Karl Veitschegger (2002) Kirche, Religionen, Mission ... Das Verhältnis der katholischen Kirche zu
nichtchristlichen Religionen. Beitrag für kirche:konkret
10/2002 Katholisch – Größe XXL Sommer 2002: „Gottes Mantel - Größe XXL“,
kritzelt jemand auf den Umschlag seiner Bibel. „Nur Katholiken können in den
Himmel kommen!“, predigt 50 Jahre vorher noch mit großem Eifer der
US-amerikanische Priester Leonard Feeny (1897–1978). Und da er davon nicht ablassen will, sieht Rom
sich gezwungen, ihn zu exkommunizieren. Denn rund um den Petersdom denkt man
damals schon längst nicht mehr so eng. Elf Jahre später erklärt die
katholische Kirche (als erste aller christlichen Kirchen!) öffentlich und
feierlich (und nicht so salopp wie die eingangs erwähnte
Kritzelei) auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1963–1965): Gott will
das Heil aller Menschen und jeder Mensch, der aufrichtig seinem
Gewissen folgt, kann durch die Gnade Gottes das ewige Heil erlangen (vgl. LG
16). Zugleich drückt sie den nichtchristlichen Religionen, vor allem dem Judentum, dem Islam, dem Buddhismus
und dem Hinduismus, ihre große Wertschätzung aus und ruft zum Dialog mit ihnen auf. Wörtlich hält das Konzil fest: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab,
was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst
betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und
Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält
und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die
alle Menschen erleuchtet.“ (NA 2) Johannes Paul II. als Pionier Katholische Weite
war es auch, die Johannes Paul II. 1986 dazu bewog, Vertreter verschiedener
Religionen nach Assisi zu einem interreligiösen Weltgebetstreffen
zusammenzurufen. Der Papst setzte damit einen Meilenstein in der
Religionsgeschichte. Im Jänner 2002 lud er wieder zu einem solchen Treffen
nach Assisi und unterzeichnete gemeinsam mit anderen Religionsführern den „Friedensdekalog“, zehn Punkte, in denen „Gewalt und
Krieg im Namen Gottes“ scharf verurteilt werden und sich die Religionen zum
Einsatz für den Frieden und zur Solidarität mit den Ärmsten in der Welt
verpflichten. Der Papst schickte diese Urkunde des Friedenswillens bald
darauf an alle Regierungen der Erde. Nur in der Nacht
sind alle Katzen grau Manche
Menschen, die sich selbst als „katholisch glaubenstreu“ bezeichnen, waren
besorgt, der Papst verwische durch solche Aktionen die Unterschiede zwischen
den Religionen und leiste einem weitverbreiteten Indifferentismus (=
Weltanschauungs-Wischiwaschi) oder gar dem Synkretismus (=
Religions-Mischmasch) Vorschub. Doch der Papst weiß, was er tut. Ihm ist
klar: Niemand ist vor der Versuchung zur Nivellierung besser gefeit als
derjenige, der anderen Religionen mit Respekt und Interesse
begegnet. Desinteresse macht oberflächlich, Interesse hingegen scharfsichtig.
Wem Autos gleichgültig sind, den werden die Unterschiede zwischen einzelnen
Marken und Typen nicht sehr beschäftigen, sondern er wird sagen: Auto ist
Auto. Hingegen kann jeder 14-Jährige, der sich für Autos begeistert, genau
angeben, welcher Wagen sich wie auszeichnet und warum dieser oder jener sein
„Traumschlitten“ ist. Wer die Religionen wirklich achtet, wird sie näher
kennen lernen wollen, wird dabei viel Gemeinsames, aber gerade auch das
jeweils Besondere in Ihnen entdecken. Der Satz „Alle Religionen sind gleich“
hält dem Licht wahrer Aufklärung nicht stand. Nur in der Nacht sind alle
Katzen grau. Das Besondere des
Christentums „Gott
ist groß!“ – So oder ähnlich predigt man in Synagogen, Moscheen, Kirchen und
Tempeln. Dass Gott unendlich erhaben ist, dass man sich dem Göttlichen nur in
Ehrfurcht anbetend bzw. meditierend nähern kann, darin sind sich Gläubige
aller Religionen einig, und Christen und Christinnen teilen dankbar diese
Erfahrung. Aber sie können dabei nicht stehen bleiben. Das Entscheidende, das
Christen zu Christen macht und ihren Glauben wesentlich von anderen
Religionen unterscheidet, ist: „DAS mit Jesus aus Nazaret“ (Lk 24,19). Auf
den Punkt gebracht: Der ewige und erhabene Gott ist ein sterblicher Menschenbruder
geworden! Juden und Muslime würden in ihren Aussagen über Gott niemals so
weit gehen. Aber Christen und Christinnen dürfen und müssen es sagen: Gott
kennt das Menschsein aus eigener Erfahrung. Er hat in Jesus ein echtes
Menschenleben durchlebt und „durchliebt“, auch die dunklen Seiten unserer
Existenz: Angst, Einsamkeit, Ohnmacht, Leiden, Sterben und – so paradox es
klingen mag – sogar die Gottverlassenheit. „Mein Gott, mein Gott, warum hast
du mich verlassen?“ In diesem Schrei Jesu am Kreuz sammelt sich alle
Bitterkeit der Welt. Kein Leid bleibt draußen, jede Not findet Platz im
Herzen Gottes und trifft dort auf die Kraft dessen, „der die Toten
auferweckt“ (2 Kor 1,9). Die Moral von der
Geschichte Die
Geschichte des Jesus von Nazaret hat auch ethische Folgen: Wenn Gott Bruder
jedes Menschen geworden ist, gehört die Liebe zum Mitmenschen, ja auch die
zum Feind, wesentlich zum Gottesglauben. Freilich haben Christenmenschen in
den letzten 2000 Jahren darin oft versagt. Aber es geschah und geschieht auch
unermesslich viel Gutes durch überzeugte christliche Frauen und Männer. Eine
Mutter Teresa wird auch von Hindus wie eine Heilige verehrt, und der Dalai
Lama meint, der Buddhismus könne in der tätigen Nächstenliebe viel vom
Christentum lernen. „Mission Impossible“? Wer
bei einem Bildungswerkvortrag sagt, die Religionen sollten voneinander
lernen, erntet durchwegs kräftiges Kopfnicken. Meist wird gemeint, das Christentum
sollten von Gläubigen anderer Religionen lernen. Ein Prozess, der wichtig und
auch schon lange im Gange ist. Charles de Foucauld
(+ 1916) entdeckte, als er in Marokko Muslime ihr Gebet verrichten sah, neu
die Ehrfurcht vor Gottes Größe. Er wurde später katholischer Priester und
seine Spiritualität bewegt heute noch viele. Der Jesuitenpater Hugo Lassalle
(+ 1990) fand in Japan bei Meistern des Zen-Buddhismus wertvolle Inspiration
für die christliche Spiritualität. Das Motto „Voneinander lernen“ beinhaltet
aber auch, dass Nichtchristen etwas vom Christentum lernen dürfen. Dialog und
Mission sind kein Widerspruch, wenn sich Mission im Sinne des letzten Konzils
freihält von jeder Gewalt und Zwangsbeglückung. Christlicher Glaube bezeugt:
Gott hat uns in Jesus Christus alles geschenkt, was wir brauchen, um sinnvoll
leben, lieben und sterben zu können. Diese Glaubens- und Lebenserfahrung auch
anderen engagiert und mit großem Respekt vor ihrer Freiheit anzubieten, ist
Mission – mission, possible and fair. Karl Veitschegger im
September 2002 Vergleich Judentum – Christentum – Islam Friedensdekalog von Assisi 2002 Zurück zur
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