Karl Veitschegger

 

Warum Pfingsten feiern?


 

Das Wort „Pfingsten“ kommt vom griechischen „pentekoste“, was „der fünfzigste (Tag)" bedeutet. Am 50. Tag nach Ostern soll den Aposteln und der Anhängerschaft Jesu etwas widerfahren sein, das bis heute als „Geburtstag der Kirche“ gefeiert wird.

 

Jerusalem im Jahre 30

Ein Tag Ende Mai im Jahre 30 n. Chr. Juden und Jüdinnen aus aller Herren Länder sind nach Jerusalem gekommen, um das jüdische Fest Schawuot zu feiern, ein Erntedankfest (am Ende der Weizenernte in Palästina), an dem auch feierlich an die Verkündigung der Gebote Gottes am Sinai zur Zeit des Moses gedacht wird. Unter den Pilgerscharen sind auch ein paar Männer und Frauen aus Galiläa, die Anhängerschaft jenes Jesus aus Nazaret, der vor sieben Wochen zum Pessachfest hier vor der Stadt gekreuzigt worden ist. Sie sind, seit sich ihnen ihr Meister in „Erscheinungen“ gezeigt hat, fest davon überzeugt, dass er auferstanden ist und im Licht Gottes lebt, aber noch fehlt ihnen der Mut, öffentlich davon zu reden.

 

Sturm und Feuer

„Und da“ – so schreibt 50 Jahre später der christlich gewordene Arzt Lukas in seiner Apostelgeschichte – „kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden. Da trat Petrus auf, zusammen mit den Elf; er erhob seine Stimme und begann zu reden: Diesen Jesus (der gekreuzigt worden ist) hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen!" (Text stark gekürzt aus Apg 2) Rund 3000 Menschen – so erzählt Lukas weiter – glaubten den begeisternden Worten des mutig gewordenen Petrus und ließen sich taufen. Das, was wir Gemeinschaft der Kirche nennen, wurde damals in Jerusalem geboren. Pfingsten wird mit Recht „Geburtstag der Kirche“ genannt, und das heißt, dass die Kirche (trotz aller menschlichen Schwächen) in ihrem Wesen eine Erfindung des Heiligen Geistes bleibt.

 

Geheimnisvoll, wild und sanft

Und wer ist dieser Heilige Geist, der hinter diesem Ereignis stecken soll?

In vielen Gebeten wird er in einem Atemzug mit „Vater“ und „Sohn“ genannt und bleibt doch der „geheimnisvolle Dritte“ in Gott. Schon die hebräische Bibel, das Alte Testament, spricht von der ruach Gottes. Das Wort ruach ist (meist) weiblich und bedeutet „Wind“, „Atem“, „Lebensatem“, „Geist“. Ähnliches meint im Neuen Testament das griechische Wort pneuma. Es geht um die (mütterliche) Lebenskraft Gottes, die die ganze Schöpfung durchweht und die Vielfalt des Lebens hervorbringt, die die Menschen ermutigt, großzügig macht und für Gott begeistert. Und ist Gott in Jesus ein sichtbarer und angreifbarer Mensch geworden, so ist er im Heiligen Geist der Unsichtbare, nicht Fassbare, der „Wind, der weht, wo er will“ (Joh 3,8). Diese „Kraft aus der Höhe“ (Lk 24,49) kann sich im Leben der Menschen als wilder Sturm gebärden, der das Morsche wegweht und die Segel des Neuen bläht, der Prophetinnen und Propheten zu lautem Rufen drängt und als frischer Wind für Überraschungen sorgt. Aber sie ist auch spürbar als sanftes Säuseln, das den gehetzten Seelen Ruhe gibt und Gott in den Tiefen des menschlichen Herzens wohnen lässt. Ist die Taube Symbol ihrer Sanftheit, so das Feuer Symbol ihrer Dynamik.

 

Gott selber

Diese Kraft, die niemand anderer als Gott selber ist, begeistert zu allen Zeiten Menschen für das Evangelium und gibt der Kirche Jesu Christi durch die Jahrhunderte Leben und Wachstum. Sie wirkt aber auch in den Menschen anderer Religionen bis zum heutigen Tag; sie wird einst die ganze Schöpfung zu Gott „treiben“, den Tod überwinden und alles vollenden. Das meinen Christen und Christinnen, wenn sie sprechen: „Ich glaube an den Heiligen Geist“. Und deshalb feiern sie (sicher schon seit dem 3. Jahrhundert) mit großer Freude das Pfingstfest.

 

Beitrag in „Neues vom Graben" 4/2001

Karl Veitschegger

 

 

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