Karl Veitschegger (2014)

 

Engel, Engel, Engel … – von der Bibel bis zur Esoterik

Aus einem Interview mit mir im Pfarrblatt von Graz-Münzgraben


 

Zu Weihnachten hören wir von Engeln, in Gottesdiensten ist oft von ihnen die Rede, Kirchen sind voller Engelbilder und auf den Friedhöfen findet man immer häufiger Engelstatuen. Was fasziniert die Menschen an Engeln?

Die „sichtbare Welt“, die wir Menschen wissenschaftlich erforschen und technisch bearbeiten können, scheint eben nicht alles zu sein, was existiert – und interessiert. Menschen haben seit jeher gespürt, dass es auch noch eine andere Dimension der Wirklichkeit gibt. Fachleute nennen das „Transzendenz“. Die Engel sind gleichsam Repräsentanten dieser Transzendenz – nicht nur im Christentum, sondern in vielen Religionen. Das Wort „Engel“ (von lateinisch „Angelus“) bedeutet „Bote“. Engel haben uns also „etwas zu sagen“. Ihr Wesen wird in der Bibel nicht genauer definiert. Wir hören, dass sie bestimmten Personen ein Wort Gottes übermitteln, Licht in schwierige Situationen bringen, Menschen helfend begleiten, sie vor Unheil bewahren, ihre Bitten vor Gott tragen und im Namen der ganzen Schöpfung Gottes Größe preisen. Bibeltexte, in denen von Engeln die Rede ist, sind auch in poetischer Hinsicht oft sehr schön. Es geht dabei um Gottes Nähe und um Kommunikation zwischen Schöpfer und Schöpfung. Die Engelsdarstellungen in Kirchen und anderswo können immer nur schwache Symbole für jene geheimnisvolle Wirklichkeit sein, die wir „Engel“ nennen. Vor zu naiven Vorstellungen ist zu warnen!

 

Als Kind glaubt man gerne an einen Schutzengel. Ist es albern, als Erwachsener an Schutzengel zu glauben?

In der Heiligen Schrift steht: „Er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen.“ (Psalm 91) Davon ermutigt sagt katholische Tradition: Jeder Mensch hat (zumindest) einen Schutzengel. Das ist zwar kein Dogma, aber ich sehe darin einen schönen Ausdruck dafür, dass Gott die Menschen nicht nur allgemein liebt, sondern jedem und jeder von uns auf besondere Weise nahe ist!

 

In gewissen Läden findet man esoterische Bücher über Engel und Unmengen an Engelsdevotionalien, wie Anhänger, Steine oder Sprays. Wo liegt der Unterschied zwischen solchen und christlichen Engelsvorstellungen?

Die biblisch-christliche Engel-Tradition ist bescheiden und weiß weit weniger über die Engel, als manche Esoteriker zu wissen vorgeben. Nach christlicher Theologie können Engel die Beziehung zwischen Gott und Mensch unterstützen, aber sie spielen dabei niemals die Hauptrolle! Das ist für mich ein wesentliches Unterscheidungskriterium. Das Geschäft mit Engel-Sprays, Wunder-Steinen, Engel-Karten usw. ist von daher leicht zu durchschauen.

 

Was kannst du den Lesern und Leserinnen unseres Pfarrblattes mitgeben?

Christentum ist weit mehr als Engel-Glaube. Das, was Engel geistig ausdrücken und repräsentieren, die helfende Nähe Gottes, ist für uns viel deutlicher in Jesus Christus gegeben. Er ist nicht bloß ein „guter Geist“, sondern „Fleisch“ gewordene Liebe Gottes. An seinen Worten, seinen Taten, seinem ganzen Leben bis zur Hingabe am Kreuz können wir erfahren, wie sehr Gott uns liebt – und zwar jede und jeden von uns.

 

 

Zitate zum Weiterdenken

 

„Sind sie nicht alle nur dienende Geister, ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erlangen sollen?“

Hebräer 1,14

 

„Dass es geistige, körperlose Wesen gibt, die von der Heiligen Schrift für gewöhnlich ‚Engel‘ genannt werden, ist eine Glaubenswahrheit. Das bezeugt die Schrift ebenso klar wie die Einmütigkeit der Überlieferung.“

Katechismus der katholischen Kirche 328

 

„Fürbitten heißt: jemanden einen Engel senden.“

Martin Luther (1483-1546)

 

„Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen.“

Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

 

Ihr Ungeübten, die in den Nächten nichts lernen. Viele Engel sind euch gegeben. Aber ihr seht sie nicht.“

Nelly Sachs (1891-1970)

 

„Sagt mir doch nicht

Es gäbe keine Engel mehr

Wenn Ihr die Liebe gekannt habt

Ihre rosigen Flügelspitzen

Ihre eherne Strenge.“

Marie Luise Kaschnitz

 

 

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