Karl Veitschegger (2007)

 

Verhütung? Abtreibung?


 

„Beantworten Sie mir bitte als katholischer Theologe kurz und prägnant einige Fragen", wendet sich Herr A. an mich. Hier eine Kurzfassung unseres Telefongesprächs:

 

Warum ist die katholische Kirche gegen Verhütung. Soll jede Frau zehn Kinder bekommen?

Nein, die Kirche ist nicht gegen Familienplanung, sondern dafür. „Liebe darf nicht unverantwortlich sein“, sagt auch der moralisch strenge Johannes Paul II. Was die Methoden betrifft, bejaht und fördert die offizielle Kirche die sogenannte „Natürliche Familienplanung“, weil diese sich am natürlichen Rhythmus der fruchtbaren und unfruchtbaren Tage der Frau orientiert. Sehr viele Paare gehen heute freilich andere Wege und wählen „künstliche Mittel“. Die Kirche weiß darum und hat Verständnis für die oft achtbaren Motive. Sie will aber andererseits – gerade in unsere Zeit, wo Menschen alles und jedes technisch manipulieren – deutlich daran erinnern: Die Geschlechtlichkeit des Menschen ist in ein sinnvolles Gefüge der Schöpfung eingebettet, das Behutsamkeit und Respekt verlangt und nicht willkürlich verändert werden soll.

 

Betrachtet es die Kirche als schwere Sünde, künstlich zu verhüten?

 Von „schwerer Sünde“ sprechen weder die kirchlichen Dokumente der letzten 50 Jahre noch der „Katechismus der katholischen Kirche“. Übrigens ist auch nach strengster katholischer Moraltheologie jedes Verhütungsmittel besser als eine Abtreibung, und Kondomgebrauch immer besser, als jemanden mit Aids zu infizieren.

 

Und Abtreibung?

Zur Abtreibung sagt die Kirche nie ja, weil dabei ein völlig wehrloses und unschuldiges Menschenleben zerstört wird. Sie setzt sich dafür ein, dass schwangere Frauen, auch solche, die sich in einer Notsituation befinden, zu ihrem Kind ja sagen können. Sie bietet dazu seelische, juridische und materielle Hilfe an. Freilich kommt es immer wieder vor, dass eine Frau sich subjektiv in einer ausweglosen Situation sieht und – oft unter Druck von außen – abtreiben lässt. Die Tür der Kirche bleibt auch dann für sie offen. Nicht verurteilen, sondern verstehen und Mut machen zu einem neuen Anfang, soll hier die Maxime der Seelsorge heißen. Aber unser Ja zum Leben muss immer erkennbar bleiben.

 

Wie denkt die Kirche im Fall einer Vergewaltigung über Abtreibung?

Ich kann mich als Mann wohl überhaupt nicht in die Situation einer Frau, der so etwas angetan worden ist, hineindenken. Wie immer eine Frau da handelt, ich maße mir gewiss kein Urteil über sie an! Freilich sagt die Kirche: Ein Recht auf Abtreibung, ich betone Recht, kann es nicht geben. Denn das Kind kann nicht wegen des Verbrechens seines Vaters sein Recht auf Leben verlieren. Frauen, die in einer solchen Situation zu ihrem Kind ja gesagt haben, sind wohl, wie der katholische Moraltheologe Eberhard Schockenhoff meint, Heroinnen des Guten.

 

Was hat Eberhard Schockenhoff genau gesagt?

Ich habe mir das notiert: Laut Radio Vatikan (19.8.2007) hat Schockenhoff erklärt: „Im Fall der Vergewaltigung ist es ein wirkliches Dilemma, denn hier ist die Frau selbst das erste Opfer eines Verbrechens geworden. Jetzt gibt es nur noch dann eine moralisch einwandfreie Auflösung des Konflikts, wenn die Frau, die gerade Opfer eines Verbrechens wurde, eine übermoralische, heroische Anstrengung vollbringt und dieses Kind, das in ihr heranwächst, das sie an das Verbrechen erinnert, dessen Opfer sie wurde, annehmen und lieben kann. Das übersteigt den Bereich dessen, was man als Pflicht bezeichnen kann. Das ist die einzige Antwort einer hochherzigen Liebe, die diesen moralischen Konflikt wirklich bestehen und auflösen kann. Aber zu solch einer hochherzigen Liebe sind viele Frauen nicht in der Lage, in dieser, für sie sehr dramatischen Situation.“

 

Karl Veitschegger (Oktober 2007)

 

Papst Benedikt XVI. über Empfängnisverhütung

 

Kardinal Ratzinger, späterPapst Benedikt XVI., empfiehlt im Buch „Salz der Erde“ (Stuttgart 1996, S. 214-217), die Haltung der Kirche zur Empfängnisverhütung nicht vom Einzelfall her zu beurteilen, sondern die drei großen Intentionen wahrzunehmen: (1) positive Haltung zum Kind, (2) Blick auf den Zusammenhang von Sexualität und Fortpflanzung, (3) Wissen, „dass man große moralische Probleme nicht einfach mit Techniken, mit Chemie lösen kann, sondern sie moralisch durch einen Lebensstil lösen muss“ (S. 216). Und im Einzelfall? Wenn ein Ehepaar z. B. schon mehrere Kinder hat? – „Ich würde sagen, das sind Fragen, die mit dem Seelenführer, mit dem Priester besprochen werden sollten, die man nicht ins Abstrakte projizieren kann.“ (S. 217)

 

Schwangerenberatung: http://schwangerenberatung.caritas-graz.at

Zum Artikel: Aids, Kirche und Kondome

 

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