Karl Veitschegger (2000)

 

Wie unser Sonntag entstand


 

Urkirche

Schon in der Urkirche versammeln sich die Christen und Christinnen am Sonntag (vermutlich am Abend), um mit dem Mahl des Herrn den Auferstehungstag Jesu zu feiern (vgl. Apostelgeschichte 20,7). Justinus, ein frühchristlicher Philosoph und Märtyrer (+ 165) schreibt: „Am Sonntag kommen wir alle zusammen, weil [...] Jesus Christus, unser Erlöser an diesem Tage von den Toten auferstanden ist." Der wöchentliche „Tag des Herrn“ ist Wurzel und Vorbild für alle späteren christlichen Feste und Feiertage. Aus Freude über die Auferstehung wird in der frühen Kirche am Sonntag nie gefastet und beim Gottesdienst nicht gekniet, sondern nur stehend gebetet.

 

Seit Konstantin

Im römischen Reich ist der Sonntag zunächst kein Ruhetag. Christliche Männer und Frauen müssen ihre Arbeit unterbrechen, um am Gottesdienst teilnehmen zu können. In Verfolgungszeiten bezahlen viele von ihnen ihre Treue zum Sonntagsgottesdienst sogar mit dem Leben. Erst Kaiser Konstantin erlaubt das Christentum und ordnet im Jahr 321 eine weitgehende Sonntagsruhe an: Jegliche Arbeit, die Feldarbeit ausgenommen, wird verboten; mit Ausnahme der Sklavenfreilassung dürfen keine Gerichtshandlungen stattfinden; für christliche Soldaten wird der Sonntagsgottesdienst zur Pflicht, für heidnische Soldaten werden eigene zumutbare religiöse Feiern gehalten.

 

Vorbild Sabbat

Im Laufe der Zeit gleicht sich der Sonntag (1. Tag der Woche) äußerlich immer stärker dem jüdischen Ruhetag, dem Sabbat (7. Tag der Woche) an. Das Judentum feiert am Sabbat die Vollendung der ersten Schöpfung, Christen und Christinnen feiern am Sonntag den Beginn der neuen Schöpfung: „Wenn jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden." (2 Korinther 5,17) In diesem Sinn wird der Sonntag auch oft „achter Tag" genannt. Das Neue, das Christus gebracht hat und alles Bisherige übersteigt, wird von Christinnen und Christen bewusst am Sonntag öffentlich gefeiert.

 

Sonntagsruhe

Die Sonntagsruhe wird zu einer tragenden Säule christlicher Kultur. Auch die Reformationskirchen haben den Sonntag als christlichen Feiertag beibehalten (nur die Adventisten setzen sich für die Wiedereinführung des Sabbats ein). In Österreich ist die Sonntagsruhe durch das Gesetz vom 16.11.1895 (mit Modifizierungen aus späteren Jahren) unter Berücksichtigung von Versorger- und Verbraucherinteressen geregelt. Ein Detail am Rande: Die Sowjetunion schaffte den Sonntag zunächst aus wirtschaftlichen Überlegungen ab, führte ihn aber 1940 für alle genossenschaftlichen und gesellschaftlichen Betriebe wieder ein. Er behielt in Russland auch immer seinen christlichen Namen „woskresnje" (= Tag der Auferstehung).

 

Karl Veitschegger (13.1.1999)

 

 

Interessantes zum Thema „Sonntag“

 

„Wir haben in unserer Welt nicht mehr so viele Symbole und Werte, dass wir leichtfertig und zynisch damit umgehen können. Leichtfertig und zynisch ist auch die Drohung: Wenn ihr am Sonntag nicht arbeiten wollt, werdet ihr eben gar keine Arbeit haben. Friss Vogel oder stirb: das Motto des Brutalkapitalismus.“

Günther Nenning, österreichischer Journalist

 

„Der Sonntag bringt keinen Ertrag, aber er macht unser Leben erträglich. Er stört unser normales Leben, damit wir uns nicht selbst zerstören.“

P. Johannes Jamernegg

 

„Was kostet uns der Sonntag? – Die Frage selbst ist schon der entscheidende Anschlag auf den Sonntag. Der Sonntag ist nämlich gerade dadurch Sonntag, dass er nichts kostet und – im ökonomischen Sinne – nichts bringt. Die Frage, was sein Schutz als arbeitsfreier Tag kostet, setzt nämlich voraus, dass wir gedanklich den Sonntag bereits in einen Arbeitstag verwandelt haben."
Robert Spaemann, Philosoph

 

„Wenn wir am Sonntag auf Produktion und Konsum verzichten, machen wir einen Gewinn an Humanität und an Lebensqualität.“

Hirtenbrief der Schweizer Bischöfe 1996

 

 

Aus dem Katechismus der katholischen Kirche:

 

„An die Stelle des Sabbats, des Gedenkens an die Vollendung der ersten Schöpfung, ist der Sonntag getreten, der an die neue Schöpfung erinnert, die mit der Auferstehung Christi angebrochen ist." (2190)

„Die Teilnahme an der gemeinsamen sonntäglichen Eucharistiefeier bezeugt die Zugehörigkeit und Treue zu Christus und seiner Kirche. Die Gläubigen bestätigen damit ihre Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe." (2182)

 

 

Aus dem Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (Advent 2003)

 

„Von besonderer Bedeutung ist der freie Sonntag als ein wertvolles Gut der ganzen Gesellschaft, für dessen Erhalt sich die Kirchen gemeinsam mit vielen zivilgesellschaftlichen Kräften einsetzen. Dienste, die für das Wohl aller unverzichtbar sind, müssen auch an Sonn- und Feiertagen geleistet werden. Jene Menschen, die dies für die anderen auf sich nehmen, verdienen besonderen Respekt".

 

 

Referatsskizze: Vom Sabbat zum Sonntag

 

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