Karl Veitschegger (2021) Jessas,
Sapperlot und Pfiati Versteckte
religiöse Inhalte in Ausrufen und Redewendungen Gebete und Flüche Alle
kennen den Ausruf „Oje“. Aber dass es die Kurzform von „Ojemine“ ist, was
wiederum ein verkürztes „O Jesu Domine“ (O Herr Jesus) meint, wissen viele
nicht mehr. Der Ausruf war ursprünglich ein kurzes Gebet in großer Not. So
verstecken sich in vielen Ausrufen, die wir im Alltag gedankenlos von uns
geben, alte Gebete und Segenswünsche. Manchmal auch Flüche. Das
überraschte „Jessas“ ist eine Anrufung Jesu. Mit
der Langform „Jessas, Maria und Josef“ wird gleich
die ganze Heilige Familie um Hilfe gebeten. „Marandana“
richtet sich an die beiden heiligen Frauen „Maria und Anna“. Im empörten
„Herrschaftsseiten“ verbirgt sich ursprünglich das Gebet: „Herr, schau auf
die Seite!“. Gemeint ist: Ungut, was hier passiert, Herr, sieh darüber
hinweg! Im
zornigen Ausruf „Sapperlot“ steckt das biblische Sabaoth bzw. Zebaoth,
verkürzt für „Herrgott Zebaoth“ (Herr der Heerscharen), in „Kruzifix“, „fix“
und „verflixt“ das lateinische Crucifixus (der
Gekreuzigte), freilich nicht als Gebet, sondern als Fluch gegen Gott
verwendet. Ähnlich das zornige „Sakrament“ oder „Sakara“,
das auf eine Schmähung Jesu in der Eucharistie abzielt. Fluchen
beruht ursprünglich auf dem Aberglauben, man könne sich durch
Gotteslästerungen kurzzeitig die magische Hilfe des Teufels sichern.
Natürlich musste man das dann bereuen und beichten. Aber Gott verzieh und der
Teufel wurde kurz „ausgenutzt“. Fromme Wünsche und Gottvertrauen Das
Grußwort „Tschüss“ leitet sich vom spanischen „Adios“ ab und bedeutet wie das
französische „Adieu“, das eingedeutschte „Ade“ und das veraltete „Adjes“:
(Geh) mit Gott! Es ist eigentlich ein schöner Segen zum Abschied. In
anderen meist ebenso gedankenlos verwendeten Ausrufen ist der religiöse
Inhalt noch besser erkennbar: „Ach, Gott“, „du lieber Himmel!“, „Gott sei
Dank!“, „Gott bewahre!“ Ein
gestöhntes „Oh, du meine Güte“ spricht den gütigen Gott an, dem eine
ungewohnte Situation anvertraut wird. Auch ein „Meine Herren (war das
anstrengend)!“ richtet sich ursprünglich an Gott, den Herrn. Im Judentum wird
der Gottesname aus Ehrfurcht nicht ausgesprochen und durch das hebräische
„Adonai“ („meine Herren“, Majestätsplural) ersetzt. Das
nach bösen Überraschungen ausgerufene „Um Himmels Willen“, „Um Gottes Willen“
oder „Um Gottes Christi Willen“ bedeutet ursprünglich ein respektvolles
Sich-Einfügen in den momentan schwer nachvollziehbaren Willen Gottes. Schwerer
verständlich ist die Redewendung „Leider Gottes“. Sie soll (laut Duden) aus
„(bei dem) Leiden Gottes“ entstanden sein und ausdrücken, dass angesichts
eines bestimmten Ereignisses sogar Gott selbst leidet. Und
nun verabschiede ich mich mit dem in Österreich noch immer weit verbreiteten
„Pfiati“ oder „Pfiat di Gott“, denn das heißt
hochdeutsch: „Behüte dich Gott!“ Und ich sage es nicht gedankenlos. Dieser Artikel wurde
im „Sonntagsblatt für Steiermark“ veröffentlicht: Sapperlot und Pfiati Karl
Veitschegger Ein
Interview zum Thema in „konkret:magazin“
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