Gott und
Sexualität – Gedanken zum 6. Gebot Beitrag für „Brief von Kalvarienberg“
(Februar 1992) Tragisch „Du
sollst nicht ehebrechen!“, lautet das sechste der zehn Gebote in der Bibel.
Als ich vor einigen Jahrzehnten die Volksschule besuchte, lernten wir im
Religionsunterricht das sechste Gebot so: „Du sollst nicht Unkeuschheit
treiben!“ Als unkeusch galt damals eigentlich alles, was mit dem
Geschlechtlichen zu tun hatte. Religion und Sexualität waren für uns scharfe
Gegensätze. Das eine gehörte zu Gott, das andere zum Teufel. So einfach war
das. Und so falsch. Wir Kinder der 50-er Jahre übernahmen,
ohne es zu wissen, sexualfeindliche Vorstellungen und Gefühle, die vor vielen
Jahrhunderten ins Christentum eingedrungen sind und die kirchliche Moral
stark beeinflusst haben. „Ein besonders tragisches und dunkles Kapitel in der
Geschichte des christlichen Denkens." (Kardinal Ratzinger) „Eine Quelle
vieler Leiden." (Bischof und Moraltheologe Andreas Laun) Das letzte
Konzil leitete dann eine neue Entwicklung ein. Sexualität wurde in der Kirche
zunehmend positiver gesehen. Wunderbar Heute
ist der Großteil der Christinnen und Christen überzeugt: Sexualität ist
nichts Düsteres, Dunkles oder Schlechtes, sondern ein wunderbares Geschenk
Gottes. Mit Recht beruft man sich dabei auf die Heilige Schrift, in der es z.
B. ein Lied gibt, das unbefangen und in poetischen Bildern die erotische
Liebe preist: „Mit Küssen seines Mundes bedecke er mich. Süßer als Wein ist
deine Liebe...“ (Das Hohelied). Mehrmals wird die Liebe zwischen Mann und
Frau in der Bibel positiv gewürdigt. Die Propheten nehmen sie als Gleichnis
für die leidenschaftliche Liebe Gottes zu den Menschen. Im Neuen Testament
wird sie sogar zum Sakrament erhoben. Gott ist kein Gegner unserer Lebenslust
und Vitalität; ganz im Gegenteil: Gott will, dass wir in der Liebe glücklich
werden. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“,
sagt Jesus Christus (Johannes 10,10). Verantwortungsvoll Wer
Gott von ganzem Herzen dankbar ist für das Geschenk der Sexualität, der wird
mit diesem Geschenk auch verantwortungsvoll umgehen (das meint Keuschheit).
Er wird sich immer wieder fragen: Wohin ist meine Sexualität unterwegs? Läuft
sie irgendwo in dunklen Kanälen neben mir her oder ist sie in mein Leben
integriert? Bin ich in geschlechtlichen Dingen ehrlich zu mir selber und zu
meinem Gegenüber? Nütze ich den Körper und die Gefühle eines Anderen aus?
Habe ich die nötige Selbstachtung? Ergehe ich mich in Illusionen oder bin ich
bereit, realistisch die Konsequenzen meines sexuellen Wünschens und Handelns
zu sehen und gegebenenfalls auch zu tragen? Ist für mich Sexualität ein
Konsumartikel oder ist es ein ehrlicher Ausdruck meiner Liebe zu einer
Person, die ich immer besser verstehen will? (In der Bibel wird für die
sexuelle Vereinigung das Wort „erkennen“ gebraucht!) Anspruchsvoll Es
stimmt, wenn manche darauf hinweisen, dass die Kirche zu Einzelfragen der Sexualmoral
nie Dogmen im strengen Sinn erlassen hat. Es galt aber in der christlichen
Tradition immer der Grundsatz, dass sexuelle Intimität einen Raum
gegenseitiger Liebe und verlässlichen Vertrauens braucht. Bischof Homeyer
(Hildesheim) gab in einer Jugendzeitschrift die klassische Lehre der Kirche
einmal so wieder: „Erst wo zwei Menschen einander ein absolutes Ja-Wort
gegeben haben und ihre Zuneigung und Vertrautheit vor Gott und ihren
Mitmenschen besiegelt haben, ist der rechte Ort, sich einander auch leiblich
ganz hinzugeben." Viele, vor allem junge Menschen folgen dem Lehramt der
Kirche in diesem Punkt nicht mehr. Kirchliche Sexuallehre und Leben der
Menschen klaffen aber auch in anderen Punkten weit auseinander. Soll man
diese Tatsache schweigend hinnehmen? – Ich persönlich wünsche mir, dass
darüber viele ehrliche Gespräche geführt werden, in denen sowohl die
Lebensprobleme der Menschen als auch die Anliegen, die in den katholischen
Normen zum Ausdruck kommen, ernst genommen werden. Umfassend Es
wäre sicher eine Engführung, in der Ehe vorrangig die „Erlaubnis zum
Geschlechtsverkehr“ zu sehen. Ehe ist eine umfassende Liebes- und
Lebensgemeinschaft. Und wenn Gott sagt: „Du sollst nicht ehebrechen!",
dann sagt er damit auch: „Ich will, dass Ehen gelingen. Zerstöre weder in dir
noch in anderen die Kraft der Liebe, sondern kultiviere und erneuere immer
wieder alles, was dich und andere zu einer dauerhaften Liebes- und
Lebensgemeinschaft befähigt!" Im Anschluss an Jesus Christus glaubt die
Kirche daran, dass Eheleute dazu berufen sind, durch alle Krisen hindurch
einander zu achten und in Treue zu lieben, „bis dass der Tod euch
scheidet". Andererseits weiß sie aber auch, dass in einer Ehe ein
„unheilbarer Bruch“ (Johannes Paul II) eintreten kann. Was dann? – Es ist die
Aufgabe der Seelsorger/innen und Gläubigen, Menschen auch in dieser Situation
beizustehen – ganz im Sinne Jesu, der gesagt hat: „Richtet nicht!“ und: „Seid
barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ (Lukas 6,36-37) Karl
Veitschegger (1992) „Sex ist
eine der schönsten Sachen, die uns Gott geschenkt hat. Sich sexuell
auszudrücken ist ein Reichtum. Sex ist eine wunderschöne Sache". Papst
Franziskus (Gespräch
mit jungen Menschen, Dokumentarfilm Streamingdienst Disney+, Ostern 2023) Zurück zur
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