Karl Veitschegger (1995) Kleine Geschichte der Orgel Aus der „Heidenwelt“ in die Kirche Im Bereich der weltlichen Musik ist die Orgel
schon im 3. Jahrhundert vor Christus im Einsatz und wird „Hydraulos"
genannt, da der Winddruck mit Wasser (griechisch: hydor)
geregelt wird. Später wird der Blasbalg die Druckregelung übernehmen. Im
frühchristlichen Gottesdienst ist Orgelmusik noch völlig unbekannt. Die
römische Märtyrerin Cäcilia (+ um 230?), heute als Patronin der Kirchenmusik
verehrt und oft mit Orgel dargestellt, war also bestimmt keine christliche
Organistin. Sie verdankt ihre Beziehung zur Musik einem Satz in Ihrer
Legende, wo von ihrer Hochzeit die Rede ist: „Cantibus organis
Caecilia virgo in corde suo
soli Deo cantabat
..." – „während die Instrumente
(der heidnischen Hochzeitsmusik!) erklangen, sang Cäcilia in ihrem Herzen nur
für Gott ...“ Im Jahre 757 schenkt Kaiser Konstantin V. von
Byzanz dem Franken Pippin III. eine Orgel. Auch Karl der Große erhält 811
eine Orgel aus Byzanz. Bald erklingen Orgeltöne nicht nur bei weltlichen
Festlichkeiten am fränkischen Hof, sondern nach und nach auch in den Kirchen
der abendländischen Christenheit. Das 14. und 15. Jahrhundert bringen
wichtige Neuerungen. Die Einführung der schmalen Orgeltasten, die Scheidung
der Gesamtheit der Töne in Register und die Aufteilung in Teilwerke. Neben den Großformen entwickeln sich auch
Kleinformen: tragbare Orgeln und kleine Standorgeln mit nur wenigen
Registern. Im 17. Und 18. Jahrhundert erreicht der Orgelbau die Hochblüte an
vielseitigen Klangmöglichkeiten. Im 19. Jahrhundert droht der
charakteristische Orgelklang durch die Nachahmung des Orchesterklanges
(„Orchesterorgel“) verloren zu gehen. Die „Orgelbewegung“ im 20. Jahrhundert
besinnt sich dann wieder stärker auf die Bauprinzipien aus der Zeit vor 1750.
Auch in der erneuerten katholischen Liturgie nach dem Zweiten Vatikanischen
Konzil (1962–1965) erfreut sich die „Königen der Instrumente“ größter
Beliebtheit. Die Geschichte der Orgel ist ein überzeugendes Beispiel dafür,
wie das Christentum aus der „Heidenwelt" kulturell Wertvolles und
Kostbares übernehmen und genial weiterentwickeln kann – zum Lobe Gottes und
zur Freude der Menschen. (Beitrag für „Neues vom Graben“ 3/1995) Karl
Veitschegger (1995) Liturgisches
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