.2022

„Wir gehen vom Leben der Menschen aus“

 

So steht es im Zukunftsbild der katholischen Kirche Steiermark. Eigentlich ein „weihnachtliches“ Wort. Bischof und Diözese orientieren sich hier am Weg, den Jesus selbst gegangen ist. Denn bevor er predigte, Wunder wirkte und Jünger um sich sammelte, wurde er Mensch. Einfach Mensch. 30 Jahre lebt er in Nazaret. Er erlernt dort nicht nur ein Handwerk, sondern vor allem das Menschsein. Er erlebt Glück und Unglück menschlicher Beziehungen, Zärtlichkeit und Gewalt, Enge und Großzügigkeit, Bigotterie und echte Gottesnähe – und die Mischung von alldem in den Herzen der Menschen. Er, der sich später mit Vorliebe „Menschensohn“ nennt, wird zuerst ein verstehender Mitmensch, bevor er andere lehrt.

 

„Wir gehen vom Leben der Menschen aus“. Das heißt dann für uns als Kirche: Auch wir wollen die Menschen um uns, wie sie leben, arbeiten, denken, lieben … – besser verstehen lernen. Vor allem auch jene, die sich mit Kirche schwertun, ja es vielleicht schon aufgegeben haben, von uns überhaupt etwas zu erwarten.

 

Mein Kirchen-Weihnachtstraum: Jeder Mensch, auch wenn er oder sie „anders“ glaubt, lebt und liebt, bekommt unsere Achtsamkeit. Nicht weil wir Mitglieder „gewinnen“ wollen, sondern einfach, weil hier ein Mitmensch ist. Wer es mit Kirche zu tun hat, muss sich nicht mehr verstellen, sondern darf einfach „sein“. Wenn dann jemand auf Gott neugierig wird, dann sind wir auch da – unaufdringlich, mitfühlend, geduldig, mit unserer Glaubens- und Lebenserfahrung.

Frohe Weihnachten uns allen!

 

 

06.11,2022

Nächstenliebe ohne Pferd

 

Das biblische Wort „Almosen“ (von griechisch eleēmosýnē - Gabe der Barmherzigkeit) hat keinen guten Ruf mehr. Es ist zu einer Karikatur von Wohltätigkeit verkommen, im Sinne von: Ich gebe etwas her, was ich nicht mehr brauche oder leicht verschmerzen kann, und die Armen sollen sich gefälligst darüber freuen und dafür dankbar sein. Man spürt den Hauch von Hochnäsigkeit und Verachtung. Oder: Ich gebe schnell etwas her, um mein Gewissen zu beruhigen. Das kann zwar mitunter einem Armen durchaus helfen, aber es ist nicht das, was die Heilige Schrift mit „Almosen“ meint. Die Bibel versteht darunter eine Gabe der Liebe als Antwort auf die Not eines Mitmenschen, die mein Herz trifft. Ich gebe dabei nicht nur etwas her, sondern wende mich jemandem zu. „Barmherzigkeit“ ist nichts Gönnerhaftes von oben herab, sondern eine Bewegung von Herz zu Herz – auf Augenhöhe!

 

Der heilige Martin, der einst mit einem Frierenden seinen Mantel geteilt hat, wurde auf den ältesten Bildern immer ohne Pferd dargestellt, also auf gleicher Höhe mit dem Frierenden! Erst später stellte man ihn hoch zu Ross dar, auf den Bettler herabblickend. Nächstenliebe im biblischen Sinn bedeutet immer, vom hohen Ross zu steigen. So hat es wohl der „echte“ hl. Martin getan, der am 11. November seinen Gedenktag hat. Das sollte man auch bei Martinsfeiern beachten.

 

Ich habe kürzlich einen Spruch entdeckt, den ich gerne weitergebe: „Man sollte nur dann auf einen Menschen hinabschauen, wenn er am Boden liegt und man ihm die Hand reicht, um ihm aufzuhelfen.“ In diesem Sinn einen schönen Martinstag allen Kindern und Erwachsenen!

 

 

18.09.2022

Jesus, Tiere, Schöpfung

 

Vom 1. September bis zum Franziskustag erinnern christliche Kirchen besonders an die schützenswerte Schönheit der Schöpfung und aller Geschöpfe. Kürzlich wurde ich gefragt:

 

Hat Jesus auch Tiere geliebt? – „Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen ...“ (Mt 6,26) Diese Worte Jesu zeigen, dass er Tiere liebevoll beobachtet und daraus Lehren zieht. Im konkreten Fall: Es ist besser, Gott zu vertrauen, als Schätze anzuhäufen. Vergesst vor lauter Sorgen nicht zu leben!

 

Hat Jesus selbst Tiere besessen? – Eher nicht. Die Eselin für den feierlichen Einzug in Jerusalem ist jedenfalls nur geborgt. In seinen Predigten aber tummeln sich viele Tiere: Schafe, Kamele, Wölfe, Füchse, Schweine, Hunde, Spatzen, Fische usw. Einmal vergleicht er sich selbst mit einer Bruthenne, die ihre Küken zärtlich unter die Flügel nimmt (vgl. Mt 23,37). Da spürt man seine Tierliebe.

 

Hat er auch kranke Tiere geheilt? – Späte Legenden erzählen davon, aber sichere Belege gibt es dafür nicht.

 

Hat er Fleisch gegessen? – Seine Hauptnahrung ist das Essen armer Leute: Fladenbrot, manchmal etwas Fisch dazu. Asket ist er keiner. Wird er eingeladen, speist er, was ihm vorgesetzt wird. So rät er auch seinen Jüngern: „Wenn man euch aufnimmt, so esst, was man euch vorsetzt.“ (Lk 10,25).

 

Auffällig ist, Jesus dankt immer, bevor er die Gaben der Schöpfung zu sich nimmt. Nicht alles aus der Zeit Jesu ist 1:1 ins Heute übertragbar. Aber das schon: Dankbarkeit tut gut. Gier aber macht unglücklich. Sie zerstört Menschen, Tiere, Pflanzen – Gottes gute Welt.

 

 

31.07.2022

Gott*, Gott+

 

Besuchen auch Sie im Sommer gerne alte Kirchen? Sie sind kühl, ruhig und erzählen von Gott, jede auf ihre Weise. Dass Gott in ihnen meist als „alter Mann“ dargestellt ist, mag heute befremdlich anmuten. Schuld daran ist übrigens eine Stelle im Buch Daniel (7,9), die Gott als „Hochbetagten“ beschreibt. Diese Symbolisierung hat sich später in der christlichen Kunst übermächtig durchgesetzt. Jesus redet Gott als „Vater“ an, allerdings mit dem aramäischen Kosewort „Abba“ (lieber Papa). Und er nennt ihn zugleich „barmherzig“. Im hebräischen Wort für „Barmherzigkeit“ steckt das Wort „Mutterschoß“. Der Gott, den Jesus verkündet, ist kein unerbittlicher Patriarch, sondern liebt zärtlicher als der beste Vater und die beste Mutter.

Wir können über Gott nur in Bildern sprechen, aber es müssen nicht nur „Mannsbilder“ sein. Die Bibel bietet eine Fülle von Bildern und Symbolen an. Freilich gilt immer, was das IV. Laterankonzil 1215 erklärt hat: „Zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf kann man keine so große Ähnlichkeit feststellen, dass zwischen ihnen nicht eine noch größere Unähnlichkeit festzustellen wäre.“ Das heißt: Achtung! Jede noch so richtige Vorstellung von Gott enthält mehr Unrichtiges als Richtiges.

Katholische Jugendorganisationen in Deutschland haben deswegen vorgeschlagen, man möge, wen man das Wort „Gott“ schreibt, es mit einem Zusatzzeichen versehen: „Gott*“ oder „Gott+“. Ich weiß nicht, ob sich das durchsetzt, aber zum Nachdenken darf es anregen. Gott ist uns ganz nahe, aber zugleich alles übersteigend, was wir denken, fühlen und darstellen können.

 

 

16.06.2022

Trotz Gegenwind

 

„Geht das, was Jesus wollte, verloren, wenn die Kirche versagt?“, fragte mich unlängst ein besorgter Freund. Und er zitierte die Bergpredigt: „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten.“ (Mt 5,13) Ein hartes Wort! Ja, leider ist die Kirche für sehr viele Menschen „geschmacklos“ geworden. Warum, ist bekannt: spirituelle Langeweile, unzulängliche Seelsorge, Reformstau, Frauenbild, Skandale, mangelnde Teilhabe des Gottesvolkes an Richtungs-Entscheidungen usw. Die Hierarchie weiß um die Probleme, aber davon werden sie nicht gut; und einfach „weg-managen“ lassen sie sich auch nicht. Verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen, verlangt viel Demut, Arbeit und klare nachvollziehbare Entscheidungen.

 

„Geht das, was Jesus wollte, verloren, wenn die Kirche versagt?“ – Ich habe geantwortet: Nein! Erstens versagt nie die ganze (!) Kirche. Es gibt in ihr immer Menschen, die das, was mit Jesus begonnen hat, mit viel Herz, Engagement und Klugheit leben, Tag für Tag, ohne viel Aufhebens.

Und zweitens: Der Geist Jesu ist nicht an die sichtbaren Grenzen der Kirche gebunden. Oft wirkt er außerhalb und manchmal wirkt er sogar von außen in die Kirche zurück. Wichtige Erkenntnisse, z. B. die Menschenrechte, wurden zuerst außerhalb der Kirche forciert. „Alles Wahre, wer immer es sagt, kommt vom Heiligen Geist“, wusste schon Thomas von Aquin. Und Augustinus lehrt: „Es gibt keine Liebe, die nicht vom Heiligen Geist ist.“ Der Geist Jesu wirkt in dieser Welt – trotz Gegenwind.

 

 

17.4.2022- Ostersonntag

Ostermenschen

 

Vor kurzem wurde im Sonntagsblatt eine junge Frau vorgestellt, die sich als „österlichen Menschen“ bezeichnete. Das hat mich aufhorchen lassen: Was ist ein österlicher Mensch? Nach einigem Suchen stieß ich auf diese Antworten:

 

– ein Mensch, der ausgestreckt ist zwischen Erde und Himmel, zwischen Leid und Jubel, zwischen Karfreitag und Auferstehung.

– ein Mensch, der offen ist für Wunder, für den mit dem irdischen Tod nicht alles vorbei ist, der größte Tiefen durchleiden kann, ohne den Glauben an Gottes Liebe zu verlieren.

– ein Mensch, der andere begleitet, sich ihre Sorgen anhört, ihnen Herz und Augen öffnet und sich ihnen selbst verschenkt.

 

Ich empfehle, diese Zeilen von Irmela Mies-Suermann (pfarrblattservice.de) mehrmals zu lesen und sich zu fragen: Wann bin ich solchen Menschen begegnet? – Mir fallen viele ein. Nur zwei bereits Verstorbene will ich erwähnen: einen Biologieprofessor, der nach vielen Krebsoperationen neben mir im Krankenhaus lag und sich trotz Schmerzen in großer Güte die Sorgen anderer anhörte, und einen Bettler, der mir an einem heißen Sommertag, weil ich kein Geld bei mir hatte, einige Münzen mit den Worten zusteckte: „Diesmal zahle ich dir ein Getränk!“

 

Das bloße Hören der Osterbotschaft bleibt schwach, das gemeinsame Feiern und fröhliche Schmausen macht Ostern schon spürbarer, aber am tiefsten bewegt uns „der Lebendige“, wenn wir österlichen Menschen begegnen. Ostern ist nicht nur ein bewegliches Fest, sondern auch ein bewegendes. Der Auferstandene hat viele Gesichter.

 

 

27.02.2022

Nur diskutieren?

 

„Man soll darüber diskutieren“, sagen Bischöfe oft ausweichend, wenn sie mit jenen Wünschen nach Kirchenreform konfrontiert werden, die schon seit Jahrzehnten (theologisch) ausdiskutiert sind und die ein Großteil der Gläubigen für gut und notwendig hält. Und zwar nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, in Lateinamerika, in Australien und weiten Teilen der katholischen Weltkirche. Nein, es ist nicht die „Weltkirche“, die bremst! Aber was ist es dann?

 

Ist es die Sorge um „Einheit“, sprich: um jene Traditionalisten, die vor jeder Reform mit Schisma drohen? Aber müssten unsere Hirten nicht viel mehr von der Sorge erschüttert sein, dass sich Massen von jungen Frauen und Männern resigniert von der Institution Kirche abwenden, dass immer weniger kluge Köpfe Theologie studieren, dass immer mehr beherzte Gläubige sich lieber außerhalb der Organisation Kirche als in ihr für ihre Mitmenschen, für das Gute und damit für Gott engagieren?

 

Sehr ernst nehme ich den Einwand: Wir müssen tun, was Gott will. Ja, das stimmt. Und genau darum frage ich: Will Gott, dass seine Kirche wie ein autoritärer Staat geführt wird? Ist Gott wirklich gegen die Weihe von Diakoninnen, wie sie z. B. gerade die Ostkirche wieder einführt? Lehnt Gott Verheiratete im Priesterdienst ab? Sind jene Normen der Sexualmoral, die sich zwar wörtlich beim Stoiker Musonius Rufus (100 n. Chr.), aber nicht im Evangelium finden, Gottes eiserner Wille?

 

Immer mehr Gläubige spüren: Gott will es anders. Es ist Zeit zu handeln.

 

 

23.01.2022

Masken

 

Masken sind lustig. So empfanden wird das als Kinder. Gerne versteckten wir uns im Fasching hinter Masken (oder „Larven“, wie wir damals sagten). Jetzt, in Corona-Zeiten, verbinden wir mit „Maske“ eher eigenartige Gefühle. Der Gedanke an Schutz, aber auch an Hindernis ist da, eher lästig als lustig. Im Heimatort meines Vaters, so erzählte er, lebte vor vielen Jahren eine Frau mit schrecklich entstelltem Gesicht. Sie soll gesagt haben: „Der Faschingdienstag ist für mich der schönste Tag. Da trage ich eine Maske und bewege mich frei unter Menschen.“ Eine Geschichte, die mich als Kind tief berührte. Menschen maskieren oder vermummen sich aus verschiedenen Gründen: Spaß, Angst, Schutz, Hygiene …

 

Der Gedanke, dass sich auch Gott vermummt, klingt seltsam. Und doch spricht die Bibel vom „verborgenen Gott“ (Jes 45,15). Er offenbart sich zwar, aber sein Wesen ist für uns nicht fassbar. Im Alltag bleibt sein Wirken meist verborgen. „Gottes Mummerei“ nennt das Martin Luther.

 

Gott zu entdecken, bleibt eine Lebensaufgabe des Menschen. Manche versuchen das in der Schönheit der Natur, andere in Kunst und Musik, wieder andere in heiligen Schriften und Ritualen. Für Christenmenschen gilt das Wort Jesu: „Wer mich sieht, sieht den Vater“. (Joh 14,9) Und wenn uns dann auch noch das gelingt, was wir Liebe nennen, kommen wir Gott in dieser Welt am nächsten. „Niemand hat Gott geschaut, aber wenn wir einander lieben – bleibt Gott in uns!“ (1 Joh 4,12) Das kann keine Maske verhindern.

 

 

12.12.2021

Lichtblicke

 

Schon als Kind – meine Eltern hatten ein Geschäft mit Trafik – fielen mir die großen Schlagzeilen auf den Zeitungen auf. Von Verbrechen, Katastrophen, Skandalen war da zu lesen. „Ist die Welt nur böse?“, fragte ich meine Mutter. „Nein“, meinte sie, „das Böse drängt sich nur in den Vordergrund und verschafft sich gerne Gehör.“ Und sie zitierte dazu sogar die Bibel: „Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe.“ (1Petr 5,8)

 

Wir Menschen sind versucht, dem Bösen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Angst hat die gute Aufgabe, uns vor realen Gefahren zu warnen. Sie kann aber auch entgleisen und zum Vergrößerungsglas für alles Scheußliche werden. Dann wird sie zerstörerisch. Schlimm, wenn Menschen sagen: „Ich kann nicht mehr an das Gute glauben.“

 

Ich habe mir vorgenommen, im Advent meinen Blick für das viele Gute zu schärfen, das tagtäglich ohne viel Tamtam geschieht. Jesus spricht vom „Reich Gottes“, das uns „nahe“ ist. Näher und kraftvoller, als wir denken: „Mein Vater ist immer am Werk und auch ich bin am Werk.“ (Joh 5,16) Viele „barmherzige Samariter/innen“ machen unsere Welt menschlicher und freundlicher, ohne von Gott zu reden. Andere engagieren sich bewusst im Namen Gottes. So oder so, Gottes Liebe ist am Werk. Und jede/r kann mittun. „Es gibt immer zwei Wege, um in einer Welt zu leben, die dunkel und voller Tränen ist: Wir können die Dunkelheit verfluchen, oder wir können ein Licht anzünden.“ (Großrabbiner Jonathan Sacks) – Ich wünsche Ihnen eine lichtvolle Zeit!

 

 

07.11.2021

Synodaler werden

 

Nicht alle in der Kirche freuen sich über die Synode, die der Papst initiiert hat. Manche wollen „den Ball flach halten“. Man weiß: Das Kirchenvolk ist geduldig, aber auch unzufrieden. Wird es gefragt, reagiert es nicht nur harmlos.

 

Nun, der Papst, der auch noch nicht weiß, was bei der Synode herauskommt, hat zumindest drei Stichworte vorgegeben: „Gemeinschaft – Partizipation – Sendung“. Kirche, so Franziskus, ist die bunte Gemeinschaft derer, die getauft sind und an Christus glauben. Nicht nur die Hierarchie hat das Sagen, sondern alle haben einander etwas zu sagen. Ja, jede*r ist (!) für die anderen eine Botschaft. Wir sind uns geschenkt und zugemutet. Und schon viele Jahrhunderte, bevor die Kirche erklärt hat, dass ein Papst in bestimmten Fällen „Unfehlbares“ verkünden kann, wusste sie, dass die Gesamtheit der Gläubigen nicht irrt, sondern „unfehlbar“ ist. Für diese „katholische Schwarmintelligenz“ sorgt der Heilige Geist. Darum braucht es Partizipation in der Kirche: Teilhabe und Austausch, Zuhören und freimütiges Reden, gemeinsames Beten und Ringen, Unterscheiden und Entscheiden. So können geeignete Wege gefunden werden, das Anliegen Jesu heute klarer zu leben. Damit sind wir beim Stichwort „Sendung“. Es ist nicht Mission der Kirche, sich selbst zu erhalten, sondern „den Menschen zu dienen“, darunter besonders den Ärmsten. Nur so bleibt sie Jesus treu.

 

Der Papst nennt auch drei Risiken: „Formalismus“ (man tut so, als ob), „Intellektualismus“ (lebensfremdes Gerede), „Immobilität“ (Änderungsunwillen).

 

Unterstützen wir den Papst auch in der Steiermark, werden wir synodaler!

 

 

03.10.2021

Vielleicht diesmal

 

„Vatikan plant Kirchenreform. Es gilt die Unschuldsvermutung.“ Dieses boshafte Wort schrieb ich vor vielen Jahren in mein Notizheft, lange vor dem Amtsantritt von Papst Franziskus. Denn ihm glaube ich, dass er wirklich Reformen will. Aber gelingen sie? Franziskus ist ein spiritueller Mensch und spürt oft sehr gut, wie das Korsett von Doktrin und Kirchenrecht christliches Leben heute hemmt. Aber er ist kein Wojtyła-Papst, der „von oben herab“ ein neues Kirchenrecht und einen neuen Katechismus verordnet. Er versucht es mit einer Synode, wobei im Vorfeld möglichst viele Gläubige zu Wort kommen sollen. Das ist an sich erfreulich, macht aber auch stutzig. Wie oft wurden die Gläubigen nicht schon befragt?! Unzählige Fragebögen, Pinnwände und Flipcharts wurden in den letzten Jahrzehnten mit Vorschlägen gefüllt. „Man hat uns zugehört, aber es hat sich nichts bewegt“, sagen viele (ehemals) Engagierte.

Das Wort „Synode“ bedeutet „gemeinsamer Weg“, also Beweglichkeit, gemeinsames (!) Suchen nach dem Willen Gottes für unsere (!) Zeit. Ich denke, Franziskus meint es ernst, wenn er dabei verstärkt auf das Volk Gottes und dessen „Glaubenssinn“ setzt. Widerstand ist ihm auch sicher, sollte sich das Machtgefüge ändern. Daher bitte ich alle, denen Kirche wichtig ist, darunter auch enttäuschte Freunde und Freundinnen: Nehmen wir die Einladung des Papstes an! Vielleicht schafft es unsere Kirche diesmal weltweit, (wieder) „synodaler“, geistlicher und menschlicher zu werden. Wer weiß?

 

 

29.08.2021

Ein Tropfen Menschlichkeit

 

Kennen Sie das auch: Sie sitzen vor dem Fernseher, schauen Nachrichten und fühlen sich überfordert? So viel Not in aller Welt: Klimakatastrophen, Pandemie, Kriege …! Was kann ich da als einzelner Mensch tun? Mutlosigkeit beschleicht mich. „Da kann man nur beten“, sagte meine Großmutter in ähnlichen Situationen. Ja, zumindest das kann ich tun, beschließe ich. Und ich bin überzeugt, ein aufrichtiges Gebet hat große Kraft. Aber meist kann ich doch noch etwas mehr tun. Und wenn es nur eine Spende an eine Hilfsorganisation ist, die die Not wenigstens einiger Menschen lindert. Aber ist das nicht nur ein Tropfen im Ozean? Mutter Teresa sagte einmal: „Alles, was wir tun, ist nur ein Tropfen im Ozean. Aber wäre dieser Tropfen nicht, so würde er den Ozeanen fehlen.” Wenn durch meine Spende auch nur ein Kind überlebt, war sie sinnvoll. Vielleicht wird dieses Kind Arzt und rettet später viele Leben? Ich weiß es nicht. Liebe soll klug, aber nicht berechnend sein. Egoisten werden immer einen Grund finden, nichts zu tun. „Man kann nicht allen helfen, sagt der Engherzige – und hilft keinem.“ (M. v. Ebner-Eschenbach).

 

Und noch etwas kann ich als Christ in unserem Land tun. Ich kann mich fragen, welche Politik ich mit meiner Stimme unterstütze. Wer prahlt mit nationaler Kaltherzigkeit? Beim wem spüre ich, dass ihm die Not der Ärmsten zu Herzen geht? Wer versteckt sich hinter (änderbaren) Vorschriften? Wer ist bemüht um das „Menschlich-Mögliche“? – Ich habe die Wahl. Hin und wieder zumindest.

 

 

25.07.2021

Gnadenbild

 

Ich jogge in der Früh gerne an der Mur. Es ist für mich eine gute Zeit zum Beten und Meditieren. Vor ein paar Tagen – ich bedenke gerade den Satz „geboren von der Jungfrau Maria“ – kommt mir eine Wallfahrergruppe mit Vortragskreuz entgegen. Es folgt ein freundliches Gespräch und ich bitte die gut gelaunten Männer und Frauen schließlich, auch meine Anliegen nach Mariazell „mitzunehmen“.

 

Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen pilgernd auf den Weg machen, aber es ist auffällig, dass das Ziel sehr oft ein Marienwallfahrtsort ist. Die Mutter Jesu ist bis heute für viele ein berührendes Bild der Zärtlichkeit Gottes. Vor ihr muss man nicht mit Leistungen aufwarten; ihr kann man die Wunden des Lebens anvertrauen; sie hält Zweifel und Unsicherheiten gut aus und ist auch in scheinbar auswegloser Situation einfach da, schweigt und zeigt uns Jesus. Das alte Wort „Gnadenbild“ hat hier seinen schönsten Sinn.

 

Die evangelische Theologin Dorothee Sölle hat einmal geschrieben: „Die Bilder der Muttergottes erinnern uns an unsere eigenen Sehnsüchte nach einem anderen Leben. […] Sie erinnern uns daran, wie innerhalb der religiösen Tradition Ängste und Wünsche einfacher Leute benennbar und darum heilbar wurden, sodass die Welt nicht nur ein unbegreiflich wirres ‚Getümmel‘ blieb, sondern ein Hinweis auf das Land der Freiheit, das wir Himmel nennen, wurde.“

Und der Himmel beginnt nicht erst nach dem Tod. Er wächst schon jetzt in uns und um uns.

Ich wünsche Ihnen einen himmlisch guten Sommer.

 

 

20.06.2021

Und sie lehren doch

 

„Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht!“ (1 Tim 2,12) Dieses mit der Autorität des Paulus untermauerte Bibelwort hätte Päpste dazu bewegen können, allen Frauen für immer zu verbieten, öffentlich den Glauben zu verkünden. „Wir sehen uns nicht bevollmächtigt, das zu erlauben“, hätte ein Papst, auf die Bibel pochend, sagen können. Zum Glück kam es nie dazu. Man erkannte dieses Wort als zeitbedingte Anordnung, bestimmten Situationen geschuldet. Ein zeitloses Verbot wurde nicht daraus. Gott sei Dank!

 

Heute gibt es viele Frauen, die als Religionslehrerinnen, Seelsorgerinnen, Katechistinnen und Theologinnen im Auftrag der Kirche das Evangelium verkünden und erklären. Und sie tun es großteils gut, jedenfalls nicht schlechter als männliche Kollegen. Ihre Glaubens- und Lebenserfahrungen sind aus dem Leben unserer Kirche nicht mehr wegzudenken.

 

Ob Frauen auch einmal zum geistlichen Amt geweiht werden? Ein Bibelwort, das dagegenspricht, gibt es nicht. Und die kirchliche Tradition kennt zumindest das Amt der Diakonin. Manche Ostkirchen, deren Sakramente auch von unserer Kirche anerkannt sind, weihen (wieder) Diakoninnen. Ihre Weihe wird dabei nicht nur als „Segnung“ verstanden, wie manche westlichen Theologen abwertend meinen. Sie sind nicht weniger „geweiht“ als männliche Diakone. Die römische Kirche ist hier zaghafter, definiert „Amt“ und „Sakrament“ oft sehr eng. Die Gründe sind bekannt, freilich für immer weniger Menschen einsichtig. Bibel und Tradition sind keine leblosen Betonklötze. Gottes Geist lebt, ermutigt und macht kreativ. - „Löscht den Geist nicht aus!“ (1 Thess 5,19)

 

 

16.05.2021

Bevorzugt

 

Es ist geschmacklos, wenn mitten in der Corona-Krise ein Wiener Innenstadt-Priester in der Zeitung ungeniert von seinem Wohlstand labert: „Supermärkte kenne ich nur vom Segnen, nicht vom Einkaufen. Ich wüsste nicht mal, wo ich dort Milch oder Butter finde. Darum nehme ich zurzeit Essensgeschenke gern an.“ Im Lockdown fallen ja Abendtermine mit gutem Essen aus. Über seine Köchin, die für den Mittagstisch sorgt, sagt er: „Fischgerichte waren anfangs nicht ihre Stärke. Ich habe dann Haubenkoch Manfred Buchinger gebeten, sie unter seine Fittiche zu nehmen. Nach vier Tagen Crashkurs beherrschte sie schließlich auch die Fischzubereitung.“

 

Es geht mir nicht darum, hier einen beliebten „Seitenblicke-Seelsorger“ mit Steinen zu bewerfen. Der Mann hat auch seine großen Verdienste. Aber diesmal hat er wohl aus lauter Freude über sich selbst das Gespür für jene Leser und Leserinnen verloren, die unter der Pandemie schwer leiden, die um ihren Arbeitsplatz bangen und nicht wissen, wie sie mit ihrer Familie über die Runden kommen werden.

 

Ich selbst gehöre zu den vom Schicksal Bevorzugten. Ich beziehe regelmäßig meine Pension, niemand in meiner Familie ist ganz schwer an Corona erkrankt, niemand vom Jobverlust bedroht. Da vergisst man allzu leicht die „anderen“. Der Papst hat Recht, wenn er die „Bevorzugten“ und „Krisengewinner“ (auch die gibt es!) auffordert, über die eigene Schicksalsblase hinauszuschauen, hinauszufühlen und auch etwas vom eigenen Wohlstand abzugeben. Beherzigen wir seinen Aufruf. „Liebe deinen Nächsten – er ist Mensch wie du!“   

 

 

11.04.2021

Eine unglaubliche Geschichte?

 

Schließlich war auch der skeptische Apostel Thomas überzeugt: Der Gekreuzigte lebt, er ist auferstanden! – Aber so eine Botschaft klingt verrückt und gar nicht erfolgversprechend. Denn ein Gekreuzigter galt damals als von Gott verflucht. Mit einer solchen Message war nichts zu holen. Man behält sie besser für sich. Außer man macht eine so tiefe und einmalige Erfahrung, dass man sie nicht verschweigen kann.

 

Pinchas Lapide, der sich als jüdischer Theologe intensiv mit Jesus beschäftigt hat, ohne selbst Christ zu werden, schreibt: „Wenn diese verängstigte Apostelschar, die eben dabei war, alles wegzuwerfen, um in heller Verzweiflung nach Galiläa zu flüchten; wenn diese Bauern, Hirten und Fischer, die ihren Meister verleugneten und dann kläglich versagten, sich plötzlich in eine überzeugte Missionsgesellschaft verwandeln konnten, so genügt keine Vision oder Halluzination, um solch einen revolutionären Umschlag zu erklären.“

Da geschah etwas Besonderes von Ostern bis Pfingsten. Ja, hier passt das Wort „Geheimnis“. Denn „Auferstehung“ ist weder einfach die Wiederbelebung einer Leiche noch bloß das geistige Weiterleben einer Person, auch nicht nur inneres Erleben der Jünger. Es übersteigt physikalische, biologische und psychologische Kategorien.

 

Für mich heißt „Auferstehung“: Jesus lebt wirklich auf neue Weise in Gott, unter uns, in uns! Liebende Augen können mehr und tiefer sehen. Ich wünsche uns allen solche Osteraugen – und einen schönen Frühling.

 

 

07.03.2021

So arbeitet Gott

 

„Warum schafft Gott die Bösen nicht einfach ab?“, fragt der kleine Timo seine Eltern. Auch Erwachsene fragen sich manchmal angesichts des Bösen in der Welt: Warum greift er nicht ein? Wer hat sich noch nie gewünscht, Gott möge über Nacht die Welt in ein Reich des Friedens verwandeln? Aber Gott tut das offensichtlich nicht. Er lässt Unkraut neben dem Weizen wachsen und seine Sonne über Gute und Böse scheinen. „Zwangsbeglückungen“ sind nicht seine Sache. Erlösung über die Köpfe hinweg gibt es nicht. Vielmehr wirbt Gott um die Freiheit des Menschen, „redet uns zu Herzen“, wie die Bibel sagt (Jes 40,2), ruft zur Umkehr, appelliert an unsere Fantasie für das Gute. So arbeitet Gott.

Die Menschen um Jesus, erzählt die Bibel, haben das auf wunderbare Weise erfahren. Sie begegnen in ihm der Liebe und Großzügigkeit Gottes und spüren: Unser Leben ist in guten Händen – und die ganze Welt auch! Diese Erfahrung verändert sie: „Sünder" wagen einen Neubeginn, Reiche teilen ihre Habe, Kranke werden gesund, Gekrümmte richten sich auf, seelisch Zerrüttete finden Ruhe und Ausgestoßene Freundschaft. Weil sie Gott als großzügig erfahren, werden sie selbst großzügig, lernen verzeihen, verzichten auf Rache und Gewalt. Wer sich auf Jesus einlässt, erfährt die vielfältige Kraft des Guten. Auch heute. Ich wünsche dem kleinen Timo und uns allen Verständnis für den Weg Gottes in der Welt. Gehen wir mit. „Wir können täglich Böses in Gutes verwandeln.“ (Papst Franziskus)

 

 

31.01.2021

Kein Moment ohne Gott

 

Auf die Frage, was ihm persönlich im Leben Orientierung gebe, antwortet der renommierte Quantenpysiker Anton Zeilinger in einem FURCHE-Interview (30.11.2020): „Die Überzeugung, dass es etwas Transzendentes gibt. Manche Menschen nennen das Gott, oder wie auch immer. Für mich ist das sogar mehr als eine Überzeugung, nämlich eine wichtige Erfahrung meines Lebens: dass die Welt nicht nur materiell ist. Diese Erfahrung habe ich interessanterweise schon immer gehabt. In meinem Leben gab es keinen Moment ohne Gott.“ Und auf die Zusatzfrage zum Verhältnis Wissenschaft und Religion meint er: „Vereinfacht gesagt lassen sich die Spannungen zwischen Wissenschaft und Religion darauf zurückführen, dass beide Seiten ihren Kompetenzbereich überschreiten: Wenn etwa Naturwissenschaftler behaupten, sie könnten die Evolution restlos erklären, übersehen sie, dass sie den Zufall […] eben nicht erklären können. Auf der anderen Seite nehmen religiöse Fundamentalisten die Bibel wortwörtlich […]. In Wahrheit ergänzen Wissenschaft und Religion einander.“ Zeilinger wirbt immer wieder für das Gespräch zwischen Naturwissenschaft und Kirche. Auch wissenschaftlich gebildete Menschen suchen Spiritualität. Leider fehlt es in der Kirche oft an geeigneten Gesprächspartner*innen. Die Kirche verbraucht derzeit (zu) viele Kräfte für Selbstorganisation und Reform-Widerstand. Der Ruf Jesu ist da leicht zu überhören: „Suchet zuerst das Reich Gottes – alles andere wird euch dazugegeben!“ (Mt 6,33/Lk 12,31)

 

 

20./27.12.2020

Verloren?

 

Eine befreundete Lehrerin hat mich darauf aufmerksam gemacht: Das Jugendwort 2020 ist „lost“. Mit diesem englischen Wort bezeichnen Jugendliche jemanden, der unsicher, planlos, überfordert, verloren, also irgendwie neben der Spur ist. Wer „lost“ ist, steht daneben - in Schule, Sozialkontakt, Arbeit oder überhaupt im Leben. Kennen auch Sie dieses Gefühl, „lost“ zu sein?

 

Die Bibel erzählt: Jesus ist gekommen, „zu suchen und zu retten, was verloren ist“ (Mk 2,17). Die, die „lost“ sind, haben einen besonderen Platz in seinem Herzen. Wer meint, ganz in Ordnung oder gar moralisch besser zu sein als andere, wird Jesus kaum verstehen. Wer aber auch in sich das Verlorene spüren kann und weiß, dass er Heilung braucht, ist – so Jesus – Gott schon nahe.

 

„Welt ging verloren, Christ ist geboren“, singen wir in einem Weihnachtslied. Dort, wo wir das Dunkle, Unglückliche, Verlorene in uns anerkennen und der Güte Gottes anvertrauen, kann aus Unheil Heil werden – für uns und für andere. Gott geht dabei oft auch Umwege mit den Menschen. Die Bibel ist voll von solchen Beispielen. In einer schwierigen Lebenssituation tröstete mich einmal ein Seelsorger: „Dort, wo du dich am wenigsten magst, ist Gott dir besonders nahe. Und wenn du nichts mehr mit dir anfangen kannst, will er etwas Neues in dir beginnen.“ Dafür ist Jesus geboren, dafür hat er gelebt und geliebt „bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Verlorenes kann gefunden, Zerbrochenes heil werden. Das zu hoffen, heißt Weihnachten feiern.

 

 

15.11.2020

Herzblut

 

Die Krankenhausseelsorgerin betritt das Zimmer. Nein, er brauche keine Seelsorge, sagt der Patient. Aber dann wird doch ein tiefes Gespräch daraus, „weil sie“, wie er später anerkennt, „so ein offener lieber Mensch ist und etwas vom Leben versteht“.

Ein Priester schreibt mir, er ärgere sich über gewisse kirchliche Verordnungen, aber die Begegnung „mit den Menschen vor Ort“ mache ihm täglich viel Freude. „Die Leute“ sind ihm wichtig.

Eine Religionslehrerin zeigt mir mit Begeisterung ihre gründlichen Vorbereitungen für den Unterricht: „Ich habe junge Menschen so gerne.“ Viel Herzblut fließt in ihre Arbeit.

 

Drei Menschen, die stellvertretend für viele stehen, die beruflich im Auftrag der Kirche arbeiten und es mit Herz, Klugheit, Fantasie und wachem kritischen Geist tun. Sie sind nicht immer bequem, aber voll Feuer. Ihnen gelten heute meine besondere Aufmerksamkeit und mein Dank. Die wichtigste Aufgabe kirchlicher Führungskräfte sollte es sein, solche Menschen aufzuspüren und zu fördern.

 

„Homo factus est“, heißt es im Großen Credo über Jesus: „Er ist Mensch geworden“. Bevor er ein Wort gepredigt oder ein Wunder gewirkt hat, ist er unser Mitmensch geworden. So beginnt Erlösung. Von Mensch zu Mensch. Das ist der Weg Gottes. Nur wer die Menschen gern hat, kann mit Ihnen Gott entdecken. Gute Seelsorgerinnen und Seelsorger wissen das und arbeiten so. Ob die Kirche als Organisation dadurch wieder rasch an Ansehen gewinnt, weiß ich nicht. Aber das Reich Gottes wächst so – unaufhaltsam.

 

 

11.10.2020

Anstoß aus Dresden

 

„Sie haben mir ihre Lebens- und Glaubensgeschichten erzählt. Das hat mich bewegt, weil ich gemerkt habe, welch ein Ringen da stattfindet. Sie wollen Christen sein und ihren Glauben auch in der Kirche leben. Und da will ich sie nicht alleine lassen.“ Das sagt Bischof Heinrich Timmerevers (Dresden) nach mehreren intensiven Begegnungen mit schwulen, lesbischen, bi- und transsexuellen Gläubigen in seiner Diözese. Er will die Seelsorge für die Lebenssituation dieser Gläubigen sensibilisieren und plädiert auch dafür, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen: „Man muss sich natürlich über die Form Gedanken machen. Aber grundsätzlich würde ich solch eine Öffnung begrüßen.“ Dieses Bemühen des Bischofs stößt bei manchen Kollegen und Kirchenmitgliedern allerdings auch auf Befremden und Widerstand. Denn die moraltheologische Tradition der Kirche hat Homosexualität verworfen, oft verteufelt, zumindest für krank erklärt. Die Bibelstellen, auf die man sich dabei berufen hat, haben wenig mit dem zu tun, was wir heute „gleichgeschlechtliche Liebe“ nennen, sondern betreffen homosexuelle Vergewaltigung, blinde sexuelle Gier, Sex mit Abhängigen usw. Darauf hat schon vor vielen Jahren Kardinal Martini hingewiesen. Jesus selbst hat bekanntlich zu diesem Thema nichts gesagt. Die katholische Kirche – so Timmerevers – wird sich aufgrund neuer Einsichten „neu positionieren“ müssen (wie sie es auch in anderen ethischen Fragen schon getan hat). Ich meine, der Bischof von Dresden verdient es, gehört zu werden.

 

 

06.09.2020

Menschlichkeit

 

Sie wurde zwar evangelisch getauft, fühlte sich aber schon früh als Atheistin und lebte auch so. Erst heftige Angriffe auf die Religion durch fanatische Atheisten weckten in ihr das Interesse an Glaube und Kirche. Sie wollte sich ihre eigene Meinung bilden. 2018 ist Meike Kröger dann katholisch geworden. Viele Bekannte verstehen diesen Schritt nicht, da Meike nach wie vor den Demokratie-Mangel in der katholischen Kirche kritisiert und die Priesterweihe für Verheiratete und Frauen für überfällig hält.

 

Wie kam es also zum Kircheneintritt?

„Ich nahm Kontakt zu Menschen auf, die in der Kirche aktiv sind“, erzählt sie katholisch.de: „Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Ordensmenschen, Priester. Etliche meiner Vorurteile sind zusammengefallen, weil ich gemerkt habe, dass es so viele engagierte, bodenständige Menschen waren und sind, klug und kritisch. Dann kam eine persönliche Krisenzeit durch Krankheit und Tod in meiner Familie. Da suchte ich erstmals in diesem Umfeld Unterstützung. Meine skeptisch-atheistische Haltung wurde akzeptiert, und ich fühlte mich nie religiös vereinnahmt, sondern frei, meinen eigenen Zugang zu suchen. So hat sich das entwickelt.“

 

Mit ihrem Kircheneintritt ist sie nicht unkritisch geworden. Sie versteht auch Menschen, die austreten. Überzeugt hat sie nicht der Katechismus, sondern Gläubige, die das Leben ihrer Mitmenschen ernst nehmen.

„Wir gehen vom Leben der Menschen aus“, steht im Zukunftsbild unserer Diözese. – In Gottes Namen, das wär’s!

 

 

02.08.2020

Miteinander?!

 

Wieder einmal ist ein Dokument aus Rom gekommen. Diesmal eine Instruktion über Pfarre und missionarische Seelsorge aus der Kleruskongregation. Nicht, dass ich mir davon besondere neue Impulse erwartet hätte, aber ein bisschen mehr Mut wäre schon schön gewesen.

 

Das Schreiben enthält durchaus stimmige Zeitanalysen und viele wunderbare Zitate von Papst Franziskus, die ich voll mittragen kann. Aber es ist wie so oft bei Mutter Kirche: Man redet gern von Reform, von „pastoralem Miteinander“ und neuen Wegen der Seelsorge – aber eines darf sich dabei nicht ändern: das Kirchenrecht. Und auf keinen Fall die Vorrechte des Klerus.

 

Laien sollen ihre finanziellen Beiträge leisten und dürfen in der Kirche mitarbeiten bis zum Umfallen, aber letztlich will man nur, dass sie „den Priester in seiner Arbeit unterstützen“. Wirklich mitentscheiden oder kirchliche Macht kontrollieren dürfen sie (noch) nicht.

 

Nur wenn die Kirche durch Fehler der Hierarchie bereits an die Wand gefahren worden ist und man doch nicht aufgeben will, wenn Arbeit ansteht, für die schon lange geeignete und sogar ungeeignete Priester fehlen, dann wird betont: Wir alle sind Kirche! Geht es aber um lang erwünschte Reformen des Kirchenrechtes, damit wirklich Neues möglich wird, gilt noch immer: Kirche ist Amt.

 

Übrigens: Was die Rechte aller Getauften angeht, ließe sich von orthodoxen und evangelischen Geschwistern viel lernen.

 

Ja, das waren diesmal zornige Zeilen. Ich hoffe, sie spüren auch die Sorge und Liebe dahinter.

 

 

28.06.2020

Gott und Twitter

 

Wer das Wort „Twitter“ hört, denkt rasch an US-Präsident Donald Trump. Er nützt dieses weltweite öffentliche Nachrichtenmedium exzessiv, um seine Sprüche loszulassen, (nachweislich) oft verlogen und inhuman. Schamlos spannt er dafür auch Gott und die Bibel vor seinen politischen Karren.

 

Aber auf „Twitter“ findet man auch andere Stimmen, leisere, zutiefst menschliche. So „twitterte“ am 28. Mai eine junge Frau:

„Vor wenigen Wochen haben mein Mann und ich einen Säugling mit Downsyndrom adoptiert. Seither bekommen wir von vielen Seiten zu hören, wie bewundernswert wir wären… Ich weiß natürlich die Anerkennung und den Respekt zu schätzen. Allerdings hat das Ganze für mich auch einen weniger schönen Beigeschmack. Wir sind keine Helden oder Heiligen. Wir haben einfach nur ein Baby adoptiert. Ein Baby mit einem kleinen Extra, aber dennoch ein Baby wie jedes andere. Letztlich ist es immer mutig, ein Kind großzuziehen… Hätten wir ein leibliches Kind bekommen, wäre es vielleicht auch mit einer Behinderung auf die Welt gekommen. Dann hätten wir es genauso angenommen… Und: kein Kind ist perfekt. Wir jedenfalls sind sehr glücklich mit unserem Baby.“

 

Ich weiß nicht, ob diese Frau religiös ist. Sie erzählt einfach, wie sie lebt und liebt. Sie trägt weder ein Kreuz, noch eine Bibel, noch einen „Pro-Life“-Slogan vor sich her, aber sie hinterlässt in mir den Eindruck: Das hat viel mit dem zu tun, was Jesus „Reich Gottes“ nennt.

Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sommer - voller Leben!

 

 

24.05.2020

Krise und Phantasie

 

Krisensituationen regen die Phantasie an. Und das ist zunächst einmal gut. Menschen entwickeln erstaunlich gute Ideen, um sich und anderen zu helfen, Not zu lindern, Krankheiten zu besiegen usw.

 

Aber es gibt auch die dunkle Seite: Verschwörungsphantasien. Beim Brand Roms bezichtigte Nero die Christen, Feuer gelegt zu haben; in der Pestzeit beschuldigten Christen die Juden, Brunnen zu vergiften; am Anfang der Neuzeit verurteilten katholische und protestantische Richter Hexen als Ursache für Unwetterkatastrophen. Ja, zu jeder Zeit (er)fand man für Unglücksfälle, die man nicht durch beweisbare Fakten klären konnte, Schuldige: die Jesuiten, die Protestanten, die Freimaurer, den Vatikan… - und immer wieder die Juden.

 

Dass auch die Corona-Pandemie nicht nur konstruktive Energien, sondern bei manchen Menschen dunkle Phantasien freisetzen wird, war von Anfang an klar. (Dass sich dazu auch einige Bischöfe und Kardinäle hinreißen ließen, hat mich dennoch verwundert.) Rasch sind Überzeugungsgemeinschaften entstanden, die sich als Opfer dunkler Mächte wähnen und mit Eifer Feindbilder zimmern. Und es gibt andere, die Ängste politisch nützen.

 

Als Christ erinnere ich mich in Krisenzeiten gerne an das Jesuswort: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!" (Mk 14,38) WACHT! – also träumt nicht, seid nüchtern, prüft Fakten, seid realistisch und kritisch! Und BETET! – vertraut in jeder Situation Gott, bittet um klaren Verstand, um Phantasie und Kraft zum Guten! So widersteht ihr der Versuchung, andere zu dämonisieren, euch unkritisch Führern zu unterwerfen oder gar zu verzagen.

 

 

 

19.04.2020

Osterglaube

 

Ich mag ehrliche Atheisten. Dazu gehört die Schriftstellerin Simone de Beauvoir (+1986). Konsequent denkt sie ihren Unglauben zu Ende und gesteht in ihren Memoiren: „Manchmal ist mir der Gedanke, mich ins Nichts aufzulösen, genauso abscheulich wie früher. Voller Melancholie denke ich an all die Bücher, die ich gelesen, an all die Orte, die ich besucht habe, an das Wissen, das sich angehäuft hat und das nicht mehr da sein wird. Die ganze Musik, die ganze Malerei, die ganze Kultur, so viele Bindungen: plötzlich bleibt nichts mehr ... Nichts wird stattgefunden haben.“ 

 

Wenn Ostern nur ein schönes Frühlingsfest ist und keine tiefere Wahrheit über Tod und Leben enthält, muss ich mich mit einem letzten Blackout abfinden.

Nein, es ist keine Selbstverständlichkeit, an die Auferstehung zu glauben. Nicht nur Thomas hatte da Probleme. Auch von den anderen Aposteln heißt es noch 40 Tage nach Ostern: „Einige aber hatten Zweifel.“ (Mt 28,17)

 

Ich brauche wohl ein liebendes Herz wie Maria Magdalena, um jenen Gott zu „finden“, der die Lebensgeschichte meiner Lieben und auch meine Lebensgeschichte im Tod auffängt, sie heilt und vollendet. Doch auch hier höre ich: „Halte mich nicht fest!“ (Joh 20,17)

 

„Der Glaubende wie der Ungläubige haben, jeder auf seine Weise, am Zweifel und am Glauben Anteil. Keiner kann dem Zweifel ganz, keiner dem Glauben ganz entrinnen.“ (Joseph Ratzinger) So gehe auch ich meinen Weg mit Glaubens- und Unglaubenszweifeln – voll Hoffnung und voll Sehnsucht nach dem Gott des Lebens.

 

Das war heute sehr persönlich von mir. Aber Ostern geht nicht anders.

Schönen Weißen Sonntag!

 

 

15.03.2020

Papst, Frauen, Amazonien

 

Nein, das Frauenbild, das mein Lieblingspapst im Schreiben Querida Amazonia skizziert, ist gut gemeint, aber überzeugt mich nicht. Meine Großmutter (*1908) hätte es noch bejaht, meine Mutter (*1930) schon bezweifelt, jüngere Frauen lehnen es ab, auf einen „weiblichen Stil“ fixiert zu werden. Dass Frauen nach dem Vorbild Mariens Gottes Zärtlichkeit leben sollen, ist zwar gut und schön, aber gilt das nicht auch für Männer? Und die Sorge, durch eine Weihe würden Frauen gefährlich „klerikalisiert“, klingt seltsam. (Übrigens wurde in früherer Zeit auch Maria als Priesterin verehrt und im Messkleid dargestellt, ehe Rom das 1916 verbot.)

Mut macht hingegen, was der Papst andernorts gesagt hat: „Seit Paul VI. Teresa von Avila und Katharina von Siena zu Kirchenlehrerinnen erhoben hat, kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Frauen die höchsten Stufen der Glaubensweisheit erreichen können.“ (Ratzinger-Preis-Verleihung 2018)

 

Zum größten Teil und zum Hauptinhalt (!) von Querida Amazonia sage ich dankbar ja:

„Ich träume von einem Amazonien, das für die Rechte der Ärmsten kämpft... Ich träume von einem Amazonien, das seinen charakteristischen kulturellen Reichtum bewahrt...Ich träume von einem Amazonien, das die überwältigende Schönheit der Natur eifersüchtig hütet... Ich träume von christlichen Gemeinschaften, die in Amazonien der Kirche neue Gesichter mit amazonischen Zügen schenken.“ Hier spüre ich den Herzschlag des Papstes. Das schmeckt nach Zukunft. Hier verstehe ich ihn und folge ihm gerne.

 

 

02.02.2020

Katastrophe oder Chance?

 

Als der heilige Karl Borromäus 1570 als zuständiger Bischof die Schweiz besuchte, stellte ihm der Pfarrer von Altdorf stolz seine acht Kinder vor. Das ist nur eines von vielen Beispielen dafür, dass sich der Priester-Zölibat in der Kirche nie ganz durchgesetzt hat, obwohl Päpste sich bemüht haben, ihn gesetzlich abzusichern, und bis heute viele engagierte Priester nach dem Vorbild Jesu glaubwürdig im Zölibat leben.

2019 hat nun die Amazonien-Synode mit großer Mehrheit Papst Franziskus gebeten, für priesterarme Gebiete am Amazonas auch Verheiratete zur Weihe zuzulassen. Kardinal Sarah bezeichnet dieses Ansinnen als „pastorale Katastrophe“. Auch andere Gruppen, vor allem in den USA, sehen in jeder „Aufweichung des Zölibates“ den Untergang der römisch-katholischen Tradition.

Verschwiegen wird dabei oft, dass schon Pius XII. (+1959) Verheiratete zur Priesterweihe zugelassen hat, nämlich konvertierte evangelische Pfarrer. Das ist seither gängige Praxis, wenn verheiratete Pastoren katholisch werden. Wenn es nun gut römisch ist, jemanden aus „persönlichen Gründen“ von der Zölibatspflicht zu befreien, kann eine solche Befreiung aufgrund großer pastoraler Not nicht un-katholisch sein. Freilich fürchten manche, das Amazonas-Beispiel könnte Schule machen – auch bei uns. Auszuschließen ist das nicht. Österreichs Bischöfe sagen zwar, dass wir keine Priesternot haben, aber das Kirchenvolk sieht das oft anders.

Braucht auch Österreich neue Wege? Welche Wege zeigt uns Gott? Was denken Sie?

 

 

15.12.2019

War Jesus katholisch?

 

„Katholisch“ wird heute meist nur als Konfessionsbezeichnung verwendet. Ursprünglich bedeutet dieses Wort: universal, offen für alle, aus der Fülle Gottes lebend. In diesem Sinn war Jesus ohne Zweifel katholisch. „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen“, sagt das Johannesevangelium (1,16). Und als Christ glaube ich: Jesus hat uns Menschen alles gebracht, was wir brauchen, um sinnvoll glauben, leben und lieben zu können.

Unsere Kirche ist immer nur in abgeleiteter Weise katholisch. Sie hat den Auftrag, die in Christus geschenkte Fülle allen Menschen aller Zeiten und Orte weiterzugeben und vorzuleben. Dass sie dabei oft auch engstirnig geworden ist und die Lebenswirklichkeit der Menschen nicht immer hinreichend respektiert, trübt ihre praktische Katholizität.

Das Katholisch-Sein lässt sich auch nicht zwischen zwei Buchdeckeln eines Katechismus einfangen und für immer festschreiben, sondern ist lebendige Tradition, die das Alte von Zeit zu Zeit kritisch prüft, das Beste und Schönste davon bewahrt, aber auch Neues zulässt und mutig integriert: neue Formen der Spiritualität, des Gottesdienstes, der Lebensgestaltung und Beziehungskultur, der Seelsorge, der kirchlichen Ämter und Dienste. Wir haben das Evangelium in seiner Fülle noch längst nicht ausgeschöpft. „Stückwerk ist unser Erkennen“, sagt Paulus (1 Kor 13,9). Es gibt noch so vieles zu entdecken – für die Kirche als ganze und für mich persönlich. Insofern ist „katholisch“ ein Zukunftswort. Ich bin gern katholisch.

 

 

03.11.2019

Gottlos?

 

Viele Eltern und Großeltern leiden darunter, dass ihre Kinder und Enkelkinder mit Kirche und Gottesdienst wenig anfangen können. In ihnen brennt die Frage: Was haben wir in der Erziehung falsch gemacht? Gutgemeinte Predigten, die vor allem die Familie für das, was man „Glaubensverlust“ nennt, verantwortlich machen, gießen Öl ins Feuer – und sind selten hilfreich.

Ja, junge Leute gehen heute oft andere Wege. Das hat viele Gründe und liegt meist nicht an den Eltern. (Auch Eltern früherer Generationen waren keine Engel.) Die Welt ist anders geworden. Den Jungen stehen heute viele Sinnangebote und Lebenshilfen offen. Familie und Freunde stehen hoch im Kurs, aber Kirche gilt als unbeweglich, lebensfremd, oft auch heuchlerisch und – besonders schlimm für junge Leute – langweilig und fad.

Warum das so ist, darüber müssen sich vor allem jene den Kopf zerbrechen, die für die offizielle Gestalt der Kirche verantwortlich sind.

Sind unsere jungen Leute gottlos?

Karl Rahner hat einmal gesagt: „Es ist nicht so leicht, Jesus Christus zu entgehen. Denn es wird offenbar werden, dass viele ihn im Geringsten seiner Geschwister gefunden haben, ohne ihn beim Namen nennen zu können.“

Und tatsächlich, ich staune immer wieder, wie viele junge Menschen sich für Mitmenschen in Not engagieren. Ohne es zu ahnen, arbeiten sie für das „Reich Gottes“, für das Wachstum der Liebe Gottes in unserer Welt. Nein, sie sind nicht gottlos. Und die Kirche? Sie ist nicht „geistlos“. Wandlung und Erneuerung sind möglich.

 

 

22.09.2019

Vor der Wahl

 

Ja, ich ärgere mich, wenn Politiker kritikwürdige Machenschaften oder gar unmenschliche Verhaltensweisen ihrer Partei oder Gefolgschaft damit rechtfertigen, dass dadurch das Gesetz ja nicht verletzt worden sei. Es scheint für sie okay zu sein, Gesetze auszureizen, ja sogar zu übertreten, wenn keine spürbaren Sanktionen zu befürchten sind. Einer meiner Religionslehrer hat einmal gesagt: Man kann alle staatlichen Gesetze halten und doch ein Schuft sein! Ich wusste damals nicht, wie recht er hatte. Und nie hätte ich mit 15 gedacht, dass mir Worte wie „Moral“ und „Anstand“ noch einmal so wichtig werden.

Liebe Politiker und Politikerinnen, es reicht mir nicht, dass ihr nicht kriminell werdet! Auch wenn Hartherzige und Gedankenlose das Wort „Gutmensch“ zum Schimpfwort gemacht haben, erwarte ich von euch, dass ihr Gut-Menschen sein wollt: Menschen, die nicht nur nach Umfragen schielen, sondern nach bestem Wissen und Gewissen (!) das Gute suchen, trotz Gegenwind andere davon zu überzeugen versuchen und es schließlich auch klug umsetzen.

Wen ich wählen werde?

Meine Stimme will ich jenen geben, denen ich zutraue, dass ihnen die Bewohnbarkeit unseres Planeten als „gemeinsames Haus“ ein ehrliches Anliegen ist, die sich tapfer für Menschenrechte und ein konstruktives Miteinander von Menschen verschiedener Herkünfte, Kulturen und Religionen einsetzen und die in ihrer Praxis eine Vorliebe für die Ärmsten in unserem Land und in aller Welt erkennen lassen.

Noch habe ich Zeit zum Nachdenken.

 

 

11.08.2019

Frauen mit Vollmacht

 

Sie sind Frauen, tragen Mitra, Bischofsstab und Bischofsring und leiten im Auftrag des Papstes eine Diözese: die Äbtissinen von San Benedetto in Conversano (Apulien). Vom 13. Jahrundert bis 1810 bestellen sie wie ihre männlichen Bischofskollegen Pfarrer, wachen über die Seelsorge, erteilen Beicht- und Predigtvollmacht und – auch das kommt vor –schicken straffällig gewordene Kleriker ins Gefängnis. Frauen mit bischöflicher Leitungsvollmacht – und das alles ganz katholisch! Kein Einzelfall. Quer durch Europa gab es an die 40 Abteien, an deren Spitze Frauen standen, die zwar keine Priesterweihe hatten, aber Diözesen leiteten und denen Pfarrer Gehorsam versprechen mussten. Eine fast vergessene 1000-jährige katholische Tradition, die erst im 19. Jahrhundert ihr Ende fand.

Daran erinnerte der Kirchenhistoriker Hubert Wolf vor rund einem Monat in einem Beitrag des Bayerischen Rundfunks. Natürlich lassen sich solche historischen Modelle nicht einfach wiederbeleben – und dafür plädiert Wolf auch nicht – aber die Kirchengeschichte zeigt zumindest, dass es dogmatisch nicht unmöglich ist, Frauen auch sehr hohe Leitungsvollmacht in der katholischen Kirche zu geben, sogar über geweihte Männer.

Die Tradition der katholischen Kirche ist viel weiter und bunter, als „Traditionalisten“ meinen. Vor allem ist sie lebendig. Sie endet auch nicht mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Es lohnt sich nachzudenken: Was will der Heilige Geist heute von uns? Wo dürfen, ja müssen wir als katholische Kirche auch neue Wege einschlagen?

Der „Große Frauentag“ am 15. August könnte eine Ermunterung dazu sein.

 

 

30.06.2019

Für unser aller Haus

 

Noch vor einigen Jahren kritisierte ein Theologieprofessor, unsere Diözese würde Kirchenbeiträge „verschwenden“, weil sie sich für „Umweltschutz“ engagiere: „Das hat doch nichts mit dem Evangelium zu tun.“ Benedikt XVI. sah das damals schon anders. Er erklärte: Schöpfungsverantwortung gehört zum Christ-Sein! Nächstenliebe, besonders die Liebe zu den Ärmsten, ist nicht vom Einsatz für eine bewohnbare Erde zu trennen. Denn am meisten leiden die Armen unter Umweltverschmutzung und Klimawandel. Und letztlich – das wird vor allem jungen Menschen immer klarer! – geht es um unser aller Überleben. Die Erde ist in Gefahr: unser „gemeinsames Haus“, das wir alle brauchen, ob Konzernchef oder Arbeiterin, Christ oder Muslima, Wohlstandsbürger oder Asylsuchende, Leistungsträger oder Auf-Hilfe-Angewiesene, Mensch oder Tier. Deshalb predigt Papst Franziskus unermüdlich „ökologische Umkehr“ (Laudato si 216-221). Erst kürzlich beschwor er Top-Manager der Energieversorgung: „Wir können uns nicht den Luxus erlauben, zu warten, dass andere den ersten Schritt machen, oder kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteilen Priorität einzuräumen. Die Klimakrise verlangt von uns entschiedenes Handeln, hier und jetzt, und die Kirche ist voll dabei, ihren Teil beizutragen.“ – Ich gebe zu, dass ich persönlich oft nachlässig bin. Ich neige nicht zum „Öko-Fundi“, aber ich will künftig mehr Schöpfungsverantwortung zeigen: beim Einkaufen, bei Urlauben, in der gesamten Lebensführung und an der Wahlurne.

 

 

19.05.2019

Alltäglich

 

„Evangelisieren“ ist fast ein kirchliches Modewort geworden. Manche denken dabei an bessere Glaubensinformation, mehr Katechesen, mehr religiöse Events. Das alles ist wichtig. Aber vielleicht ist von uns, denen das Evangelium am Herzen liegt, viel Alltäglicheres verlangt. Papst Franziskus, der oft von Evangelisierung spricht, hat die Frage, was er darunter verstehe, in einer Predigt (10.09.2016) so beantwortet: „Hingehen und das Leben der anderen teilen, sie begleiten, sie auf dem Glaubensweg begleiten, sie auf dem Glaubensweg wachsen lassen." Das klingt nach Mitmensch-Sein, Alltag und Geduld. Einem eifrigen Jugendlichen, der beim Weltjugendtag in Krakau wissen wollte, was er seinem atheistischen Freund nun sagen solle, damit dieser gläubig würde, antwortete Franziskus: „Gar nichts sagen, sondern handeln! Evangelisieren heißt nicht, an die Tür des Nachbarn zu klopfen und zu sagen: Christus ist auferstanden! – Evangelisieren heißt, den Glauben zu leben, erst später in Milde über ihn zu sprechen, ohne das Verlangen, irgendeinen zu überreden."

Was bewegt heute Menschen, sich mit Evangelium und Christentum auseinanderzusetzen? „So schlecht ist eure Botschaft ja nicht“, sagte mir kürzlich eine skeptische junge Frau, „aber wo wird sie gelebt?“ Eine andere Frau begründete mir ihre Sympathie zur Kirche so: „Ich habe in meinem Leben viel erlitten. Aber wenn ich von der Kirche etwas gebraucht habe, bin ich immer gut behandelt worden.“ So alltäglich kann Evangelium passieren.

 

 

07.04.2019

Heilige Kirche?

 

Warum nennen wir die Kirche im Glaubensbekenntnis „heilig“? Sicher behaupten wir damit nicht, unsere geistlichen Hirten und wir Kirchenmenschen seien stets moralisch einwandfrei. Das wäre blanker Hochmut! „Auch in unserer Zeit weiß die Kirche, wie groß der Abstand ist zwischen der von ihr verkündeten Botschaft und der menschlichen Armseligkeit derer, denen das Evangelium anvertraut ist.“ So hat es das Zweite Vatikanum formuliert (Gaudium et spes 43).

Ich nenne die Kirche „heilig“, weil sie ihr Leben Jesus Christus verdankt und weil er ihre eigentliche Mitte ist. Sein Heiliger Geist sorgt dafür, dass trotz menschlichen Versagens in der Kirche das Licht des Evangeliums nie ganz erlischt; dass in den Sakramenten, von fehlerhaften Menschen gefeiert, auch heute Christus lebt und wirkt; dass es neben einigen korrupten und vielen „durchschnittlichen“ Kirchenleuten immer wieder Männer und Frauen gibt, die ihr Christ-Sein ganz ernst nehmen und zu großherziger Liebe fähig sind. Ich entdecke gerade im „einfachen“ Kirchenvolk so viel Glaube, Hoffnung und Nächstenliebe! An diesen Demütigen richte ich mich oft geistig auf. Sie zeigen mir, dass Gott seine Freude an der Kirche nicht verloren hat. Einer von ihnen hat mir einmal gesagt: „Der Weinskandal hat uns geholfen, dass unser steirischer Wein heute Topqualität hat. Möge der Macht- und Sex-Skandal der Kirche helfen, dass sie christlicher wird.“ Der Mut zu tiefgreifender (!) Reform fehlt oft noch. Aber die Chance ist da. Auch deshalb nenne ich die Kirche heilig.

 

 

24.02.2019

Reifeprüfung

 

Zu oft und zu schnell gab die Kirchen-Führung dem „Zeitgeist“ oder dem „lauen Kirchenvolk“ die Schuld, wenn sie die „Entchristlichung“ der Gesellschaft und die leerer werdenden Kirchenbänke beklagte. Nur selten hörte man ein Wort der Selbstkritik. Auch maßvolle Reformwünsche von „unten“ wurden abgeblockt, „lästige“ Kritiker abgewimmelt, Beschwerden bagatellisiert.

 

Erst das massive nicht enden wollende Auffliegen von sexuellen und anderen Macht-Missgriffen bringt jetzt Bewegung in die Mauer der Bischöfe und Kardinäle. „Konservative“ und „Progressive“ unter ihnen beginnen laut nachzudenken und fragen ernsthaft: Bedarf hierarchische Macht nicht doch stärkerer Kontrolle? Wäre es nicht Zeit für ein ernstgemeintes Miteinander auf dem Weg zu Entscheidungen? Geschieht Frauen, darunter auch Ordensfrauen, nicht erhebliches Unrecht, wenn letztlich nur das Wort geweihter Männer zählt? Behindert die Art, wie innerkirchlich mit Sexualität umgegangen wird, nicht doch bei vielen eine gesunde menschliche Reifung? Handelt kirchliche Personalpolitik nicht oft grob fahrlässig? Wird Erstarrtes zu leichtfertig als „gottgewollt“ hingestellt?

 

Bischöfen, die sich vor solchen Fragen nicht drücken, gebührt Respekt. Ich persönlich glaube, dass die gegenwärtige Kirchenkrise – wohl die schwerste seit der Reformation – auch eine große Chance ist. Gerade weil die Kirche jetzt niemandem mehr etwas vormachen kann, ist es leichter für sie, wieder wahrhaftiger zu werden, demütiger – und damit auch glaubwürdiger.

 

 

13.01.2019

Schluss mit lustig?

 

Es ist Ballsaison. Ich selbst bin zwar Ballmuffel, aber freue mich, wenn Menschen gerne auf Bälle gehen, tanzen, fröhlich sind, Spaß haben. Auch ich habe ja meine Vergnügungen. Andere halt. Ein Bekannter meinte, ich ginge vielleicht deshalb nicht auf Bälle, weil ich das angesichts des großen Leides in der Welt unmoralisch fände. Aber da irrte er. Freilich berühren mich Naturkatastrophen, Skandale in Politik und Kirche, auch manches Leid in meiner Nähe. Und ich verstehe die Frage, die Benedikt XVI. in einer Rede bei einem Fest in Castel Gandolfo (3. 8. 2012) gestellt hat: „Darf man sich eigentlich freuen, wenn die Welt so voller Leid ist, wenn es so viel Dunkles und Böses gibt. Ist es dann erlaubt, so übermütig und fröhlich zu sein?“ Und er fuhr fort: „Die Antwort kann nur lauten: Ja! Denn mit dem Nein zur Freude dienen wir niemand, machen wir die Welt nur dunkler. Wer sich selbst nicht mag, kann auch dem anderen nichts geben und ihm nicht helfen. Wir wissen es aus dem Glauben und wir sehen es jeden Tag: die Welt ist schön und Gott ist gut. Dadurch, dass er als Mensch unter uns hereingetreten ist und mit uns leidet und liebt, wissen wir es endgültig und handgreiflich. Gott ist gut und es ist gut, ein Mensch zu sein. Wir leben aus dieser Freude und aus dieser Freude heraus versuchen wir auch, anderen Freude zu bringen und Diener des Friedens und der Versöhnung zu sein.“ Benedikt hat mich mit dieser Rede überzeugt – theologisch und menschlich. Viel Lebensfreude Ihnen allen!

 

 

25.11.2018

Gutmenschen

 

Am Kapitolinischen Hügel in Rom gibt es eine Kirche, die dem heiligen Homobonus geweiht ist. Homobonus heißt wörtlich „Gutmensch“. Wer war dieser Mann? Er lebte im 12. Jahrhundert in Cremona als tüchtiger Bürger, Kaufmann, Ehemann, Vater – und Christ. Das Vorbild Jesu bewegte ihn, Bedürftigen gegenüber besonders großzügig und sanftmütig zu sein. Das war nicht leicht, denn Armut ist nicht immer „brav“. Homobonus wusste: Wer beim Gutes-Tun nie „draufzahlen“ will, versteht weder das Leben noch das Christsein noch Gott.

Unlängst las ich irgendwo: „Wenn es dir besser geht als anderen, mache deinen Tisch länger und nicht deine Zäune höher!“ Das ist die Haltung, aus der Homobonus, der „Gutmensch“ aus Cremona lebte (Gedenktag: 13. November). Das war auch die Haltung jener Gutmenschen, die wir um Weihnachten gerne als Heilige feiern: Martin, Elisabeth, Nikolaus, Maria – und besonders Jesus selbst, „der umherzog und Gutes tat“ (Apg 10,38).

Und es gibt sie bis heute, diese Gutmenschen! Papst Franziskus nennt sie die „Heiligen von nebenan“. Tag für Tag tun sie ganz selbstverständlich Gutes – ihren Nachbarn, Freunden, aber auch Fremden und Unbekannten. Denn sie haben ein Herz für alle „armen Teufel“, auch für solche, „die noch nichts in das System eingezahlt haben“. Es macht mich traurig und zunehmend zornig, wenn Politiker, leider auch sogenannte „christliche“, immer ungenierter das Wort „Gutmensch“ als Schimpfwort verwenden. Angst, Neid und Geiz als Wahlhelfer? Wer so handelt, zerstört die Werte, die er vorgibt zu verteidigen. Mein Wunsch ans Christkind heuer: Mehr Gutmenschen, bitte!

 

 

14.10.2018

Schmerzhaft lernen

 

Frau M. liebt die Kirche. Es tut ihr weh, wenn Medien über kirchliche Missbrauchsskandale berichten. „Ich will das nicht mehr hören“, sagt sie und hofft, dass „alles bald vorbei ist“. Ich verstehe sie. Auch ich hege manchmal solche Gedanken. Vor allem weiß ich, dass sich viele Priester, die ich als gute, menschlich reife Seelsorger kenne, mitbeschmutzt vorkommen. Wie kommen sie dazu! Und die Täter? Sind nicht auch sie oft Opfer eines krankmachenden Systems?

Anderseits: Eine Kirche, die sich auf Jesus beruft, darf eine so große moralische Katastrophe im eigenen Haus nicht ignorieren, relativieren, bagatellisieren. Zu viele Menschen wurden verwundet, ja zerstört – und vergessen! Sie muss sich fragen (lassen): Was ist da geschehen? Wie geht es den Opfern? Warum ist das geschehen? Welche Gefahren birgt das „System Kirche“? Wie lassen sich sexueller Missbrauch, Macht- und Gewissensmissbrauch verhindern?

Österreichs Kirche hat seit der „Causa Groer“ schon einige gute Schritte gesetzt. Anderswo beginnt man erst, ins Dunkel zu leuchten. Das Problem ist leider weltweit da. Der Papst hat es nicht leicht. Er muss, sagt Matthias Katsch (Theologe und selbst Opfer!), „die Frösche dazu bewegen, bei der Trockenlegung des Sumpfes mitzuwirken“. Dass einige nun die Krise nützen, um gerade diesen Papst loszuwerden, findet Katsch absurd: „Der Papst hat bewiesen, dass er aus Fehlern zu lernen bereit und imstande ist. Nicht selbstverständlich für einen 81-Jährigen.“ Das lässt Katsch hoffen. Mich auch.

 

 

02.09.2018

God happens

 

Viktoria war neun, als sie 1992 mit ihrer Familie aus Russland nach Deutschland auswanderte. Zur „Erstaufnahme“ ging es an die Ostsee. Ein katholische Gemeinde lud die Fremden ein – auch zur Messe.

„Wir waren in der Kirche“, erzählt Viktoria später, „es war Abend, das Licht schummrig. Ich konnte noch nicht Deutsch. Irgendwann kam das Zeichen, an den Altar zu kommen. Wir stellten uns um den Altar. Dann ging der Pfarrer umher und gab jedem ein Stück Brot. Ich dachte, wie wunderbar das ist, dass ich jetzt von jemandem Fremden etwas zu essen bekomme. In diesem Moment habe ich die Entscheidung getroffen: Ich will mit dem, der mir das gibt, eine Beziehung eingehen. Und ich meinte nicht den Pfarrer, sondern Jesus.“  Viktoria war damals noch ungetauft und ohne religiöses Wissen. Sie hätte nicht kommunizieren dürfen, wusste das aber nicht. Bald zog die Familie in eine andere Gegend. Viktoria wurde dort evangelisch getauft. Mit der katholischen Kirche hatte sie kaum noch Kontakt. Aber die Messe damals als Kind war ihr Schlüsselerlebnis mit Gott. Heute ist sie eine moderne, sozial engagierte Frau – und überzeugte Christin!

Damit kein Missverständnis entsteht: Ich bin für Ordnung in puncto Kirche und Sakramente. Aber zugleich freut es mich, dass Gott auch immer wieder „unordentliche“ Wege wählt, um Menschen zu berühren. Durch Sakramente oder ohne sie. Denn „er selbst ist nicht an seine Sakramente gebunden", wie der Katechismus sagt (KKK 1257). Gott geschieht – oft erfrischend irregulär.

 

 

22.07.2018

Die Frauen und der Amazonas

 

Was wäre das Christentum ohne Frauen? Zwei ragen von Anfang an besonders hervor: Maria, die Mutter Jesu, und Maria von Magdala, die Jüngerin und erste Zeugin des Auferstandenen. Beide wurden als „neue Eva“ bezeichnet. Die Mutter signalisiert den Anfang des irdischen Lebens Jesu, die Jüngerin den Anfang der jungen Kirche nach Ostern. Papst Franziskus erhob 2016 den Gedenktag Maria Magdalenas (22. Juli) in den Rang eines Festes und stellte so die „Apostelin der Apostel“ den männlichen Aposteln liturgisch gleich. Ein Wink des Heiligen Geistes, über Frau und Kirche neu nachzudenken?

Johannes Paul II. hat 1994 mit hoher Lehrautorität erklärt, das klassische Priesteramt könne Frauen nicht anvertraut werden. Aber die Diskussion über (alte und neue) kirchliche Ämter, die auch Frauen offenstehen sollten, ging und geht weiter. Die Glaubwürdigkeit der Kirche hängt heute stärker denn je davon ab, welchen Platz Frauen in der Kirche haben.

Das Vorbereitungsdokument für die Amazonas-Synode (2019) erkennt die Bedeutung der Frauen und sagt, angesichts der großen pastoralen Kompetenz vieler Frauen müsse die Synode auch nachdenken, „welche Art von offiziellem Amt der Frau übertragen werden kann". Vorschläge für mögliche „Dienste und Ämter mit amazonischem Profil" sind erbeten. Auch das einfache Volk ist gefragt. Bin gespannt, was die Bischöfe Amazoniens daraus entwickeln. Vielleicht gehen sie ihren Kollegen in aller Welt mutig voran. Es wäre Zeit für nächste Schritte.

 

 

10.06.2018.

Mut zur Zukunft

 

Viele werden da zustimmen: Das bestehende Kirchenrecht behindert die Seelsorge oft mehr, als es sie fördert. Weil es von Voraussetzungen ausgeht, die es nicht mehr gibt. Ähnliches gilt für manch kirchlichen Aktivismus, der viel Gutes „für die Menschen und die Gesellschaft“ tun will, mit dem Ziel, auf diese Weise der „Kirche“ (der Pfarre, der Einrichtung, der Bewegung) wieder Ansehen und Zuwachs zu verschaffen. Nur, es klappt nicht mehr so recht. „Man riecht die Absicht, und das wirkt unsympathisch!“, meinte kürzlich eine liebe, kritische Freundin. Bischof Stecher sagte einmal: „Wer glänzen will, leuchtet nicht.“

In ihrem Zukunftsbild – zu-mindest im Kernteil! – wagt die Katholische Kirche Steiermark einen anderen Weg: „Wir gehen vom Leben der Menschen aus“, steht dort. Das heißt: Nicht Sorgen um die Kirche, ihr Fortbestehen und ihr Image treiben uns an, sondern „Achtsamkeit“, „Ehrfurcht“, „Respekt“ für unsere Mitmenschen, für die Buntheit ihres Lebens. „Wir entdecken Gottes Wirken in den Anderen“, teilen Erfahrungen, lernen voneinander. Und daher – so der Papst – gehören die Armen „in den Mittelpunkt [!] des Weges der Kirche“. Sie bringen uns wenig Ansehen, nötigen uns aber zu Demut, Realitätssinn, Risiko, Flexibilität … Offensichtlich können wir gerade durch sie und von ihnen viel lernen – über Gott, Evangelium, Menschsein …

Haben wir den Mut zu diesem Weg? Vielleicht schenkt Gott einer geläuterten Kirche dann auch wieder das, was man „bessere Zeiten“ nennt. Aber die Zukunft sät er, nicht wir.

 

 

29.04.2018.

„…und esset alle davon!“

 

In Einzelfällen dürfen Evangelische zur katholischen Kommunion gehen, meint die Mehrheit der deutschen Bischöfe. (Es geht konkret um „Mischehen“.) Sieben Bischöfe finden das unverantwortlich. Sie wollen ein Urteil aus Rom. Ob Franziskus ihnen die Verantwortung abnimmt?

Ich frage mich eher: Ist es noch verantwortlich, Getauften, die an die wahre Gegenwart Christi in der Eucharistie glauben und sie in rechter Absicht empfangen wollen, die Kommunion zu verweigern? Ich denke da an lutherische Gläubige, die bekennen: „Das Altarssakrament ist der wahre Leib und das Blut unsers Herrn Jesus Christus“ (Martin Luther), aber auch an Reformierte, die (wie Roger Schutz) diesen Glauben teilen. Müssen sie auch alle Details mitvollziehen, wie nach katholischer Lehre diese Gegenwart Christi „zustande kommt“? Gibt es da nicht auch zwischen Rom und den Ostkirchen Differenzen (Wandlungsworte oder Epiklese)? Und doch wird Ostkirchen-Angehörigen im Einzelfall die katholische Kommunion gegeben.

Und wenn katholische Gläubige zum Abendmahl gehen wollen? – Unsere Kirche sagt: Nein! Den Evangelischen fehlt die priesterliche „Wandlungsvollmacht“! – Andererseits sagt Kardinal Ratzinger (1993): Die katholische Lehre „muss keineswegs eine Heil schaffende Gegenwart des Herrn im lutherischen Abendmahl leugnen“. Christus ist wohl auch hier heilsam präsent!

Achtsamkeit ist gut, Angst blockiert. Vielleicht schützen wir Christus und seine Sakramente zu sehr vor den Menschen. Er wollte und will sich hingeben …

 

 

18.03.2018.

Mein Verdacht

 

Ohne Zweifel, die Kirche verliert in unseren Breiten an Macht und Einfluss. Wer Kinder und Enkelkinder hat, erlebt das hautnah in der Familie. Die Zeiten sind vorbei, in denen die Kirche die Herzen und Gewissen der Menschen so „beherrschte“, dass diese (mehr oder wenig freiwillig) Kirchenbänke und Beichtstühle, kirchliche Gruppen und Veranstaltungen, Priesterseminare und Ordenshäuser füllten.

Viele Kirchentreue trauern dem nach, oft resignierend. Manche wollen in die „große Zeit“ zurück – mit altem Ritus und Andachtsformen des 19./20. Jahrhunderts. Einige immunisieren sich in „frommen“ Gruppen gegen die „ungläubige“ Welt. Andere träumen von einem „Comeback“ durch religiösen Eifer und neues „Marketing“.

Was aber, wenn Gott selbst will, dass seine Kirche an Macht verliert?! Wenn er sagt: Ich will jetzt eine bescheidene Kirche! Ich will keine Kirche mehr, die nach Macht und großen Zahlen schielt; keine Kirche, die sich moralisch überlegen fühlt und Menschen vereinnahmt. Ich will eine demütige Kirche, die achtsam auf Menschen zugeht – und den Mut hat, das Evangelium wieder neu zu entdecken.

Das Reich Gottes ist weit größer als die Organisation Kirche, und mein Geist wirkt auch in Menschen, mit denen ihr nicht rechnet, und an Orten, die euch „anders“ und fremd vorkommen. Merkt ihr es nicht, das Gute, das ich wachsen lasse?!

Könnten das Gottes Gedanken sein? Ich persönlich werde den „Verdacht“ nicht los, dass Gott so etwas im Schilde führt. Eigentlich österlich (vgl. Johannes 21,4).

 

 

04.02.2018

Folgenschwer

„Ich bin felsenfest überzeugter Atheist!“ Eindringlich, fast missionarisch bekräftigt der beliebte Kabarettist Robert Palfrader („Wir sind Kaiser“) in einem ORF-Gespräch mit Clarissa Stadler sein Nein zu jeder Form von Religion und Spiritualität: „Ich kann und will das nicht glauben!“ In seinem Soloprogramm „Allein“ möchte er zeigen, wie absurd der Glaube an Gott und an den freien Willen sei. Dafür ließ er sogar sein Genmaterial untersuchen. Auf die Frage Stadlers, woran er dann glaube, sagt er: „An nichts – und dass eigentlich alles wurscht ist, sinnlos.“

Man fragt sich, was Palfrader antreibt, so heftig gegen Religion zu kämpfen und diesem Thema ein ganzes Kabarettprogramm zu widmen. Die Antwort blitzt kurz im Gespräch auf – sehr bitter: „Ich bin fünf Jahre in ein römisch-katholisches Privatgymnasium gegangen, und man hat mir dort Wunden in die Seele geschlagen, die bis heute nicht verheilt sind.“

Nun, wir wissen: Katholische Schulen leisten viel Gutes. Ehemalige Schülerinnen und Schüler schätzen das. Aber es gibt auch die „Palfraders“ und ihre Erfahrungen.

Christliche Pädagogik hat große Verantwortung. Sie spricht gern vom „christlichen Menschenbild“. Schlimm, wenn sie dann in einer kleinlichen Moral mit ihren Zwängen und Ängsten stecken bleibt. Aber gut, wenn sie Jugendlichen die Chance gibt, Menschen zu begegnen, die Gott, das Leben und die Freiheit lieben und die fähig sind zu Vertrauen, Verantwortung und Solidarität! Solchen reifen Menschen gilt heute mein Dank.

 

 

17.12.2017

Gottes Überraschungen

 

Auf einem Pastoral-Kongress 2013 in Prag erzählte der Salesianer-Theologe Karl Bopp folgende Begebenheit:

Im Innsbrucker Bahnhofsviertel feiert eine Gruppe heilige Messe. Die Feier ist schon im Gange, als eine Frau – sie ist als Prostituierte erkennbar – den Raum betritt. Leicht alkoholisiert ruft sie dem Priester zu: „Bekomme ich da auch etwas?“ Mit „etwas“ meint sie offensichtlich die Eucharistie. Irritiert sagt der Priester nach einigem Zögern: „Ja, schon.“ Insgeheim betet er, die Frau möge vor der Kommunion wieder gehen. Aber sie bleibt. Sie kommt zur Kommunion, empfängt die konsekrierte Hostie, teilt sie, isst eine Hälfte und steckt die andere in ihre Tasche. Dann verlässt sie den Raum. Die Gemeinde ist verstört.

Später erfährt der Priester: Die Frau ging mit der geteilten Hostie schnurstracks zum Bahnhof in die Bahnhofsmission, wo eine Ordensfrau, die ihr öfter geholfen hatte, Dienst tat. Behutsam holte sie dort die halbe Hostie aus der Tasche und gab sie der Schwester: „Schau, was ich dir mitgebracht habe, du isst das doch so gerne!“

Ich bekam Gänsehaut, als Bopp das erzählte. Dogmatische Einwände wichen rasch dem Gespür: Gott geht seine Wege! Und Menschen, die gemeinhin als „unwürdig“ gelten, sind Jesus oft näher, als wir ahnen. Sind sie Gottes Überraschungen für uns?

Im Zukunftsbild unserer Diözese steht: „Wir vertrauen auf die Gegenwart Gottes in jedem Menschen und bringen jeder einzelnen Lebensgeschichte Ehrfurcht und Respekt entgegen.“ Ich gratuliere zu diesem Mut!

 

 

05.11.2017.

Papst Franziskus – ein Irrlehrer?

 

Die meisten Menschen sind dem Papst dankbar, dass er wiederverheirateten Geschiedenen und anderen in „irregulären“ Situationen Lebenden behutsam das Tor zu den Sakramenten geöffnet hat. „62 Priester und katholische Gelehrte aus 20 Nationen“ werfen ihm nun öffentlich „Verbreitung von Irrlehren“ vor. Die innerkirchliche Diskussion spitzt sich auf die Frage zu: Darf die Kirche moralische Standpunkte ändern? Kann etwas, was früher verboten war, jetzt erlaubt sein und umgekehrt? – Ich denke, Kirche darf lernen und hat oft gelernt. Lange hielt sie Sklaverei für moralisch vertretbar, auch Folter, körperliche Züchtigung, die Herrschaft des Mannes über die Frau usw. Heute sagt sie nein dazu. Auch ihre Ehe-Lehre wandelte sich. Jesus sprach von Ehe und Ehebruch, aber noch nicht darüber, was eine Ehe gültig macht, wann sie annulliert oder sogar trotz Gültigkeit getrennt werden kann, welche Situation von der Kommunion ausschließt usw. Erst spätere Kirchenpraxis versuchte, Jesu Anliegen in die jeweilige Zeit zu „übersetzen“ – pastoral und juridisch. Es gab immer Seelsorger, die Menschen in komplexen Situationen begleiteten, und Fälle, in denen jemand mit seiner Gewissensentscheidung allein vor Gott stand. Details ändern sich, das Herz der Moral bleibt: „Du sollst Gott lieben mit ganzem Herzen…und deinen Nächsten wie dich selbst!“ Daran – so Jesus – „hängt das ganze Gesetz und die Propheten“. Zu beliebig? –  Wer zur Liebe fähig ist, behaupte ich, kann Liebe von Beliebigkeit unterscheiden.

 

 

24.09.2017.

Böse Religion?

 

„Bad Religion“ ist nicht nur der Name einer Band. Religion kann tatsächlich böse sein und Schreckliches anrichten. Rasch denkt man an Islamisten, die „im Namen Gottes“ Bomben zünden. Aber auch Christen haben „im Namen Gottes“ Ungeheures verbrochen. Ich denke da nicht nur an Kreuzzüge und Glaubenskriege, sondern auch an bigotte Grausamkeiten des Alltags. Eher zufällig begegnete ich im Sommer durch Schmökern in alten Unterlagen den Lebensschicksalen unverheirateter Mütter, unehelich geborener Kinder, Andersgläubiger, gleichgeschlechtlich Fühlender … Wie schwer hatten es doch diese Menschen noch vor einigen Jahrzehnten – mitten in christlicher Umgebung! Und es gibt sie auch heute noch: unerleuchtete „Hirten“, die „den Menschen schwere Lasten aufbürden“ (Mt 23,4). Verständlich, wenn da die Frage auftaucht: Wäre eine Welt ohne Religion nicht glücklicher?

 

Während ich so nachdenke, kommt ein Mail – im Anhang ein Zitat: „Dem Kosmos und der Natur ist der einzelne Mensch gleichgültig … Nur die Religion versichert ihm, dass da ein Gott sei, der möchte, dass es ihn gibt, der bei ihm ist in den Stunden der Einsamkeit und dessen Güte die Sinnlosigkeit und die Schuld aus seinem Leben nimmt.“ Ein Wort von Eugen Drewermann, der 2005 zornig aus der Kirche austrat, aber dem diese Botschaft wichtig blieb.

Ja, Religion kann grausam werden und „Gott“ verzerren. Da gilt es, wachsam zu sein. Aber sie – und nur sie! – kann auch das schönste, zutiefst heilsame Wort schenken: Gott will, dass es dich gibt!

 

 

06.08.2017

„Ehe-Krise“

 

Wird der Staat gleichgeschlechtliche Beziehungen als „Ehen“ anerkennen? (In vielen Ländern, auch traditionell katholischen, tut er es schon.) Wenn ja, bedeutet das nicht das Ende der Welt, auch nicht das Ende des Ehesakraments. Schon bisher sind viele standesamtliche Ehen keine Ehen im Sinne der Kirche. Staat und Kirche haben gelernt, religiöse und staatliche Gesetze auseinanderzuhalten. Ich persönlich meine: Aufgabe der Kirche ist es nicht, unbedingt die „Homo-Ehe“ zu verhindern. Sie soll vielmehr positiv aufzeigen, wie Ehen und Familien gelingen können.

 

Eine ganz andere Frage ist, ob gleichgeschlechtliche Paare auch einen Segen der Kirche erhalten können. Ein Segen ist noch kein Sakrament. Aber, so fragen Besorgte, verwirft die Bibel nicht Homosexualität überhaupt? Nach genauem Studium der dabei zitierten Verse sagen immer mehr Theologen und Theologinnen: Was da verworfen wird (Vergewaltigung eines Mannes durch einen Mann, Päderastie, blinde Sexgier usw.), hat wenig mit dem zu tun, was „gleichgeschlechtliche Liebe“ meint. Möglich, dass die Kirche als ganze hier noch viel lernen muss, auch im Gespräch mit betroffenen Gläubigen. Jesus selbst hat zu diesem Thema nichts gesagt. Er hat „nur“ seinen Heiligen Geist versprochen. Den werden wir brauchen. Nicht nur in dieser Frage.

 

 

02.07.2017.

Keine heilige Kuh

 

Sie hatte eine Greißlerei, wie es sie in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in jedem Dorf gab. Frau M. war keine „Betschwester“, aber der Glaube war ihr wichtig. Sie ging sonntags in die Kirche und einmal im Monat zur Kommunion. Damals galt noch das strenge „Nüchternheitsgebot“: Wer kommunizieren wollte, durfte ab Mitternacht nichts essen und nichts trinken. Frau M. trank jeden Morgen ihren Kaffee, sonntags aus einer schönen Tasse. Auch dann – und das war das Ungehörige! –  wenn sie zur Kommunion ging. Als der Pfarrer das erfuhr, war er irritiert. Er musste der frommen Frau sagen, dass sie eine Norm missachtete: „Sie dürfen nicht zur Kommunion gehen, wenn sie vorher Kaffee getrunken haben! Das ist ein ernstes Hindernis!“ Frau M. sah ihren Pfarrer gütig an und antwortete ruhig und bestimmt: „Herr Pfarrer, der Heiland ist über den See Gennesaret gegangen. Sie glauben doch nicht, dass ihn eine Tasse Kaffee aufhalten könnte, zu mir zu kommen.“

Die Kirche hat diese Norm inzwischen geändert. „Das oberste Gesetz der Kirche ist das Heil der Seelen.“ (Can 1752) Kirchengebote haben den Sinn, Menschen zu Gott zu führen. Erschweren sie das, gehören sie geändert.

 In der ganzen katholischen Welt spricht man derzeit von Kirchenreform. Gehören da nicht auch einige kirchrechtliche Normen mutig hinterfragt: Helfen sie den Menschen, das Evangelium freudiger zu leben? Erleichtern sie Seelsorge? Oder verhindern sie Gutes?

Ich meine: Man tut dem Kirchenrecht sehr unrecht, wenn man es für eine heilige Kuh hält.

 

 

21.05.2017.

Unfassbar christlich

 

Das brachte den ägyptischen Starmoderator Amr Adeeb aus der Fassung. Die Witwe eines jener koptischen Christen, die am Palmsonntag von IS-Terroristen ermordet wurden, wandte sich in Adeebs TV-Sendung direkt an den Mörder. Weinend sagte sie: „Gott möge dir vergeben. Wir vergeben dir auch.“ Und: „Ich bin nicht böse auf dich. Aber denke nach, denke nach, dann merkst du, dass wir dir nichts Böses getan haben... Du hast meinen Mann an einen Ort versetzt, von dem ich nicht einmal träumen kann. Glaub mir, ich bin stolz auf ihn! Und ich wünschte, ich wäre jetzt bei ihm.“ Totale Betroffenheit beim Moderator. Einige Sekunden Stille. Dann brach es aus ihm heraus: „Wie unglaublich gross ist die Vergebung, die ihr habt! Wenn eure Feinde wüssten, wie viel Vergebungsbereitschaft ihr habt, sie würden es nicht glauben.“ Wäre das Opfer sein Vater gewesen, er, der Moderator, hätte nicht so vergeben können. „Aber“, so fuhr er fort, die ägyptischen Christen „haben so viel Vergebungsbereitschaft!“

 

Ein befreundeter Kopte in Graz hat mich auf den Video-Mitschnitt aus dieser Sendung aufmerksam gemacht (auf www.life.de). Es gibt sie also wirklich: Menschen, die inmitten von religiöser Verblendung, Hass und Terror, deren Opfer sie sind, nicht nach Gegengewalt rufen, sondern konsequent die Bergpredigt leben. Unfassbar wirklich. Unfassbar christlich. Ich bin tief berührt, auch beschämt – und dankbar für dieses Zeugnis. Ja, so wird Jesus das mit der Feindesliebe gemeint haben.

 

 

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