Karl Veitschegger (2004)

 

Jesus, Maria und Pilatus im Credo


 

In den großen Glaubensbekenntnissen der Kirche finden sich nur drei Eigennamen: Jesus, Maria und Pontius Pilatus. Das ist kein Zufall. Die Nennung dieser Namen soll unseren Glauben „erden“.

 

Jesus

Im Zentrum des Christentums steht nicht ein schöner Mythos, eine zeitlose Idee, ein erhabenes Moralprinzip oder eine bestimmte Meditationstechnik, sondern eine historische Person, eine konkrete Person aus Fleisch und Blut: der Zimmermann aus Nazaret mit dem jüdischen Namen Jesus. Christen sind überzeugt: Wer Gott kennen lernen will und wer verstehen möchte, wie es um den Menschen steht, der muss auf diesen Jesus schauen und sich auf sein Geschick einlassen.

Eine Anekdote erzählt, zu Napoleon sei einst ein Mann gekommen und habe ihm ein Buch überreicht mit den Worten: „Majestät, hierin habe ich die neue, vollständige Religion der Zukunft geplant, alle Punkte sind berücksichtigt.“ Napoleon blätterte das Buch durch und meinte schließlich: „Recht schön, aber eine Sache fehlt noch.“ Der Mann sagte: „Nein, es fehlt nichts, ich habe alles durchdacht.“ „Doch“, erwiderte Napoleon, „eine Sache fehlt noch.“ „Welche, Majestät?“ „Sie müssen sich noch dafür kreuzigen lassen!“

 

 

Pontius Pilatus

Diese Anekdote macht verständlich, warum Christen und Christinnen auch den Namen des Heiden Pontius Pilatus in ihr Credo aufgenommen haben: „gelitten unter Pontius Pilatus“. Dieser Name signalisiert: Hier geht es um ein geschichtliches Ereignis: Damals, als Pilatus römischer Prokurator in Judäa war, ist Jesus tatsächlich hingerichtet worden. Tod und Auferstehung Christi sind nicht bloß ein Mythos, ein schönes Bild für das alljährliche Sterben und Wiedererwachen der Natur oder Ähnliches. Nein, „sub Pontio Piltato“ heißt Kreuzigung durch die Römer, und das war eine brutale, handfeste Sache. Der Mann aus Nazaret ist nicht unser Erlöser geworden, weil seine Botschaft so schön und vernünftig klang, sondern weil er diese Botschaft vom Reich Gottes, diese Botschaft von der Gottes- und Nächstenliebe, ja auch Feindesliebe selbst restlos gelebt hat – bis zum Tod am Kreuz! „Da er die Seinen, die in der Welt waren, iebte er sie bis zur Vollendung.“ (Joh 13,1) In Jesus ist die Liebe Gottes wirklich Mensch geworden und hat das Schicksal des Menschen bis in die letzten Abgründe hinein geteilt. So bekommt auch der Mensch Anteil am Leben Gottes.

 

 

Maria

Untrennbar mit dem Leben Jesu verbunden ist der Name „Maria". Der belgische Kardinal Léon Suenens hat nach dem II. Vatikanischen Konzil auf die Frage, warum Maria vielen Menschen trotz allen Hinzeigens auf sie durch eben dieses Konzil so fremd sei, mit einem bedenkenswerten Wort geantwortet: „Wenn Christus für jemand zur bloßen Abstraktion geworden ist, dann bleibt auch Maria eine bloße Abstraktion, denn Abstraktionen brauchen keine Mutter“. Der Name „Maria“ im Credo und alle Marienbilder, Marienfeste und Marienwallfahrtsorte weisen darauf hin, dass Jesus von Nazaret keine Abstraktion, sondern – wie der erste Johannesbrief sagt – der „im Fleisch Gekommene “ (1.Joh 4,2) ist. Er hat eine Mutter, eine ganz und gar menschliche Mutter, eine jüdische Mutter. Ihr Name verbindet die Geschichte Jesu untrennbar mit der Geschichte Israels. Der Gott Abrahams, den Juden und Jüdinnen, aber auch Gläubige des Islams ehrfurchtsvoll anbeten, ist auch unser Gott. Er ist es, der in Jesus, dem „Gottes- und Mariensohn“, hautnah unser Immanuel, das heißt: Gott-mit-uns, geworden ist.

 

(Gedanken für Vesper-Predigt zum Fest Mariae Geburt)

 

Karl Veitschegger (2004)

 

 

In Caesarea am Meer gefundene Inschrift mit dem Namen des Prokurators Pontius Pilatus 

 

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