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Interview
in der Kleinen Zeitung vom 26.10.2025, Sonntagsbeilage, Seite18 –19 Stefan
Winkler hat mich interviewt. „Wir
sind auch gern mit der Geisterbahn gefahren“ Halloween
tauge nicht für Kulturkämpfe um das christliche Abendland, sagt der Theologe
Karl Veitschegger WINKLER:
In ein paar Tagen zu Halloween werden wieder Kinder von Tür zu Tür ziehen.
Was macht die Faszination des Events aus? KARLVEITSCHEGGER: Das Spiel
mit dem Unheimlichen! Sich verkleiden, in gruselige Gestalten verwandeln und
Süßigkeiten sammeln — das macht Kindern Spaß! Aber auch immer mehr
Jugendliche und Erwachsene feiern in Grusel-Partys Halloween. Woher stammt Halloween? Halloween hat seinen Ursprung
in Irland und ist über die USA zu uns gekommen. Meist wird es auf das
vorchristliche, keltische Fest Samhain zurückgeführt. Allerdings gibt es
dafür keine direkten Quellen — die Kelten haben ja keine Schriften
hinterlassen —, sondern das Fest wurde aus späteren Schriften christlicher
Mönche rekonstruiert. Vermutlich markierte es das Ende der Erntezeit und den
Beginn des Winters. Und die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits galt in
der Nacht zum 1. November als besonders durchlässig, offen für Begegnungen
mit Totengeistern und anderen unheimlichen Wesen. Der Name „Halloween“ stammt
allerdings sicher aus christlicher Zeit: „All Hallows’ Eve“ – der Abend vor
Allerheiligen. Und der Brauch „Süßes oder Saures“ hat seine Wurzel wohl im
mittelalterlichen „Souling“: In Irland und Großbritannien zogen arme Kinder
und Erwachsene von Haus zu Haus, bettelten um Kuchen und boten im Gegenzug
an, für die Seelen – die „souls“ – der Verstorbenen, die im Jenseits noch der
Läuterung bedurften, zu beten. Das Gebet der Armen bannte so die Furcht vor
„herumgeisternden“ Ahnen: „Herr, gib ihnen die ewige Ruhe!“. Die Toten
sollten in Gott ihren Seelenfrieden finden.
Halloween inszeniert den Tod
als gruseliges herbstliches Kostümfest. Gibt es Ähnliches auch im
Christentum? Im christlichen Mexiko wird zu Allerheiligen/Allerseelen an den Gräbern
gegessen, getrunken, Musik gemacht und dem schaurigen Tod gleichsam ins
Gesicht gelacht. Bei uns entstanden dezentere Formen, sich mit dem
Unheimlichen des Todes auseinanderzusetzen. Denken Sie an die Beinhäuser mit
verzierten Totenköpfen. Bis Ende der 1960er Jahre wurde zu Allerseelen noch
in jeder Dorfkirche eine Tumba, eine Sargattrappe, aufgestellt — obendrauf
ein echter Totenkopf und echte Knochen. Ich erinnere mich noch lebhaft daran,
wie wir als Ministranten mit einer gewissen Grusel-Lust diese Knochen berührt
haben. Auch viele Heiligenfiguren in unseren Kirchen halten einen Totenkopf
in der Hand. Und das Kruzifix ist ja, ernsthaft betrachtet, auch nicht
harmlos. Und doch wird davor gesungen und gefeiert. Leben und Tod, Bangigkeit
und fröhliche Hoffnung auf ewiges Leben gehören zusammen. Christen schimpfen gern über
Halloween. Was halten Sie davon? Seit den 1990er Jahren hat
sich Halloween bei uns etabliert. Ich kann darin eine Möglichkeit
sehen, sich dem Unheimlichen und Schaurigen im Leben zu stellen. Säkular,
aber doch ritualisiert. Es ist zwar nicht mein’s, aber ich weiß, dass auch
wir als Kinder gerne Gespenstergeschichten gehört haben, Geisterbahn gefahren
sind und mit Angstlust den Krampus erwartet haben. Wenn ein Brauch hilft,
Ängste auszuhalten und sie zu überwinden, und sie nicht vertieft oder neu
entfacht, kann ich als Christ dazu Ja sagen. Waren Sie immer so milde? Anfangs war ich ablehnend,
nicht nur der exzessiven Kommerzialisierung wegen — das betrifft ja
Weihnachten viel stärker —, sondern weil ich damit „fremdelte“. Die
christlichen Wurzeln und der Bezug zu Allerseelen sind ja nicht mehr
sichtbar. Was hat Sie dazu gebracht,
Ihre Meinung zu ändern? Die Freude der Kinder — jetzt
auch meiner eigenen Enkelkinder —, sich auf diesen Tag vorzubereiten. Und die
Altersmilde. Ist die Furcht, dass
Halloween mit seiner Spaß- und Konsumkultur das Totengedenken zu
Allerheiligen oder Martini verdrängt, also unbegründet? Die Sorge ist dann
berechtigt, wenn Kinder kein echtes Totengedenken und keine Friedhöfe mehr
kennen. Da droht Kulturverlust. Denn Verstorbene würdig zu bestatten, gehört,
wie die Archäologie beweist, zu den ältesten uns bekannten kulturellen und
spirituellen Handlungen der Menschheit. Aber gegen diesen drohenden Verlust
sind wir ja nicht hilflos. Ich gehe z. B. mit meinen Enkeln auf den Friedhof.
Dabei reden wir über Sterben und Tod. Und ich erzähle auch von meiner
Hoffnung, die über das Grab hinausgeht. Das Laternenfest zu Martini, das
übrigens erst in den 1950ern aus Deutschland zu uns gekommen ist, sehe ich
durch Halloween nicht gefährdet. Können Halloween und das Allerheiligenfest einander vielleicht sogar
sinnvoll ergänzen? Ja. Sie bieten verschiedene
Wege, mit Tod, Vergänglichkeit und Jenseits umzugehen: Grusel und Spaß als
Angstverarbeitung auf der einen Seite, Hoffnung, Gebet und Licht des Glaubens
auf der anderen. Kürbisfratzen schnitzen und Allerheiligenstriezel backen –
Kinder mögen beides. Es ist nicht notwendig, Bräuche kulturkämpferisch
gegeneinander auszuspielen. Sie können gut nebeneinander bestehen, solange
sie Gemeinschaft stiften und Lebenshilfe bieten. Quelle: https://www.kleinezeitung.at/lebensart/halloween/20237351/wir-sind-als-kinder-auch-gern-mit-der-geisterbahn-gefahren Zurück zur Startseite von Karl Veitschegger Zurück zum Menü "Artikel,
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