Ökumene – Anliegen des II. Vatikanischen Konzils Kurzreferat in
Leibnitz am 16. Jänner 2013 Tragische
Trennungen Es gehört zu den Tragödien in der Geschichte des Christentums, dass
es unter denen, die sich Jünger und Jüngerinnen Jesu Christi nennen, zu
ernsthaften und kirchentrennenden Spaltungen gekommen ist. Die Christenheit
stellt sich als uneinig dar, zerteilt in – wie man alltagssprachlich und
„ungegendert“ sagt – Katholiken, Orthodoxe, Altorientalen, Protestanten,
Altkatholiken usw. Jahrhunderte lang standen sich die verschiedenen
christlichen Kirchen feindlich oder bestenfalls gleichgültig gegenüber. Man
sah die jeweils anderen primär als Verfälscherinnen
und Verräterinnen der Sache Christi. Noch vor zwei, drei Generationen galt es für Katholiken als Sünde,
den Gottesdienst in einer evangelischen Kirche zu besuchen, Protestanten
wiederum hielten die katholische Messe für Götzendienst und Teufelswerk (vgl.
Heidelberger Katechismus). An ein echtes Miteinander der Kirchen war lange
Zeit nicht zu denken. Ökumenische
Bewegung Erst im 20. Jahrhundert entstand dann – und zwar außerhalb der
katholischen Kirche und von ihr lange argwöhnisch betrachtet! – das, was wir
heute ökumenische Bewegung nennen. Obwohl Papst Leo XIII. schon 1895 die
Christinnen und Christen anderer Kirchen wertschätzend „Brüder“ nannte und
zum Gebet für sie aufrief (pikanterweise zum Rosenkranzgebet!), warnte Papst
Pius XI. 1928 in seiner Enzyklika Mortalium
animos ausdrücklich vor ökumenischen Aktivitäten, „an deren Spitze“ – so
der Papst wörtlich – „meist Nichtkatholiken der verschiedensten religiösen
Bekenntnisse stehen“. Er befürchtete von den „Panchristen“ – so wurden die
ökumenisch Bewegten damals bezeichnet – eine Aufweichung wichtiger
christlicher Glaubensinhalte zugunsten einer Wischiwaschi-Religion. Weltkirchenrat Dennoch gründeten 1948 anglikanische, protestantische, orthodoxe und
altkatholische Kirchenvertreter den Ökumenischen Rat der Kirchen (kurz ÖRK
oder „Weltkirchenrat“ genannt). Ihm gehörten zu Beginn 147 Mitgliedskirchen
an, heute sind es bereits 349. In der Basisformel des Weltkirchenrates heißt es: „Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die
den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland
bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur
Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Und weiter heißt es in der derzeit gültigen Verfassung des
Weltkirchenrates: „Das Hauptziel der Gemeinschaft der Kirchen im Ökumenischen Rat der
Kirchen besteht darin, einander zur sichtbaren Einheit in dem einen Glauben
und der einen eucharistischen Gemeinschaft aufzurufen, die ihren Ausdruck im
Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, durch Zeugnis und
Dienst an der Welt, und auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt glaube.“ Die katholische Kirche schloss sich dem Weltkirchenrat nicht an, sie
stand ihm anfänglich sogar ablehnend gegenüber. Sie verdächtigte ihn, eine
Art antikatholische „Gegenkirche“ zu sein. (Die katholische Kirche ist
übrigens auch heute noch nicht Vollmitglied des ÖRK auf Weltebene, weiß sich
aber zur Zusammenarbeit mit ihm verpflichtet und trägt z. B. die
ÖRK-Kommission für Glaube und Kirchenverfassung und den ÖRK auf jeweils
nationaler Ebene auch vollmitgliedschaftlich mit.) Johannes
XXIII. und Konzil Erst unter Papst Johannes XXIII. gewann der ökumenische Gedanke in
der katholischen Kirche deutlich an Boden. 1960, also noch vor dem Zweiten
Vatikanischen Konzil, gründete der kirchenhistorisch gebildete Papst eine
Einrichtung, die heute „Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der
Christen“ heißt. Schließlich machte das Zweite Vatikanische Konzil, zu dem
Johannes XXIII. erfolgreich auch Vertreter anderer Kirchen als Beobachter
eingeladen hatte, die Ökumene offiziell zum unverzichtbaren Anliegen der
katholischen Kirche. Das Ökumenismus-Dekret des Konzils Unitatis
Redintegratio beginnt mit den Worten: „Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine der
Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils.“ (UR
1) Und ein paar Abschnitte später heißt es: „Unter dem Wehen der Gnade des Heiligen Geistes gibt es heute in vielen
Ländern auf Erden Bestrebungen, durch Gebet, Wort und Werk zu jener Fülle der
Einheit zu gelangen, die Jesus Christus will. Daher mahnt dieses Heilige
Konzil alle katholischen Gläubigen, dass sie, die Zeichen der Zeit erkennend,
mit Eifer an dem ökumenischen Werk teilnehmen.“ (UR 4) Werk des
Heiligen Geistes Die Ökumenische Bewegung, die von „Nichtkatholiken“ ausging, wird in
diesem Dekret als Werk des Heiligen Geistes gewürdigt. Die Angehörigen
anderer Kirchen werden nicht mehr als „Abtrünnige“, die gefälligst zur
römisch-katholischen Kirche zurückkehren sollten, bezeichnet, sondern als
„getrennte Brüder“ (heute würde man wohl sagen: „Geschwister“). Freimütig
bekennt die katholische Kirche ihre Mitschuld an den Trennungen: „Auch von den Sünden gegen die Einheit gilt das Zeugnis des heiligen
Johannes: ‚Wenn wir sagen, wir hätten nicht gesündigt, so machen wir ihn zum
Lügner, und sein Wort ist nicht in uns‘ (1 Joh 1,10). In Demut bitten wir
also Gott und die getrennten Brüder um Verzeihung, wie auch wir unseren
Schuldigern vergeben.“ (UR 6) Wurde vor dem Konzil oft das Trennende betont, bemüht sich jetzt das
Konzil, das Gemeinsame herauszustellen: „Wer an Christus glaubt und in der rechten Weise die Taufe empfangen hat,
steht dadurch in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft
mit der katholischen Kirche.“ (UR 3) Die Einheit
entdecken Die Einheit mit den anderen christlichen Gemeinschaften ist demnach
zwar verwundet, aber nicht völlig verloren gegangen. Das Bekenntnis zum
dreifaltigen Gott und zum Erlöser Jesus Christus, die gemeinsame Liebe zur
Heiligen Schrift und die Taufe verbinden protestantische und orthodoxe
Christen und Christinnen innig mit der katholischen Kirche. Mit den Orthodoxen (und allen schon vor der Reformation bestehenden
Kirchen) teilt die katholische Kirche darüber hinaus auch dasselbe
Verständnis von der Eucharistie, vom Bischofs- und Priesteramt und von den
übrigen Sakramenten, und eine besondere Wertschätzung Marias, der Mutter
Jesu. Zwar hält die katholische Kirche auch im Zweiten Vatikanischen Konzil
daran fest, dass sie – wörtliches Zitat – „mit dem ganzen Reichtum der von
Gott geoffenbarten Wahrheit und der Gnadenmittel beschenkt ist“, bekennt aber
im selben Atemzug, dass diese Fülle in ihr oft nicht gelebt und so „das
Wachstum des Reiches Gottes verzögert wird“ (UR 4). Der Reichtum
bei den „Anderen“ Das Konzil macht nun darauf aufmerksam, dass es bei den „getrennten
Brüdern“ (und Schwestern) viel Kostbares und Heilsames zu finden gibt: „Es ist recht und heilsam, die Reichtümer Christi und das Wirken der
Geisteskräfte im Leben der anderen anzuerkennen, die für Christus Zeugnis
geben, manchmal bis zur Hingabe des Lebens… Man darf auch nicht übergehen,
dass alles, was von der Gnade des Heiligen Geistes in den Herzen der
getrennten Brüder gewirkt wird, auch zu unserer eigenen Auferbauung beitragen
kann.“ (UR 4) Die „Anderen“ sind nicht nur zu respektierendes Gegenüber, sie sind
eine Bereicherung! Freilich sieht das Konzil auch sehr realistisch die Diskrepanzen
zwischen den christlichen Kirchen und Gemeinschaften: Schmerzhafte Stichworte
dazu sind: geistliches Amt, Eucharistie, Petrusdienst, … Es will aber vor allem die Hoffnung stärken, dass die volle Einheit,
die einmal in die gemeinsame Eucharistiefeier münden soll, schrittweise
wiederhergestellt werden kann. „Hinkehr-Ökumene“ Nicht von „Rückkehr-Ökumene“ ist die Rede, vielmehr regt das Konzil
eine „Hinkehr-Ökumene“ an: Wenn die voneinander
getrennten Christen und Christinnen sich zu Christus hinkehren und sich ihm
nähern, kommen sie auch einander näher. Das Konzil ruft deshalb zur
„Bekehrung der Herzen“ auf. Weiters rät es zum gegenseitigen Kennenlernen,
zum respektvollen, ja liebevollen Umgang miteinander, zu einer ökumenisch
ausgerichteten Glaubenssprache, zum sachverständigen Dialog, zum gemeinsamen
Gebet und zur Zusammenarbeit im sozialen Bereich. Früchte des
Konzils Wenn Papst Paul VI. zehn Jahre nach dem Konzil dem Gesandten des
Patriarchen von Konstantinopel, Metropolit Meliton
von Chalzedon, spontan die Füße küsst und Johannes Paul II. ausgerechnet in
die evangelisch-lutherische Gemeinde in Rom als Gast eingeladen wird, wenn
derselbe Papst die anderen Kirchen mehrmals ernsthaft zum Nachdenken über
eine Neugestaltung des Petrusamtes einlädt, dann sind das Zeichen, die
Jahrhunderte lang völlig undenkbar waren. Als bisheriger Höhepunkt der Annäherung zwischen Lutherischem
Weltbund und römisch-katholischer Kirche gilt die Gemeinsame Erklärung zur
Rechtfertigungslehre, die symbolträchtig am Reformationstag 1999 in Augsburg
unterzeichnet worden ist. Evangelische und katholische Christen können nun gemeinsam bekennen,
was Martin Luther zutiefst bewegte und zum Reformator werden ließ: „Allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht auf Grund
unseres Verdienstes, werden wir von Gott angenommen - und empfangen den
Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu
guten Werken.“ (GER 15) Für die katholische Seite war dieser Meilenstein der Ökumene nur
erreichbar, weil es das Konzil und seine ökumenische Dynamik gab. Ähnliches lässt sich von den Europäischen Ökumenischen Versammlungen
sagen – eine davon fand ja 1997 in Graz statt –, in denen die christlichen
Kirchen gemeinsam ihre religiöse, soziale, ökologische und friedenspolitische
Verantwortung für unseren Kontinent und unsere Welt bekundeten. Ökumene in
unserem Land Dankbar sehe ich persönlich auch auf die Ökumene in unserem Land und
auf das nicht unbedingt spektakuläre, aber doch beständige Wirken des
Ökumenischen Forums christlicher Kirchen in der Steiermark, das auch sehr
praktische Früchte zum Wohl der Menschen unseres Landes hervorgebracht hat
wie z. B. die ökumenisch getragene Telefonseelsorge und Notfallseelsorge oder
den gemeinsamen Einsatz für Immigranten und Immigrantinnen und sozial
Benachteiligte. Auch wenn die Ökumene heute – fünf Jahrzehnte nach dem Zweiten
Vatikanischen Konzil – sich etwas zäher gebärdet und es durch
Kirchenleitungen und Theologen immer wieder zu unerfreulichen Irritationen
kommt, bleibt sie für uns katholische Christen und Christinnen ein
bleibender, unaufgebbarer Auftrag des Konzils. Ökumene ist ein Weg der Hoffnung, in vielem nicht planbar und
berechenbar. Noch sind wir uns als Kirchen nicht einig, welche konkrete Gestalt
die ersehnte sichtbare christliche Einheit einmal haben soll. Aber das Konzil
ermutigt zumindest uns katholische Christinnen und Christen, Schritt für
Schritt weiterzugehen – in der rechten Mischung von Geduld und Ungeduld. Der Titel der heutigen Veranstaltung heißt: „Die ökumenische Bewegung
wird von Menschen getragen.“ – Ja, das stimmt. Und es ist gut so. Aber Gott
sei Dank – so darf ich hinzufügen – wird sie nicht nur von Menschen getragen!
Möge uns Gottes Heiliger Geist, wenn wir in unserem ökumenischen Tun und
Denken „anstehen“ und nicht weiterkommen, neue Türen auftun. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Karl
Veitschegger Zurück
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