Karl Veitschegger (2024)

 

War Maria schön?


 

Das „Auge“ des Volkes

Das katholische Kirchenvolk zweifelt nicht daran, sondern preist in seinen Liedern die Mutter Jesu als „wunderschön Prächtige“ und „schönste aller Frauen“.  Die offizielle katholische Liturgie des 8. Dezember stößt ins selbe Horn: „Ganz schön bist du, Maria …“ Freilich, hier geht es weniger um ihre körperliche Schönheit als um die Schönheit ihrer Seele, die Reinheit ihres Herzens. Aber eine Frau, der Gott im Lukasevangelium (1,28) durch einen Engel sagen lässt, sie sei die Kecharitomene (griech. Κεχαριτωμένη = Begnadete, Gnadenvolle), also die Frau voller Charme, Anmut und Gnade, kann nicht hässlich sein — weder innerlich noch äußerlich. Da war man sich bald einig, auch wenn die Evangelien nichts über ihr Aussehen verraten.

 

Eine Orientalin

Die historische Maria war, als sie schwanger wurde, ein jüdisches Mädchen im Palästina der Zeitenwende, also eine Orientalin, vermutlich 15 Jahre alt, vielleicht 1,60 m groß und 45 kg leicht. Forschende berufen sich dabei auf Durchschnittswerte, die sie aus Knochen- und anderen Funden in Gräbern junger Frauen eruieren.  Maria — ihre Familie nannte sie Mirjam oder Mariam — hatte wie die meisten Mädchen ihrer Umgebung vermutlich leicht gebräunte oder olivfarbene Haut, dunkle Augen und dunkles Haar, das zu einem Knoten gebunden nie geschnitten wurde. „Sie war eine levantinische Schönheit“, schwärmte ein Freund von mir. Er habe das irgendwo in einer Zeitschrift gelesen. Na ja. Beweise hatte er dafür nicht. Aber ich gebe zu, dass mir seine Vorstellung nicht missfiel. Immerhin schreibt ja auch der Pilger von Piacenza im 6. Jh., dass in Nazaret die schönsten Hebräerinnen leben und dass das auf die Verwandtschaft mit Maria zurückgeführt wird. (vgl. Antonini Placentini itinerarium 5)

 

Maria als Blondine?

Dass Maler und Malerinnen Maria später auch als liebliche Blondine mit möglichst heller Haut darstellen, ist einem späteren Schönheitsideal des Abendlandes geschuldet. (Auch ihr Sohn Jesus wird vor allem im amerikanischen Protestantismus zum blonden Helden.) Ganz anders die Ikonentradition des Ostens, wo Maria sich eine gewisse orientalische Herbheit bewahrt hat. Eine altchristliche Legende erzählt, bereits der Evangelist Lukas, der ja Arzt und Maler(!) gewesen sein soll, habe die Mutter Jesu porträtiert und so das Urbild für die Muttergottesikonen geschaffen. Das ist historisch haltlos. Dass Maria in der Ostkirche immer in kaiserlichem Purpur dargestellt wird und ihr die westliche Kunst je nach Mode die schönsten Kleider anzieht, wobei hier Blau dominiert, ist ihrer Würde zu verdanken, die sie jetzt im Himmel bei ihrem Sohn innehat als Himmelskönigin, Herrin, Madonna, Himmelmutter … In den sogenannten „Marienerscheinungen“, die das Muttergottesbild vieler Gläubigen prägen, wird Maria so wahrgenommen, wie es der Vorstellungswelt der jeweiligen Seher und Seherinnen entspricht: als junge Indiofrau, französische Dame, slawische Gospa … Und in manchen Wallfahrtsorten wird sie als „Schwarze Madonna“ verehrt.

 

 

Marias Garderobe

Die auf Erden lebende Maria trug vermutlich ein schlichtes fußlanges Leinengewand mit Gürtel und darüber einen Wollumhang, den sie sich auch über den Kopf ziehen konnte. Vielleicht hatte sie auch Sandalen an den Füßen, wenn sie am Dorfbrunnen für ihre Familie Wasser holte. Für den Bauhandwerker Josef war sie gewiss die schönste Frau von Nazaret, wenn er sie mit ihrem Krug am Kopf die Straße entlanggehen sah, und für den kleinen Jeschua die schönste Ima (aramäisch für Mama) der Welt.

 

Karl Veitschegger

 

Maria in der katholischen Glaubenslehre

Katholische Mariendogmen (Übersicht)

 

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