Karl Veitschegger (2006)

 

Lästerliche Gottesbilder?


 

Aus einem Brief eines freikirchlichen Christen:

„In alten katholischen Kirchen habe ich schon oft Gottesbilder gesehen. Da sieht man einen alten Mann, an seiner Seite Jesus und zwischen beiden eine Taube. Das soll der dreifaltige Gott sein? Ist das nicht Gotteslästerung. In der Bibel steht doch: Macht euch kein Gottesbildnis, das irgendetwas darstellt, keine Statue, kein Abbild eines männlichen oder weiblichen Wesens, kein Abbild irgendeines Tiers, das auf der Erde lebt, kein Abbild irgendeines gefiederten Vogels, der am Himmel fliegt …! (5 Mose 4,16f) – Wie können Katholiken so etwas zulassen?"

 

 

Kein Abbild Gottes

Zuerst einmal muss ich klarstellen: Kein Bild in einer katholischen Kirche kann oder will Gott darstellen. Es wäre tatsächlich „verderblich“, würde man solche Gemälde für Portraits von Gott halten oder sie gar mit Gott selbst verwechseln. Gott ist unendlich anders als alles Sichtbare und Geschaffene und kann bildlich nicht festgehalten werden. Ja, auch kein noch so weiser Gedanke kann Gott erfassen. Der mittelalterliche Bischof, Philosoph und Theologe Anselm von Canterbury (1033–1109) redet in einem Gebet Gott so an: „Du bist nicht nur das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, sondern du bist größer als das, was gedacht werden kann!“

 

Nur Sinnbilder

Wir müssen also sehr vorsichtig sein, wenn wir von Gott reden und uns von ihm Vorstellungen machen. Andererseits sind wir, wollen wir Gott nicht gänzlich verschweigen, darauf angewiesen, irdische Begriffe, Symbole, Bilder zu verwenden. Die Bibel selbst stellt uns solche Bilder vor das geistige Auge: Gott als Burg, Schild, Licht, Vater, Töpfer, König, Hirte, Mutter, Arzt, Befreier usw. Und Künstler und Künstlerinnen, die für unsere alten Kirchen ein „Dreifaltigkeitsbild" schufen, machten sich nicht eigenmächtig an die Herstellung eines „Abbildes von Gott“ – sie wussten sehr gut, dass man Gott nicht abbilden kann und darf! –, sondern sie stellten Symbole dar, die die Bibel selbst den Menschen zeigt:

 

Biblische Gottessymbole

Für Gott Vater verwendeten sie das Symbolbild des „Hochbetagten" bzw. des „Alten der Tage", wie es in einer Vision im Buch Daniel (7,9 und 7,13) geschaut wird. Es bringt Gottes Ewigkeit zum Ausdruck (vgl. auch Ezechiel 1,26: Herrlichkeit Gottes in Menschengestalt). Auch das Bild für Jesus, der als „Menschensohn“ zur Rechten des „Hochbetagten“ sitzt oder steht, ist biblischen Visionen entnommen (wobei Daniel 7,13 und Apostelgeschichte 7,56 einander ergänzen und erklären). Ebenso ist das Symbol für den Heiligen Geist, die Taube, ein von Gott geoffenbartes Symbol, wie die biblische Erzählung von der Taufe Jesu bezeugt (Lukas 3,22).

 

Maria

Manchmal findet sich auf „Dreifaltigkeitsbildern“ auch noch die Gestalt Marias, die vom dreifaltigen Gott die Krone des Lebens empfängt. Maria verkörpert hier den gläubigen und erlösten Menschen, an dem sich das Wort Christi erfüllt: „Sei treu bis in den Tod; dann werde ich dir die Krone des Lebens geben." (Offenbarung 2,10) Und: „Wer siegt, der darf mit mir auf meinem Thron sitzen, so wie auch ich gesiegt habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe." (Offenbarung 3,21)

 

Viertes Laterankonzil

Freilich können alle Bilder und Symbole, auch wenn sie aus der Bibel stammen – man denke nur an Gott als „Hochbetagten“ (Daniel 7,9) – sehr missverstanden und missdeutet werden. Davor warnt die katholische Kirche trotz traditioneller Bilderfreundlichkeit sehr eindringlich. Auf dem Vierten Laterankonzil (1215) hat sie erklärt: „Zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf kann man keine so große Ähnlichkeit feststellen, dass zwischen ihnen nicht eine noch größere Unähnlichkeit festzustellen wäre.“ Das heißt: Gebt acht! Jede noch so richtige Vorstellung von Gott enthält mehr Unrichtiges als Richtiges. Wer Gott ist, wie Gott ist und was Gott will, erkennen wir am besten, wenn wir auf das Leben Jesu schauen, wie es im Neuen Testament bezeugt ist (vgl. Johannes 14,8). In ihm ist Gott Mensch geworden und hat sichtbar unter uns gelebt. Wie nichts und niemand sonst ist Er „die Ikone (eikon) des unsichtbaren Gottes“ (Kolosser 1,15).

 

Karl Veitschegger

 

 

„Der Mensch braucht Bilder, sonst tötet ihn die Angst vor dem Unbegreiflichen, Unfassbaren.“

Luise Rinser, Mit wem reden, Frankfurt a. M. 1984, S. 28

 

 

Theologische Gedanken zum Christusbild

 

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