Karl Veitschegger (2011)

 

Ostern: Fest des Aufstandes

Beitrag für Osterpfarrblatt 2011 der Pfarre Weiz


 

„Aufstand in Ägypten", „Aufstand in Libyen"... – selten stand das Wort „Aufstand" so oft in den Schlagzeilen wie in den letzten Monaten und Wochen. Menschen, durch Jahrzehnte politisch niedergehalten, gehen auf die Straße und rufen nach Freiheit, nach Befreiung von einem diktatorischen System. Auch wenn oft unklar ist, wie die Zukunft aussehen soll, flackert in ihnen die Hoffnung, dass es eine gute Zukunft sein wird. Was hat das mit Ostern zu tun?

 

Gott ist ein Aufständischer

Im Neuen Testament wird für „Auferstehung" ein griechisches Wort verwendet (anastasis), das auch mit „Aufstand“ übersetzt werden kann. Ostern ist für gläubige Christenmenschen nicht nur ein liebliches Frühlings-Hasen-Fest, sondern zuerst einmal das große Fest des Aufstandes. Wie im jüdischen Pessachfest wird auch in der christlichen Osternachtfeier Jahr für Jahr die biblische Erzählung von der Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei Ägyptens vorgetragen (Ex 14,15-15,1). Die antike Gewaltsprache dieser Lesung aus dem Alten Testament mag heute viele befremden oder gar abstoßen, vor allem wenn man diesen Text als Tatsachenbericht missversteht. Aber darum geht es der Bibel an dieser Stelle nicht. Vielmehr wird hier eine uralte Überlieferung aus der Anfangszeit Israels (13. Jh. v. Chr.) wie eine altorientalische Siegesgeschichte ausgestaltet und erzählt, um kommenden Generationen ein eindrucksvolles Symbol der Hoffnung zu geben: Gott selbst ist ein Aufständischer! Damals und immer wieder. Er verbündet sich mit den Unterdrückten, den Schwachen, den Verachteten, ja mit allen, die um ihr Lebensglück betrogen werden. Er verbündet sich mit ihrer Sehnsucht nach Freiheit und Glück. Und wenn Gottes Mühlen auch langsam mahlen, wie ein Sprichwort weiß, sie mahlen sicher. Gott führt die Bedrängten heraus aus „Ägypten“. Jüdische Gelehrte weisen darauf hin, dass das hebräische Wort für Ägypten – mizraim [מצרים] – auch als mezraim, was Bedrängnis bedeutet, ausgesprochen werden kann1. Gott führt sein Volk aus der Bedrängnis des Pharao. Dieser „Pharao“ kann viele Namen tragen: Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Hartherzigkeit, Angst und Tod. Und unter den „Erstgeborenen Ägyptens“, die Gott tötet, darf man wohl die „Ausgeburt" der Unterdrückung verstehen: Korruption, Lüge, Verstellung, Terror usw.

 

Die unwiderrufliche Wende

Politische Revolutionen bringen nicht immer das große Glück. Mitunter bringen sie neues Elend. Auch das Volk Israel hat, wie die Bibel erzählt, die neu gewonnene Freiheit nicht immer sinnvoll genützt. Aber die Sehnsucht nach Freiheit und der Wunsch nach einer menschlicheren Welt sind etwas Heiliges, das Streben danach gottgewollt. Die Grundbotschaft der Bibel lässt keinen Zweifel daran, dass es sinnvoll ist, trotz vieler Rückschläge an einer gerechteren Welt zu arbeiten. Und der Blick auf Jesus Christus zeigt uns, dass Gott eines Tages alles zum Guten wenden kann. Im Schrei des Gekreuzigten sammeln sich die Schreie der Gequälten aller Zeiten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und die Antwort Gottes ist jenes Ereignis, dass die Bibel „Auferstehung“ oder „Aufstand“ (anastasis) nennt. Der auferstandene Christus ist Gottes endgültiger Aufstand gegen alles Zerstörerische, die unwiderrufliche Wende. Ostern ermutigt uns: Gott wird einmal alle „Karfreitage" seiner Geschöpfe in Osterlicht verwandeln. Er ist letztlich stärker als menschliches Versagen, Naturkatastrophen, Krankheit, Leid und Tod. Wer die Sehnsucht nach Gerechtigkeit mit dieser christlichen Hoffnung verbindet, kann selbst zum Osterlicht werden. Dürfen wir daran glauben? – Yes, we can!

 

Karl Veitschegger

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1. Vgl. Arjeh Lieo Gur, Hat das Pessachfest auch heute und für uns eine besondere Bedeutung?, in: http://www.jkg-erlangen.de/pessach_1.php (2011)

 

 

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