Karl Veitschegger
(2006) Der
„erste Tag“ Unser Tagesname
„Sonntag“ (lat. dies solis) stammt nicht aus der Bibel, sondern aus der
griechisch-römischen Kultur, in der Wochentage mit Namen von Gestirnen belegt
worden sind. In der Bibel wird der Sonntag schlicht „erster Tag“ genannt,
weil im Volk Israel mit diesem Tag die Arbeitswoche beginnt. Das Judentum
feiert nicht den Sonntag, sondern den Sabbat, den siebenten Tag der Woche,
als heiligen Ruhetag. Dennoch spielt der Sonntag in den Erzählungen der Bibel
eine wichtige, ja entscheidende Rolle. Es ist wohl kein Zufall, dass sich
gerade an Sonntagen der dreifaltige Gott – als göttlicher Urheber des
Lichtes, als „wahre Sonne“ Jesus Christus und als feuriger Gottesgeist –
offenbart: Tag des
Lichtes, Tag des Anfangs Es wird das erste Mal
Sonntag, als Gott, der Schöpfer, das Licht ins Dasein ruft: „Im Anfang schuf
Gott Himmel und Erde … Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott
sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis, und
Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde
Abend, und es wurde Morgen: erster Tag“ (Genesis 1,1–5). Der Sonntag
steht für den Beginn der Schöpfung und der Geschichte. Tag des
Lebens, Tag des Glaubens Es ist Sonntag, als
Jesus von den Toten aufersteht: „Nach dem Sabbat kamen in der Morgendämmerung
des ersten Tages der Woche Maria aus Magdala und die andere Maria, um
nach dem Grab zu sehen ... Der Engel aber sagte zu den Frauen: Fürchtet euch
nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn
er ist auferstanden, wie er gesagt hat“ (Matthäus 28,1-6). An diesem Sonntag
erscheint Jesus mehreren Jüngern. Am Sonntag darauf – so das
Johannesevangelium – erscheint er auch dem Zweifler Thomas, der den
Auferstandenen schließlich als „Herrn und Gott“ erkennt und bekennt (Johannes
20,26–29). Der Sonntag wird zum österlichen Tag: Tag des Lebens, Tag des
Glaubens. Tag der
Ermutigung, Tag des Heiligen Geistes Es ist wieder Sonntag,
als der Heilige Geist kraftvoll auf die Apostel und die ersten Jüngerinnen
und Jüngern Jesu herabkommt: „Als der Pfingsttag gekommen war (nach Levitikus
23,16 ist das ein Sonntag!), befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam
plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt,
und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen
wie von Feuer ... Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt“ (Apostelgeschichte
2,1–4). Der Geist Gottes befähigt sie zu Neuem, macht Mut zur Kommunikation
und zum gegenseitigen Verstehen („Sprachenwunder“). Tag des
Miteinanders. An diesem Pfingstsonntag
– so erzählt die Apostelgeschichte mit merkbar theologischem Interesse weiter
– wächst aus der Kraft des Heiligen Geistes die Gemeinschaft der Kirche:
durch den Dienst der Apostel, durch die Verkündigung des Evangeliums, durch
das Zeichen der Taufe. Petrus lädt viele Menschen, die aus aller Welt zum
jüdischen Pfingstfest nach Jerusalem gekommen sind, ein: „Kehrt um, und jeder
von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen…“ (Apostelgeschichte
2,38). Und es werden an diesem Tag „etwa 3000 Menschen“ in die junge
Gemeinschaft der Kirche aufgenommen: Sonntag – Tag der lebendigen Kirche. Tag der
Eucharistie, Tag des Herrn Der Sonntag ist auch
schon sehr früh als Tag der Eucharistiefeier (diese wird auch „Brotbrechen“
genannt) bezeugt: „Als wir am ersten Tag der Woche zum Brotbrechen
versammelt waren, redete Paulus zu ihnen …“ (Apostelgeschichte 20,7). Weil man dabei vor
allem die Gegenwart des auferstandenen Herrn feiert, erhält der Sonntag auch
einen speziell christlichen Namen: „Tag des Herrn“ oder „Herrentag“
(Offenbarung 1,10). Im Bibelgriechischen heißt das „kyriake hemera“, im
Latein der Kirche „dies dominicus“ oder „dies dominica“. Dieser christliche
Name für den Sonntag ist in romanischen Sprachen bis heute deutlich erkennbar
(ital. domenica, span./portug. domingo, franz. dimanche, rumän. duminica,
katalan. diumenge): Sonntag – Tag der Eucharistie, Tag des Herrn. Tag der
Solidarität Wenn Christenmenschen
Eucharistie feiern, denken sie auch an die Armen. So tragen die ersten
Christen und Christinnen von Korinth jeweils am Sonntag ihre Spenden als
Liebesgabe für die Armen in Jerusalem zusammen. Der Apostel Paulus schreibt
dazu: „Jeder soll immer am ersten Tag der Woche etwas zurücklegen und
so zusammensparen, was er kann. Dann sind keine Sammlungen mehr nötig, wenn
ich komme. Nach meiner Ankunft werde ich eure Vertrauensleute mit Briefen
nach Jerusalem schicken, damit sie eure Liebesgabe überbringen“ (1 Korinther
16,2). Sonntag – Tag der Geschwisterlichkeit, Tag der Solidarität. Tag der
Ruhe Erst zu Beginn des 4.
Jahrhunderts wird der Sonntag auch zum staatlichen Feiertag mit gesetzlich
geregelter Arbeitsruhe. In gewisser Weise kommt dadurch das weise Anliegen
des jüdischen Sabbats auch im Christentum wieder neu zur Geltung. Der
bewährte biblische Rhythmus von Arbeit und Mindest-Freizeit wird zum Segen
für die gesamte Gesellschaft: „Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten Tag
sollst du ruhen!“ (Exodus 34,21) Der (möglichst)
arbeitsfreie Sonntag gehört zu den großen sozialen und kulturellen
Errungenschaften, die Europa dem Judentum und dem Christentum verdankt. Tag
der Ruhe, Tag für die Menschen. Wir sollten sorgsam damit umgehen. Zurück zur Startseite von Karl Veitschegger Zurück zum Menü "Artikel, Referate, Skizzen ..." Karl Veitschegger © 2006 |