Karl Veitschegger (2009) „Das Konzil – ein großer Sprung nach vorn!“ Vor rund 50 Jahren wurde das Zweite Vatikanische Konzil
angekündigt Frischluft! „Ich
will die Fenster aufmachen, damit frische Luft in die Kirche kommt“, soll
Papst Johannes XXIII. gesagt haben, als er das Zweite Vatikanische Konzil
(1962–1965) ankündigte. Was er und sein Nachfolger, Paul VI., schließlich in
die Tat umsetzten, wurde zur größten Kirchenversammlung in der Geschichte des
Christentums. Rund 2500 Bischöfe aus der ganzen Welt bemühten sich, die
Botschaft Christi den Menschen „von heute“ verständlich zu machen. Reformen Was
in der Kirche bleibt immer gültig? Was ist zeitbedingt? Was soll verändert
werden? – Auf diese Fragen wurden Antworten gesucht. Ein bedeutendes
Reformwerk begann. Dabei ging es um die Erneuerung der Herzen, aber auch um
die Erneuerung der sichtbaren Gestalt der Kirche. Ihre Institutionen, Ämter
und Zeremonien sollten wieder der Schlichtheit des Evangeliums und den Anforderungen
der modernen Zeit angepasst werden. Das Konzil verabschiedete 16 Dokumente.
An einige wichtige Impulse daraus sei hier erinnert: ► Das kirchliche Leben soll sich wieder
stärker an der Heiligen Schrift orientieren. ► Seelsorge muss auf die wirklichen Sorgen und
Nöte der heutigen Menschen eingehen. ► Kirche ist nicht bloß Klerus, sondern das
ganze „Volk Gottes“. Alle Gläubigen sind durch die Taufe zum
„gemeinsamen Priestertum“ (gemeinsame Verantwortung für Kirche und Welt)
berufen. ► Priester- und Bischofsamt sind keine
Berufungen zum Herrschen, sondern zum Dienst am Gottesvolk. Auch der Papst
ist kein Herrscher, sondern soll in Kollegialität mit den anderen
Bischöfen für die Einheit der Kirche sorgen. Priester und Laien sollen
geschwisterlich zusammenarbeiten. ► Alle Gläubigen, nicht nur Ordensleute und
Kleriker, sind zur „Heiligkeit“ (= zu einem Leben wahrer Liebe)
berufen. ► Die Liturgie soll wieder stärker gemeinsame
Feier des Gottesvolkes werden. Latein darf durch die jeweilige Landessprache
ersetzt werden. ► Die Abwehrhaltung gegenüber Andersdenkenden
soll ersetzt werden durch eine Haltung der Offenheit, der
Wertschätzung und des Dialoges: Dialog mit den getrennten Christen,
dem Judentum und den nichtchristlichen Religionen, Dialog mit den Ungläubigen
und modernen Ideologien. Die Kirche will mit allen Menschen guten Willens
zusammenarbeiten und lernt von den Anderen – zum Wohl aller. ► Die Kirche bekennt sich zur Religions-
und Gewissensfreiheit: In religiösen Dingen darf kein Zwang ausgeübt
werden. ► Innerhalb der Kirche ist eine berechtigte
Meinungsvielfalt möglich – besonders auch in politischen Fragen. Was bleibt? Die
große Begeisterung, die nach dem Konzil viele in der katholischen Kirche
ergriffen hat, ist inzwischen abgeklungen. Vieles ist selbstverständlich
geworden (z. B. Volkssprache in der Liturgie). Anderes gestaltete sich
mühsamer, als ursprünglich gedacht (z. B. Ökumene). Ernüchterung ist
eingetreten. Außerdem wurden seit dem Konzil neue Fragen brisant (z. B.
Frauenfrage, Umweltfrage). Ist das Konzil veraltet? Haben gar jene religiösen
Gruppen Recht, die es rückgängig machen oder zumindest einebnen wollen? Oder
bleiben seine Grundimpulse richtungweisend? Johannes Paul II. nannte das
Konzil ein Geschenk des Heiligen Geistes, einen „Sprung nach vorn“ und einen
„Kompass“ für die Zukunft. Jetzt geht es darum, nicht stehen zu bleiben,
sondern weiter zu gehen. Päpstliche Stimmen „Wir wollen
vielmehr unterstreichen, dass die Religion dieses Konzils die Nächstenliebe
ist […] Die uralte Erzählung vom barmherzigen Samariter wurde zum Paradigma
für die Spiritualität dieses Konzils. […] Eine Woge der Zuneigung und der
Wertschätzung für die moderne Welt ging von diesem Konzil aus. Natürlich
werden die Irrtümer abgelehnt, dass verlangt die Verpflichtung zur Liebe und
nicht weniger die Verpflichtung zur Wahrheit. Aber für die Menschen gibt es
nur Ermutigung, Respekt und Liebe. Statt niederschmetternder Einschätzungen
schlägt das Konzil ermutigende Heilmittel vor; statt dunkler Vorahnungen hat
das Konzil Botschaften des Vertrauens an die zeitgenössische Welt gerichtet.
Nicht nur wurden ihre Werte respektiert, sondern sogar geehrt und ihre
Anstrengungen unterstützt und ihre Bestrebungen geläutert und gesegnet. […]
Und noch eine andere Sache wollen wir hier aufzeigen: All dieser doktrinäre
Reichtum hat ein einziges Ziel, nämlich dem Menschen zu dienen. Und zwar dem
Menschen, so dürfen wir sagen, in jeder Lebenslage, in all seinen Krankheiten
und in all seinen Bedürfnissen.“ Papst Paul VI. (zum Abschluss des Konzils) „... die erneute Herabkunft des Heiligen Geistes,
die mit dem II. Vatikanischen Konzil geschehen ist..." Johannes Paul II (Christifideles laici 2) „Das Zweite Vatikanum war eine neue Lektüre des
Evangeliums im Licht der zeitgenössischen Kultur. Es hat eine Bewegung der
Erneuerung ausgelöst, die aus dem Evangelium selbst kommt. Die Früchte waren
enorm. […] Ja, da gibt es Linien, die auf eine Hermeneutik der Kontinuität
und eine der Diskontinuität hinweisen. Aber eines ist klar: Die Dynamik der
aktualisierten Lektüre des Evangeliums von heute, die dem Konzil eigen ist,
ist absolut unumkehrbar.“ Papst Franziskus (in: Antonio Spadaro SJ, Das Interview mit Papst Franziskus) Mein Vortrag "Kirche im Dialog" Zurück zur Startseite von Karl Veitschegger Zurück zum Menü "Artikel, Referate, Skizzen ..." Karl Veitschegger © 2009 |