Dieser Beitrag erschien auf Einladung der Redaktion zuerst am 05.01.2025 in der Kleinen Zeitung:

 

20 C+M+B 25

Weihrauch, Myrrhe, Gold: Die Dreizahl und Kostbarkeit der Gaben „verleiten“ das gläubige Volk dazu, in den Sterndeutern „drei Könige“ zu sehen

Von Karl Veitschegger

 

Wenn das Kamel an der Weihnachtskrippe stand, wusste ich als Kind: Jetzt ist Dreikönigstag. Es überragte alle anderen Figuren. Warum es die Nase gar so hoch trug, erfuhr ich erst viel später von muslimischen Freunden. Das Kamel, so erklärten sie, kenne als einziges Geschöpf alle 100 Namen Gottes. Aber das ist eine andere Geschichte. Das Kamel an der Krippe signalisiert die Ankunft der „Weisen aus dem Morgenland“, die das Jesuskind mit Hilfe eines wundersamen Sterns nach einem Umweg über Jerusalem schließlich in Betlehem finden. Matthäus, der sein Evangelium um 80 n. Chr. verfasst, überliefert uns diese Geschichte. Hat er sie von anderen gehört? Oder selbst komponiert? Sie wird jedenfalls bis heute erzählt und am 6. Jänner in den Kirchen verkündet.

 

Der griechische Text spricht von „Magoi“. Vielleicht sind damit persische „Magusch“ gemeint, also astronomisch gebildete zoroastrische Priester, jedenfalls Vertreter einer „heidnischen“ Religion. Sie suchen das Neue, das mit Jesus in die Welt kommt, während König Herodes das Kind töten will und die Jerusalemer Tempelhierarchie und ihre Schriftgelehrten es missachten. Matthäus spielt hier bereits auf spätere historisch gesicherte Konflikte an, die Jesus durchstehen wird müssen und die ihn ans Kreuz bringen werden. Aber er weiß auch um die Vision im Prophetenbuch des Jesaja, die davon träumt, dass schließlich alle Völker zu einer friedlichen Wallfahrt zusammenfinden: „Der Reichtum der Nationen kommt zu dir. Eine Menge von Kamelen bedeckt dich … Aus Saba kommen sie alle, Gold und Weihrauch bringen sie und verkünden die Ruhmestaten des Ewigen“. Da haben wir wieder das Kamel, das mich als Kind so faszinierte. Es steht für das Fremde, das uns ängstigen mag, aber letztlich bereichert.

 

Nein, die Begegnung unterschiedlicher Religionen und Kulturen ist kein Kinderspiel, wie eine fröhliche, bunt verkleidete Sternsingergruppe auf den ersten Blick vermuten lassen könnte. Auch die Sternsinger der Jungschar wissen um die Ungerechtigkeit im Miteinander der Völker, um das Schwierige in der Begegnung einander fremder Kulturen, aber sie stiften durch ihre Projekte Hoffnung. Ganz im Sinne der alten Propheten und des Lehrers aus Nazaret. Auch er hat klein angefangen. Als lernendes Kind. Ihn – so Matthäus – finden die „Magoi“: „Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar." Nicht nur Jesus wird die Menschen durch sein Wort, sein heilendes Wirken, sein ganzes Leben bereichern, sondern auch er und später seine Jüngerschaft werden durch „Fremde“ beschenkt.

 

Die Dreizahl und die Kostbarkeit der Gaben „verleiten“ das gläubige Volk dazu, in den Sterndeutern „drei Könige“ zu sehen. Man spürt zurecht, Großzügigkeit ist ein Zeichen königlicher Würde. Eine Würde, die allen offen steht. So werden in der christlichen Kunst die Heiligen Drei Könige oft als Vertreter verschiedener Kontinente, Hautfarben und Lebensalter dargestellt.

 

Auch die drei Geschenke werden im Lauf der Geschichte symbolisch gedeutet. So soll die Myrrhe, ein bei antiken Begräbnissen eingesetztes teures Duftharz, an die alle Menschen verbindende Sterblichkeit erinnern, das sonnenähnliche Gold hingegen an die Berufung zum ewigen Leben und der Weihrauch an alle Wünsche und Gebete, die aus der Glut des menschlichen Herzens emporsteigen. Bis heute ist Weihrauch in vielen Religionen und Kulturen Ausdruck der Anbetung und der Festlichkeit, aber auch Zeichen des Schutzes und der Abwehr des Bösen. Die Naturheilkunde schreibt ihm reinigende und heilende Kraft zu. Kein Wunder, dass er nicht nur in die Liturgie der Kirche, sondern auch in das Brauchtum des Volkes Eingang gefunden hat.

 

So gibt es den Brauch, beim „Rauchengehen“ am Abend des 5. Jänners auf die Türen mit Kreide den Haussegen zu schreiben: C+M+B, eingerahmt von der Jahreszahl (20 C+M+B 25). Auf Wunsch wird dieses Segenszeichen heute auch von den Sternsingern angebracht. Die Buchstaben stehen für den lateinischen Spruch „Christus Mansionem Benedicat" (Christus segne die Wohnung). Volkstümlich werden sie auch als Anfangsbuchstaben der Namen Caspar, Melchior und Balthasar gedeutet. Denn eine Legende gibt den biblischen Sterndeutern diese klangvollen Namen. Jeder der drei Namen beinhaltet einen Glück- und Segenswunsch: Caspar (persisch) bedeutet „Schatzbewahrer“, Melchior (hebräisch) „Mein Gott ist königliches Licht“ und Balthasar (babylonisch) „Gott schützt Leben“.

 

„Mazel tov heißt ein jüdischer Glückwunsch, der wörtlich so viel bedeutet wie „gutes Sternbild“. Auch bei Matthäus führt ein Stern die Weisen zum Kind. Durch lange Zeit hielt man den Stern von Betlehem für einen Kometen und stellte ihn als Stern mit Schweif dar. Heute sehen manche Astronomen in ihm eine für die Zeit Jesu nachweisbare Jupiter-Saturn-Konjunktion. Ob es sich um ein astronomisches Phänomen oder „nur“ ein religiös-literarisches Symbol oder um beides handelt, ist mir nicht wichtig. Wohl aber will ich in der Krippe über dem Kamel auch den Stern leuchten sehen, weil, so glaube ich, Jesus durch seine Botschaft Licht und Orientierung in unsere Welt gebracht hat. Ich scheue mich nicht, das mit der Liturgie der alten Kirche „Epiphanie“ zu nennen: ein Aufblitzen der Menschenfreundlichkeit Gottes in dieser Welt – trotz aller Ungerechtigkeiten, gewaltsamen Konflikte, Katastrophen. Wir sind nicht ohne Licht.

 

 

Zurück zur Startseite von Karl Veitschegger

Zurück zum Menü "Artikel, Referate, Skizzen ..."


Karl Veitschegger © 2025